DER STÄDTEBAU
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Der Gebäudeabstand beträgt für den Hauptweg von
Bauflucht zu Bauflucht 13 m. Hiervon entfallen 4,5 m auf
den Straßendamm, daneben ist ein einseitiger Gehweg von
2.5 m Breite angelegt. Die übrigen Wege haben einen
Fahrdamm von 5 m Breite und zum Teil Vorgärten von
3.6 m. Bei Wegfall des Vorgartens ist auf der betreffenden
Straßenseite ein Rasenstreifen von 0,40 m angeordnet. Die
Aufwendungen für die Geländeerschließung sind niedrig
gehalten.
Den Zwecken der Wohnsiedelung entspricht es, daß
mit der Zuteilung des privaten, nutzbaren Landes freigebig,
mit der Beanspruchung öffentlichen Landes dagegen spar
sam verfahren wurde. Jedes Grundstück hat eine eigene
Gartenfläche, deren Größe im allgemeinen zwischen 150
und 200 qm schwankt; einige Gärten dehnen sich über
200 qm aus. Im einzelnen wurden genaue Stichberech
nungen vorgenommen, deren Ergebnis auf dem Plan (Tafel 1/2)
bei den einzelnen Grundstücken eingezeichnet ist. Während
somit das Einzelhaus reichlich mit Freifläche versehen
wurde, haben die Verfasser andererseits Öffentliche Frei
flächen nur in geringem Umfang angelegt; zu erwähnen
sind die Spielplätze, die im Innern größerer von allen
Seiten zugänglicher Geländeblöcke angeordnet sind. Es
ist hierbei darauf hinzuweisen, daß die neuere Freiflächen
agitation vielfach Verwirrung angestiftet hat. Unter dem
System der Mietskaserne, die dem einzelnen Mieter keine
private Freifläche gewährt, sind Öffentliche Freiflächen als
Ersatz allgemein notwendig. Ganz anders, wenn, was als
anzustrebendes Ziel gilt und im vorliegenden Fall erreicht
wurde, jede einzelne Wohnung mit eigener Freifläche ver
sehen ist. Der Freiflächenluxus wirkt mindestens ebenso
schädlich wie der von den Verfassern bekämpfte Straßen
luxus; es hat sich in der Erfahrung der jüngsten Zeit
gezeigt, daß die reichliche Gewährung von öffentlichen
Freiflächen geradezu ausgenutzt wurde, um schlechte Be
bauungspläne und ungünstige Hausformen zu maskieren.
Daß im vorliegenden Fall infolge der Lage der Siedelung
für öffentliche Freiflächen an sich kein Bedürfnis vorliegt,
wurde oben bemerkt.
Sämtliche Grundstücke sind an der rückwärtigen Garten
seite durch Wirtschaftswege von 1,20 m Breite zugänglich
gemacht, die in entsprechenden Zwischenräumen mit
Ausweichstellen versehen sind. Eine Benutzung der
Wohngebäude für Zufuhr und Abfuhr von Garten- und
Wirtschaftsstoffen findet somit nicht statt. Innerhalb der
Geländeblöcke ist die Bebauung in der Querrichtung fast
durchgängig vermieden; das Durchstreichen der Luft ist
hierdurch allgemein gewährleistet. Die Aufteilung der
ganzen Siedelung wurde in der Weise durchgeführt, daß
die Nord-Süd-Richtung der Straßen festgehalten wurde,
so daß die bei weitem überwiegende Mehrzahl der Häuser
Ost-West-Stellung besitzt.
Um ein Urteil über das wirtschaftliche Ergebnis der
Parzellierung zu ermöglichen, haben die Verfasser die Auf
teilung des Gesamtgeländes unter Anwendung des Eigen
hauses mit Gartenfläche durchgeführt und hierbei zwei
Hausformen zugrunde gelegt. Die Aufteilung ergibt ins
gesamt 643 Wohnhäuser, von denen 384 eine Baustellen
breite von 6 m, 259 eine solche von- 4,8 m besitzen. Die
größeren Häuser sind an der äußeren Randstraße sowie an
dem Hauptweg angeordnet, während an den übrigen Auf
teilungsstraßen der kleinere Haustyp angenommen wurde.
