DER STÄDTEBAU
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Die reizvollste Ausbildung erfuhr die nur einseitig bebaute an
dem von alten Bäumen beschatteten Kanal entlang laufende
Kanalstraße. Sie zerfallt in 3 Teile, deren mittlerer neben
einer Kaserne und dem Offizierkasino aus zweigeschossigen
Reihenhäusern gebildet wird, während in den beiden seit
lichen Abschnitten zweigeschossige Einzelhäuser mit ein
geschossigen Doppelhäusern wechseln, eine Vermengung
stark unterschiedlicher Wohnbedürfnisse, vor der die staffel-
förmige Bauweise aus Gründen sowohl wirtschaftlicher wie
schönheitlicher Klarheit wohl den Vorzug verdient (Abb. 1,
Tafel 10). Die Blockfrontanlage, zu der der eine der seit
lichen Teile zusammengefaßt ist, hat leider eine so große
Ausdehnung, daß die beabsichtigte Wirkung uns im Licht
bild, aber kaum in der Wirklichkeit zur Geltung kommt
(Abb. m, Tafel 10). In der Architektur wird im Anschluß
an die Wiederaufnahme klassischer Formgebung ein zum
monumentalen neigender großer Maßstab in den Einzel
formen bevorzugt, was besonders den langen Reihen kleiner
Häuser zum Vorteil gereicht, und bei einer Vermischung
mit größeren Häusern wie in der Kanalstraße den Gegensatz
so verschiedener Haustypen wenigstens einigermaßen aus
gleicht.
Der geschichtliche Verlauf war nach Goß kurz folgender:
An Stelle der heutigen Stadt lag im 16. Jahrhundert, vom
heutigen Prinzengarten über die Schloßstraße bis zum Kanal
und zur Schulstraße sich erstreckend, das aus 8 Bauern-
und 16 Kossäthengehöften bestehende Domanialdorf Kleinow
nebst einem auf dem Grunde des heutigen Schlosses stehen
den Lehngutshof. Nachdem die Herren von Kleinow 1616
infolge schwer zu schlichtender Grenzstreitigkeiten ihren
Hof an den Herzog von Mecklenburg abgetreten hatten,
begann im Jahre 1714 der in Grabow wohnende Prinz
Christian Ludwig, um die Jagd in Kleinow und den Wal
dungen der benachbarten Dörfer zu nutzen, mit dem Bau
eines Jagdhauses. Infolge von Zwistigkeiten mit dem
regierenden Herzog kam jedoch erst 1731—1735 der ein
stöckige 130 Fuß lange einfache Fachwerkbau zustande,
wie er auf einem Bilde von Suhrland sich darstellt (Abb.
bei Nugent). Nach vorn schlossen sich zwei kurze Flügel
an, der Küchenbau mit Pferdestall und ein diesem ent
sprechendes, der sog. Koppenflügel. Der Gutshof wurde
an der Landstraße nach Schwerin wieder aufgebaut. Der
1756 zur Regierung kommende Herzog Friedrich, ein
wissenschaftlich wie künstlerisch vielseitig gebildeter Fürst,
wählte Ludwigslust zu dauerndem Aufenthalt, wurde aber
durch den siebenjährigen Krieg, in dem er eine Preußen
feindliche Stellung einnahm, zunächst verhindert, sich bau
lich besonders zu betätigen. Nur die Versorgung des Ortes
mit Wasser durch die Anlage des Ludwigsluster Kanals
wurde energisch in die Wege geleitet, Die Kaskade erhielt
damals einen Schmuck von 3 hölzernen Obelisken, die erst
später durch die Kaplungerschen Figurengruppen ersetzt
wurden. Unmittelbar nach Beendigung des Krieges begann
der Herzog mit der Erbauung einer neuen Stadt. Zuerst
wurden die beiden Reihen einstöckiger Häuser zwischen
Bassin und Kirchenplatz erbaut zur Unterbringung der
Hofbedienten. 1765 folgte der bis 1770 sich hinziehende
Bau der Kirche und der den Platz umschließenden Häuser.
Weiter je zwei eingeschossige Häuser am Bassin und in
der Schloßstraße, welch’ letztere sich bis heute erhalten zu
haben scheinen. Die am Bassinplatz wurden später auf zwei
Geschosse erhöht und durch weitere Häuser für Hofleute
und Beamte und das Prinzenpalais ergänzt (Abb. h, Tafel 9).
An Stelle des alten Jagdhauses trat 1772—1776 ein Neubau, das
jetzige Schloß, die beiden alten Flügel, auf dem Plan Tafel 6
eingetragen, wurden in der Mitte des 19. Jahrhunderts zum
Vorteil für die Wirkung des Schlosse« abgebrochen. Der
Ausbau der Schloßstraße machte die Verlegung der dortigen
Gehöfte notwendig, die teils nach benachbarten Dörfern
verpflanzt, teils an der Straße nach Schwerin neu aufgebaut
wurden. Weiter folgten 1774 die Anlage der Nummer
straße, 1791 der Bau der beiden ägyptischen Glockentürme
am Eingang zum Friedhof, die nach einem Stich von Fin
dorff schon vor 1760 in Holz ausgeführt waren. Stärkerer
Zuzug von Kaufleuten und Handwerkern um die Wende
des Jahrhunderts veranlaßten einen weiteren Anbau der
Stadt, es entstanden die Neue Straße, Schulstraße, Breite
Straße und nach einem Brande die Letzte Straße und Berg
straße. 1816 wurde als Abschluß der Schloßstraße durch
den Landbaumeister Johann Georg Barca der Marstall er
richtet, als öffentliches Gebäude wie Schloß und Kirche in
heller Farbe, wenn auch nur in Putz, gehalten, im Gegen
satz zu dem Rot der Straßenwandungen. Diesem Bau
schlossen sich noch an die Schweriner, Marstall-, Mauer-
und Kanalstraße.
Als eins der letzten Beispiele der deutschen Stadtbau
kunst des 18. Jahrhunderts zeigt Ludwigslust diese auf einer
hohen Stufe der Entwicklung. Der seltene Glücksfall, daß
der Schöpfer des Stadtplanes diesen auch selbst fast voll
ständig zur Ausführung bringen durfte, stempelt die Stadt,
wenigstens in ihrem ältesten und wertvollsten Teil, zu einem
einheitlichen Kunstwerk, das bei aller Strenge, Symmetrie
und monumentalen Größe nicht nur der Gefahr der bei
ähnlichen Anlagen leicht entstehenden Nüchternheit entging,
sondern auch durch die geschickte Gruppierung verschieden
artiger Platzformen und der weisen Anwendung von Garten
kunst und von Farben- und Beleuchtungswirkungen male
risch im besten Sinne des Wortes ist.
ÜBER DIE KÜNSTLERISCHE GESTALTUNG DER
STADTERWEITERUNGEN UND NEUSIEDELUNGEN.
Von FRANZ A. LANDWEHR, Berlin-Schlachtensee.
Auch in solchen Zeitschriften und Veröffentlichungen,
deren Leiter künstlerischen Forderungen geneigt sind, er
scheinen immer wieder Entwürfe zu Kleinsiedelungen für
Arbeiter oder Kriegsbeschädigte, die durchweg einen ein
heitlichen Typus tragen. Die Straßenführung und die Platz
gestaltung sind sogenannten vorbildlichen Entwürfen oder
Ausführungen entnommen oder angelehnt, oder die Straßen
und Baufluchtlinien entsprechen „modernen“ Gesichts
punkten, so daß das einzig Eigenartige der Zuschnitt des
Siedelungsgebietes ist, den die örtlichen Verhältnisse halt