DER STÄDTEBAU
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gewisse Baugewerbezweige mit ihrem Schwergewicht auf
die Massenherstellung von Kleinhausbaustoffen wie -kon-
struktionen werfen. Der Kleinhausbau muß erst einmal zu
einem spezialisierten Baugewerbezweig gemacht werden.
Unsere Bauperiode unterscheidet bereits streng zwischen
etwa Bahnhofsbauten und Schlachthofanlagen, zwischen
Schul- und Krankenhäusern, Badeanstalten und Silo
bauten u. dgl. mehr; nur im Wohnhausbau haben wir es
noch nicht zu Einheitstypen gebracht, die der sozialen
Schichtung der Stadtbevölkerung angepaßt sind. Das müssen
wir möglichst bald und gründlich nachholen, wenn wir
den Massenbezug erreichen wollen als die Voraussetzung
der Massenproduktion. Auf jedem anderen Gebiet finden
wir es längst selbstverständlich, immer nur nach Sorten
und Gattungen zu arbeiten, um in der „Branche“-Tätigkeit
möglichste Verbilligung zu erzielen; beim Wohnhausbau
aber tun wir, als ob der Fortschritt an uns spurlos vorbei
geglitten wäre.
Wir müssen allen Ernstes dazu übergehen, nicht bloß
Möbelstücke und Heizungseinrichtungen für Kleinwohnungen
nach Hunderten und Tausenden nach geschmackvollen
und praktisch bewährten Einheitsmodellen zu beschaffen,
sondern auch Fenster und Türen, Kamine, Treppen, Dach
stühle und Decken für Wohnhäuser nach einheitlichen
Maßen in Großmengen zu bestellen. Daß hierin eine
mächtige Einsparung an Arbeitsaufwendung und Kapital
zu erzielen ist, beweist uns am besten die Rekordbauperiode
unserer Nachbargroßstadt Plauen im Vogtland. In den
Jahren 1903 mit 1904 sind dort allein im Stadtgebiet Plauen-
Neundorf 14 Straßenzüge begonnen und mit Wohnhäusern
ausgebaut worden, und an ein und demselben Tage am
1, Juli 1904, wo Plauen in die Reihe der Großstädte ein-
rückte, feierten nicht weniger als 215 fünfgeschossige Wohn
häuser dort ihr Hebefest. In dieser Zeit, wo Plauen in
einem Jahre sich um das Weichbild der ganzen Stadt Hof
vergrößerte, wo 28 städtische Baurevisoren und Bau
kontrolleure die ungeahnt sich auftürmende Arbeit nicht
mehr bewältigen konnten, in dieser Zeit hat die Massen
produktion und der Massenbezug Triumphe gefeiert, indem
nicht allein die Treppen und Decken zu Hunderten gleich
mäßig hergestellt, sondern auch die ganzen Häuser, ja
ganze Straßenzüge nach einer Schablone errichtet wurden.
Diesen ungesunden verwerflichen Massenbezug, der schlechte
Wohnungen und reiche Bauunternehmer gezeitigt hat, wollen
wir in einen gesunden Einheitsbezug umwandeln, indem
wir mit Vorbedacht gute Wohnungen schaffen und die
große Einsparung für gemeinnützige Zwecke, für billige
Wohnungen, verwenden. Trotz aller Einzelneuerungen
sind wir hier aber immer noch beim alten Verfahren; Ge
heimer Baurat Professor Goecke, Berlin, sagt diesbezüglich
in seinem Vortrag, den er am 31. Januar 1914 in Köln in
der Zentralversammlung des rheinischen Vereins für Klein
wohnungswesen über das Thema „Der Kleinwohnungsbau
die Grundlage des Städtebaues“ gehalten hat: „Trotz un
zähliger Erfindungen auf dem Gebiete des Bauwesens stehen
wir hinsichtlich des Kleinhausbaues aber erst in den An
fängen. Fast zu jedem Bau sind immer wieder neue
Zeichnungen nötig. Die zum Aufbau des Hauses erforder
lichen Maurer-, Zimmer-, Dachdecker- und Flaschner
arbeiten sind noch arg zersplittert. Wir haben zwar
Normalproüle für eiserne Träger und Handelsmaße für den
Querschnitt der Bauhölzer, doch müssen, solange die
Weiten der mit Trägern zu überdeckenden Öffnungen
wechseln, immer aufs neue statische Berechnungen auf
gestellt, sofern die Längen der Bauhölzer keine fest
stehenden sind, immer wieder Holzlisten angefertigt werden;
abgesehen davon, daß in der sogenannten Massenberechnung
eine ungeheuere Arbeitsverschwendung liegt, müssen Träger
und Bauhölzer immer erst nach Längen besonders bestellt
werden, während es einfacher und billiger wäre, umgekehrt
den Bau nach fertig vorhandenen Längen einzurichten,“
Danach erblickt auch Goecke die Hauptverbilligung
in der Vereinheitlichung. Erst wenn man sich auf Typen
geeinigt hat, die dem Wohnbedürfnisse der Minder- und
Mindestbemittelten unter Berücksichtigung der landschaft
lichen Eigenart entsprechen, läßt sich die Vervollkommnung
und damit die Haupteinsparung im Bau des Kleinhauses
erhoffen.
