DER STÄDTEBAU
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setzt. An der Landgrafenstraße sind ferner freistehende
Mietshäuser entstanden, deren Wohnungen stets gut ver
mietet sind. Im übrigen ist der Fehler des Bebauungsplanes,
der selbst Öffentliche Gebäude in das Innere der Baublöcke
gedrängt hat (Kirche, Synagoge, Schulen), durch die Aus
nutzung des Blockinnem zu gesuchten Wohngelegenheiten
(Wohnhöfen) bestmöglich ausgeglichen worden. Es bleibt
zu bedauern, daß einige Entwürfe über solche geschätzten
und hochbezahlten Wohnoasen kaltblütig haben hinweg
gehen können.
Und,4rittens war es für die Planung nicht gleichgültig,
ob der Umbau höheren Anforderungen des allgemeinen
Wohles zu genügen und deshalb eine Beleihung oder gar Zu
buße aus öffentlichen Mitteln (z, B. für neue Straßen- und
Platzanlagen) zu gewärtigen habe, oder ob er lediglich der
privatwirtschaftlichen Unternehmung unter gewissen bau
polizeilichen Bedingungen überlassen werden solle. Einige
Entwürfe haben unter Wahrung des gesundheitlichen Stand
punktes den Nachweis der Wirtschaftlichkeit zu erbringen
versucht, andere aber wohl in der Annahme, daß dann der
wirtschaftliche Erfolg sich von selber einstellen müsse, mög
lichst den üblichen Berliner Grundriß beibehalten und wieder
andere zwar beachtenswerte Verbesserungsvorschläge ge
macht, deren Kosten jedoch dem lieben Gott anheimgestellt.
21 Entwürfe waren eingegangen. In Anbetracht der
schwierigen Aufgabe und der Zeitverhältnisse eine stattliche
Zahl, die allerdings wohl noch größer hätte sein können,
wenn sich auf diesem Gebiete bewanderte Architekten von
Ruf nicht dem Notstandswettbewerbe femgehalten haben
würden. Von diesen Entwürfen sind vier mit 2500 Mk., zwei
mit 2000 Mk. und einer mit rooo Mk. preisgekrönt worden.
Einige Lösungen dieser Entwürfe sind auf den Tafeln 27 bis
32 dargestellt. Darin soll aber kein Urteil über die anderen
weniger vom Glück Begünstigten enthalten sein; denn auch
unter diesen befinden sich noch durchaus achtbare Leistun
gen, wie die Lagepläne von Nr, 2: „100 Zimmer“, Nr. 3:
„Lotte“, Nr. 6: „Wohnidyll“, ferner die ganzen Entwürfe
Nr. 15: „Neues Leben“ und Nr. 20: „An der Zeitwende“.
Einem der fleißigsten Teilnehmer am Wettbewerbe, der auf
einen seiner Entwürfe auch einen Preis von 2500 Mk. er
halten hat, haben es offenbar die beiden romanischen Häuser
an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche angetan. Es würde
sicherlich kein Unglück sein, wenn die Ausstellungshallen
am Zoologischen Garten wieder verschwänden, doch an ihre
Stelle eine Reihe romanischer Häuser zu setzen, wäre hart
für Berlin; da darf man wohl sagen, schade um die schönen
Zeichnungen!