Die Auswahl und Verteilung der Haustypen bleibt, wie
sich von selbst versteht, der praktischen Ausführung des
Unternehmens Vorbehalten und kann beliebig durch Ab
wandlungen in den Haus- und Grundstücksformen aus
gestaltet werden. In einer bestimmten Hinsicht glaubten
indes die Verfasser eine Grenze einhalten zu sollen: die
Unterstufe der Kleinwohnung, die als „Geringstwohnung“ zu
bezeichnen ist, hat in dem Vorschlag keine Berücksichtigung
gefunden. Vielmehr gehen die Verfasser davon aus, daß
als billigste in der Siedelung anzulegende Hausform die
jenige zu betrachten ist, die dem Mietsaufwand des normal
gelohnten Industriearbeiters entspricht. Ein solches Klein
haus würde der Haustypus A, Tafel 3, darstellen, während
für die Familien mit gehobenem Arbeitseinkommen der
Haustypus B, Tafel 4, geboten wird.
Das größere Haus, Typ B, hat 6 m Straßenfront und
9 m Tiefe. Die bebaute Fläche beträgt 54 qm ohne Anbau
und 65 qm mit Anbau. Es enthält im Erdgeschoß eine
Wohnstube und eine Wohnküche, beide je etwa 14 qm Fläche
umfassend. Die Wohnküche ist vom Flur zugänglich ge
macht. Neben der Wohnküche ist eine Spülküche angelegt,
die auch gleichzeitig als Waschküche und Badestube dient.
Diese Spülküche liegt zu einem Drittel in dem dem Haupt
hause angefügten rückwärtigen Anbau, der den Abort und
die Kleinviehställe enthält. Der Ausgang in den Garten von
der Wohnküche erfolgt durch diese Spülküche, und zwar
nicht unmittelbar, sondern durch einen überdeckten Platz,
von dem aus der Abort zugänglich ist. Durch die Lage
des Aborts an dieser Stelle wird die Frage offen gelassen,
ob durchweg Wasserspülung angewendet, oder ob der Abort
so eingerichtet werden soll, daß die Ausscheidungsstoffe zur
Düngung des Gartens verwendet werden können.
Die Notwendigkeit, jedem kleinen Einfamilienhaus einen
Kleinviehstall beizugeben, der übrigens in den westlichen
Provinzen schon allgemein üblich war, hat sich durch die
Nahrungsmittelsorgen des Krieges klar ergeben. Der in
zwei Abteilungen geteilte Stall dient nur zur Unterbringung
einer Ziege und eines Schweines. An dem Stall ist ein
Hühnerauslauf mit einem Gitter angebaut. Die Hühner
nächtigen über dem Stall, wohin sie auf einer Hühnerleiter
gelangen. Zwischen dem Stallanbau und der gegenüber
liegenden Nachbargrenze liegt der Hof, der zugleich als
Sitzplatz im Freien dient. Er ist gegen den Nachbar hin
durch eine 1,80 m hohe und 2 m lange Mauer getrennt.
Ein Teil des Hofes kann als Gartenlaube ausgebildet werden.
Im Obergeschoß enthält das Haus drei Schlafzimmer,
von denen das eine Schlafzimmer der Eltern eine über
wiegende Größe aufweist, so daß hier auch noch Kinder
betten bequem gestellt werden können. Alle drei Schlaf
zimmer sind vom Flur aus besonders zugänglich. Es sind
ferner für jedes Schlafzimmer Wandschränke angeordnet.
Vom Flur geht eine Treppe auf den Boden, von dem aus
noch eine besondere Schlafkammer zugänglich gemacht
ist. Das Haus ist nur zur Hälfte unterkellert.
Die Schornsteinkästen je zweier Häuser werden im
Dach so vereinigt, daß sie in einem einheitlichen Kasten
aus dem Dache heraustreten. Die Treppe hat eine Steigung
von 17 zu 26 vom Erdgeschoß zum Obergeschoß, die im
Innern des Hauses sich entwickelnde Bodentreppe ist
steiler. Sie ist durch ein Dachfenster, welches an der
Rückfront des Hauses als Fledermausluke sichtbar ist,
beleuchtet.