Zu diesen Haustypen gelangen wir aber auf dem bisher
betretenen Wege nie. Was nützt alle Mühe und alles
Können der Privatarchitektenschaft wie der Bauämter,
wenn deren Erzeugnisse sich gegenseitig befehden oder
wenigstens als Einzelprodukte vereinzelt stehen bleiben!
Hier müßte eine straffe Hand disponierend und ordnend
und sichtend eingrelfen und schließlich das Beste vom
Besten als allgemein brauchbares und allgemein zu ge
brauchendes Ergebnis zur „Kenntnisnahme und Danacb-
achtung“ hervorholen, im Bedarfsfälle sogar selbst zum
Zeichenstifte greifen. Meine Wohnungsinspektionsgänge
haben in mir die Erkenntnis wachgerufen, daß die Zentrali
sierung des Wohnungswesens im Staatsministerium des
Innern bei allen wohlgemeinten und treffenden Verfügungen
vielfach eine Danaidenarbeit leistet, solange nicht die Her
stellung der Wohnungen (Kleinwohnungen) als das Primäre
am selben Sitz zentralisiert und hierdurch die Ausführung
so schlechter und mangelhafter Grundrisse sowie die un
verantwortliche Verschwendung, wie sie nicht wenige
Baugenossenschaften leider betätigt haben, von oben herab
von berufenster Seite verhindert wird.
ln der zentralisierten Behandlung der Kleinhausfrage
ist deren beste und zugleich sparsamste Lösung zu suchen.
Wenn wir dabei auch nicht gerade an eine Organisation
denken, wie sie in Berlin als „Ausschuß zur Förderung
des Krlegersiedelungswesens durch sparsame Bauweise*
durch führende Persönlichkeiten des Bauwesens, der
Industrie, der Handelswissenschaft, der Boden- und
Wohnungspolitik, der Volkswirtschaft, der Verwaltung,
des Ernährungswesens, des Realkredits und der Kriegs
beschädigtenfürsorge unter dem Vorsitz des Geheimen
Regierungsrates Professor Dr. Seesselberg ins Leben ge
rufen wurde zu dem Zweck, fortgesetzt anregend auf die
Erfindung und Anwendung aller Arten von Verbilligungs
mitteln in haltbaren Baustoffen und Konstruktionen hinzu
wirken, so ist es doch an der Zeit, daß sich die berufenen
Vertreter der Wohnungsfürsorge zu einer Arbeitsgemein
schaft zusammentun, die neben der Erörterung der „Vor
arbeiten zu umfassender gemeinnütziger Bautätigkeit nach
dem Kriege“ (Dr. Busching), und neben der Behandlung von
Übergangswirtschaft und Kleinwohnungsbau“' (Dr. Löhner)
in erster Linie auch mit der Lösung des Kleinhaustyps
sich befaßt; denn mit der verlangten Bedarfsaufstellung
von 'Bauarbeitern und Baustoffen seitens der Bauämter ist
der Sparsamkeit des Bauens der Hauptdienst noch nicht
geleistet.