DER STÄDTEBAU
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marinefiskalische Gelände südlich der Königstraße, das Ge
lände zwischen Prinz-Heinrich- und Parkstraße im Norden
und in der Hauptsache im Nordosten vor. Mit den bereits
vorhandenen Ansätzen wird danach die offene Bauweise
rund 26% der Gesamtfläche betragen.
Rechnet man nun durchschnittlich 90 Einwohner auf
1 ha bei offener oder Gruppenbauweise (einschl. Reihen
häuser), 400 Einwohner bei geschlossener Bauweise und
eine Steigerung der Einwohnerzahl in bereits bebauten
Stadtgebieten von 180 auf 250 Einwohner, so ergeben sich
folgende Zahlen:
74 ha zu 90= 6660
24 ha zu 400= 9600
190 ha zu 250 - 47500 63760
davon ab die gegenwärtige Bevölkerungsziffer mit 34800
demnach Zuwachs 28960
Da der bisherige Zuwachs durchschnittlich in den Jahren
1900—1917 rund 800 Personen betragen hat, würde, mit
dem gleichen Zeitmaße nach dem Kriege gerechnet, also
für 36 Jahre vorgesorgt sein.
ln dem Bebauungsplan sind die Bauplätze für einen
Gasthof am Bahnhofsplatze, für ein Stadthaus, eine Spar
kasse, für ein städtisches Schwimmbad, eine Stadtbücherei,
ein Stadtmuseum, ein Theater mit der Front gegen den
Wilhelmsplatz auf dem jetzigen Bahnhofsgelände vor
gesehen und im Nordosten außerdem ein 10 ha großer Sport
platz, der aber in die 98 ha bebaubare Fläche nicht ein
gerechnet ist, endlich Bauplätze für eine Kirche, ein Kranken
haus, ein Pflege- und Altenheim, eine höhere Knaben- und
höhere Mädchenschule, ein Kinderheim, eine Stadthalle mit
öffentlichen Lehrstätten, Turn- und Sporthallen, sowie
für ein Gesellschaftsbaus mit Badeanstalt an der See.
Die Gesamtfläche der Grünanlagen, 20 ha Park und
10 ha Sportplatz, betragen über 10% des Gesamtstadtgebietes
von 190+98+10 (Sportplatz) = 298, das bei der freien Lage
an der See und mit Rücksicht auf die dort gebotene Deich
promenade und den Strand als vollkommen ausreichend
anzusehen ist. Demnach sind für eine gedeihliche Ent
wicklung die Vorbedingungen gegeben, wenn diese auch im
Hinblick auf den Wettbewerb durch die dicht anstoßende
Nachbarstadt sich nicht immer glatt vollziehen dürfte.
Rüstringen ist von 1910 bis 1915 von 47600 auf 58600
Einwohner gestiegen. Mit Wilhelmshaven zusammen er
gibt das eine Doppelsfadt von 110000 Einwohnern, die in
den letzten Jahren sich weiter auf 120000 gesteigert hat bei
Einrechnung der Garnison nach Friedensstärke. Dem Be
völkerungszuwachse entsprechend sind von 1910 bis 1914
(nach 1914 sind fast keine Wohnungen weiter entstanden,
doch hat sich die Bevölkerung vermehrt) in Wilhelmshaven
für (161 + 1625 + 648=) 2434 Einwohner 485 Wohnungen er
baut worden, das sind durchschnittlich für fünf Köpfe eine
Wohnung, also ein noch erträgliches Verhältnis.
Soweit es die beschränkten Verhältnisse gestatten, holt
der praktische und großzügig zugleich gedachte Plan bisher
Versäumtes in durchaus gründlicher Weise nach; wie
schon einleitend bemerkt wurde, ist die vorgeschlagene
Gliederung der Wohngelegenheiten notwendig zur Befriedi
gung der verschiedenartigen Wohnbedürfnisse.