Zu Nr. 1 „Wohninsel“ des Architekten Alfred Lowitzki
— siehe Tafel 27 — hat das Preisgericht gesagt, der Drei
ecksblock am Lützowplatze, begrenzt von der Lützowstraßc,
der Dömbergstraße und dem Lützowufer, sei gut gewählt;
Verfasser habe anstatt der vorhandenen sieben kleinen Höfe
einen großen Binnenhof geschaffen, wodurch die Wohnlich
keit des Baublockes sicherlich sehr gehoben würde. Dazu
möge gleich die Kritik zu Nr. 12 „Ohne sichtbare
Giebelwände“ — siche Tafel 38 — des Regierungs
baumeisters a. D. Walter Koeppen gesetzt werden: Zu
loben sei der Vorschlag, nur die schlechten Häuser durch
Neubauten zu ersetzen und die besseren durch Umbau den
heutigen Ansprüchen anzupassen. Der Verfasser habe dabei
mit Recht besonderen Wert darauf gelegt, daß bei der neuen
Bebauung die jetzt so wirr durcheinander stehenden Brand
giebel vermieden werden (im Baublock zwischen Schill- und
Landgrafenstraße bzw, zwischen Kurfürsten- und Wich-
mannstraße). — In der Tat sind in beiden Entwürfen Vor
schläge enthalten, die bei Erlaß zweckentsprechender Bau
vorschriften für die einzelnen Baublöcke der Privatunter
nehmung vielleicht die Möglichkeit zu ihrer Verwirklichung
geben würden. • . ■
Bei den anderen Entwürfen, mit Ausnahme von Nr. 21
„Soll und Haben“, des einzigen, der sich auf die Darstellung
der wirtschaftlichen Möglichkeiten beschränkt hat, ist die
Erwerbung fast der ganzen Blöcke in einer Hand unerläß
liche Voraussetzung. Das Preisgericht sagt zu Nr. 4
„Kriegsjunge“ — siehe Tafel 29 — des Regierungsbau
meisters Th. Karl Brodführer und des Architekten Mathias
Bardenheuer, der Gedanke, den Sportpalast an der Pots
damer Straße mit Innenstraßen zu umgeben und diese mit
den Außenstraßen des Baublockes zu verbinden, sei als
glücklich zu bezeichnen. — Vorbehaltlich der Prüfung in-
bezug auf den Geldpunkt erscheint dieser Vorschlag noch
am ersten zu verwirklichen.
Zu Nr. 14 „Willst was Gutes bauen, Mußt’ aufs Ganze
schauen“ des Architekten Hermann Jansen: Die Baublöcke
zwischen der Potsdamer und der Mansteinstraße anderweitig
aufzuteilen sowie die neuen Blöcke fast durchweg nur mit
Vorderhäusern zu besetzen und in ihrem Inneren Garten
höfe zu schaffen, erscheine günstig. Dabei sei die Anlage
eines freien Platzes vor* 1 dem Bahnhof Großgörschenstraße
sowie eines Spielplatzes im Zuge der Säulenhallen des
Kleistparkes als wesentliche Verbesserung zu begrüßen. —
Die damit vorgeschlagene Unterdrückung der Culmstraße
verdient besondere Anerkennung; liefert sie doch den besten
Beweis für die Überflüssigkeit mancher öffentlichen Straße,
die übrigens in vielen Fällen dadurch zu verbessern ginge,
daß ihre Fahrbahn soweit wie möglich in Grünanlagen um
gewandelt würde. Ob die Öffnung der Innenanlagen in der
Axe der ins Leere auslaufenden Säulenhallen der früheren
Königsbrücke gerade als glücklich anzusehen ist, mag dahin
gestellt bleiben.
Ferner zu 18 „Einfamilienhausgedanken“ — siehe
Tafeln 30 und 31 — des Architekten Alfred Lorenz: Die Ab
sicht, wohlhabenden Leuten Gelegenheit zu bieten, in der
Nähe ihrer Geschäfte sich in Eigenhäusem behaglich einzu
richten, verdiene Anerkennung. Mit Vorteil habe der Ver
fasser seine Gedanken auf die Bebauung des Blockes zwi
schen Lützow- und Steglitzer Straße gerichtet, indem er im
Inneren des Blockes einen größeren Platz nebst Wohn
straßen schufen wolle, die mit den Außenstraßen zweck
mäßig in Verbindung gebracht werden sollen. Fraglich sei
allerdings, ob das Einfamilienstockwerkshaus sich in Berlin
einbürgern würde, doch könnten daraus auch Zweifamilien
häuser hergerichtet werden. — Der Zweifel mag berechtigt
sein; immerhin gibt die Beliebtheit der mit Einfamilien
häusern verschiedener Art besetzten Wohnhöfe dieser
Gegend zu denken. Allerdings müßte der Grundriß mehr den
im Westen Deutschlands nach vielhundertjähriger Erfahrung
erprobten Haustypen angepaßt werden, um das tägliche
Treppensteigen möglichst zu vermindern. Zweifamilien
häuser ähnlicher Art befinden sich meines Wissens schon im
Hansaviertel.
Endlich zu 16 „Zu bauen verstehen, heißt Wert erhöhen“
— siehe Tafeln 31, 32 u. Textbild 1 — des Architekten Her
mann Jansen: Anzuerkennen sei die Durchführung der Rand-