16. Jahrgang
1919
Doppelheft 3/4
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IPER STÄDTEBAU.
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FÜR DIE KÜNSTLERISCHE AUSGESTALTUNG DER
STÄDTE NACH IHREN WIRTSCHAFTLICHEN,
GESUNDHEITLICHEN UND SOZIALEN GRUNDSÄTZEN
MIT EINSCHLUSS DER LÄNDLICHEN SIEDELUNGSANLAGEN UND DES KLEINWOHNUNGSBAUES
INHALTSVERZEICHNIS; Kleinwohnung, Siedelang, Formgestaltung. Fundamente des Aufbaues. — Städtebauliches aus Augsburg. Von Dr. Ing.
Weidenbacher, Augsburg. Dazu Tafeln 16 und 17, — Die Förderung der räumlichen Auffassung im Städtebau durch das Luftbild. Von Alfred
Abendroth. Dazu Tafeln 18—ai. — Industrielle Innenkolonisation in der Schweiz und Deutschland. Von Regierungsbaumeisler a. D. Wehl, Herms-
dorf, — Wohnungsgruppen mit Bedienungagemeinschaft. Ein Vorschlag für die Bedürfnisse des Mittelstandes. Von Regierungsbaumeister Wilhelm
Rave, Bad Bilsen. Dazu Tafeln aa und 23. — Die OberncUStadt in Cassel. Von Dipl>*Ing. Ri Weiß, Dresden, Dazu Tafeln 24 und 25. — Mit
teilungen. —■ Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
KLEINWOHNUNG, SIEDLUNG, FORMGESTALTUNG.
FUNDAMENTE DES AUFBAUES.
- V
Das Sitaiungsproblem gewinnt geradezu tragischen
Umfang. W$ Vend im kommenden Winter die Erzeugung
künstlicher Wärme in Deutschland auf ein kaum erträg
liches Mindestmaß herabgedrückt sein wird, bleiben dauernde
Unterkunftsstätten für heimlose Menschen zu gering an
Zahl, um ihnen wenigstens den allemötigsten Schutz vor
der Außenkälte zu sichern. Unruhen sehr ernsten und nicht
unberechtigten Charakters werden die Folge sein, die dann
nichts sein werden wie eine Auswirkung unzulänglicher
Wohnungsgestellung.
In Berlin will man nun in aller Eile Siedelungs
bauten aus Lehm in großer Zahl auf dem Tempelhofer Felde
errichten, und den zahlreichen Lesern der Berliner
Illustrierten Zeitung ist ein dort errichtetes Probelehmhaus
bereits unangenehm auf gefallen: nicht wegen des Lehms,
den ich sehr schätze und für durchaus verwendbar halte,
sondern wegen der bedauerlichen Form, die das arme Ding
bekommen hat. Das also ist eines der Häuser, die den
Millionen der Großstadtsklaven Freiheit, Ruhe, Freude geben
Sollen. Wer diese Eigenschaften darin findet, mag hinein
ziehen, doch ich fürchte, daß es nicht allzu viele sein werden,
und daß nur der Zwang der Not stärker sein wird wie das
Gefühl, in den glücklichen Genuß eines endlich Gewonnenen
einzutreten.
Ferner hat der Zweckverband dazu gegriffen, Holz
häuser zu bestellen. Sie sind mir immer sympathisch ge
wesen, weil sie an eine so alltägliche Aufgabe wie Wohn-
raum zu schaffen, mit nicht so unverhältnismäßig kompakten
Mitteln Herangehen wie die alten Bauweisen. Was man den
Holzbauleuten verhalten könnte, wäre, daß sie die Konjunk
tur ein wenig sehr auszunützen scheinen, und was man den
Behörden mit größerem Recht verhalten kann, ist die Tat
sache, daß auch dieser naheliegende Ausweg zu spät betreten
wurde. Dehn immerhin haben die Holzbauten vor dem
Tempelhofer Lehmklumpen den nicht zu gering zu schätzen
den Vorzug, daß sie ausgeprobt sind, und daß sie recht gut
aussehen können, wenn man sich Mühe gibt und ihren künf
tigen Besitzern Freude geben will.
Aber — das Siedelungsproblem als eine Materialfrage
aufzufassen, ist ein verhängnisvoller Irrtum. Er ist nichts