Das jetzige Bahnhofsgelände ist zweckmäßig aufgeteiit
— hier werden auch die Bedürfnisse der Geschäftswelt zu
erfüllen sein. Zu erwägen bleibt noch mit Rücksicht auf
den Verkehr, ob sich nicht noch eine Verbindung von der
Königs- zur Prinz-Heinrich-Straße empfehlen dürfte, da
letztere ohnehin in ihrem unteren Teile als Verkehrsstraße
anzusehen ist, während sie im oberen Teile Wohnstraße ist
und deshalb eine Ablenkung durch eine Schrägstraße nach
der Kieler Straße erhalten soll. Im übrigen sind die Ver
bindungen dieses Bahnhofsgeländes mit der Stadt nach
beiden Seiten hin sowohl als nach Rüstringen als vortreff
liche zu bezeichnen.
Die sonstigen Vorschläge zur Bebauung im Westen
verbürgen die Entstehung gesunder und schöner Heim
stätten. Beide Gebiete aber sind verhältnismäßig geringen
Umfanges. Eine viel größere Bedeutung gewinnt deshalb
die im Nordosten geplante Wohnsledelung von 73 ha Boden
fläche, wozu noch 10 ha für den Sportplatz treten. Dahin
würden vom neuen Bahnhofe aus durch die Neue Bahn
hofstraße fuhren: die Kieler und Bismarckstraße oder die
Wall- und Hollmannstraße, Gökerstraße, Hinter- und
Rechternstraße oder wieder Bismarckstraße, beide Straßen
züge schienenfrei, ferner durch die Königsstraße mit Über
schreitung der Gleise die Gökerstraße und weiter wie vor
hin, oder die die Werftaniagen durchquerende Jachmann
straße, die das Ende des südlichen Stadtteiles mit dem
nordöstlichen verbindet. Am Schnittpunkt dieser Straße
mit der Bismarckstraße ist der Eingang zur neuen Wohn-
siedelung gedacht. Erwogen soll noch werden, ob nicht auch
schon mehr westlich von der Bismarckstraße aus etwa gegen
über der Einmündung der Rechternstraße ein weiterer Ein
gang sich empfehlen dürfte. Die sich vom Eingänge her ver
zweigende Hauptstraße soll geschlossen bebaut, westlich
davon eine Kleinhaussiedelung mit Reihenhäusern und Haus
gärten für Kriegsbeschädigte und Werftarbeiter, östlich eine
Landhausbebauung für Offiziere, Beamte und sonstige Bürger
angelegt werden, die sich um den Sportplatz gruppiert
und bis zur See hin erstreckt. Der Entwurf bedarf noch
einer weiteren Durcharbeitung der Kleinhaussiedelungen,
und zwar zugunsten der Anlage von Wohnhöfen an Stelle
der sehr lang geplanten Reihenhausstraßen, besonders auch
unter Berücksichtigung des schönen Baumbestandes. Im
Grundgedanken ist er jedoch durchaus anzuerkennen.
Eine böse Eigentümlichkeit Wilhelmshavens ist die die
Stadt durchquerende Eisenbahn der Kaiserlichen Werft.
Das Rosengartengleis zerschneidet das einzige im Süden
der Stadt (zwischen Königsstraße und Deichbrücke) noch
zur Bebauung verfügbare Gelände, dabei die Kaiser- und
die Roonstraße mehr oder minder schief überquerend, und
kreuzt weiterhin die bebaute Stadt an der Königsstraße vor
dem Bahnhofsgelände, an der stark belebten Wallstraße
und an der Gökerstraße vor den Werftanlagen. Die Über
kreuzung der letzteren durch ein vom Bahnhof her den
Wilhelmsplatz durchschneidendes Gleis war früher schon
vorhanden. Die anderen sind im Kriege dazu gekommen.
Nur Kriegsmaßnahmen lassen eine so rücksichtslose und
verschwenderische Durchquerung der vom Bahnhof zur
Werft führenden Eisenbahn erklären. Das marinefiskalische
Gelände scheint auch schon früher ohne Bebauungsplan
je nach Bedarf angegriffen worden zu sein; sonst wäre die
Lage des nicht erweiterungsfähigen Hafenbauhofes mit der
neuangelegten, das Gelände weiter zerschneidenden An
schlußbahn sowie die Errichtung von Werkstätten an der
Kaiserstraße gegenüber dem Werftkrankenhaus nicht ver
ständlich.