DER STÄDTEBAU
8. Oktober 1917 das Recht verliehen wurde, für die Vergröße
rung ihrer für Heereslieferungen tätigen Fabrikgrundstücke
in der Gemeinde Croßauheim, Regierungsbezirk Kassel, mit
einer dauernden Beschränkung zu belasten, dürfen wir diese
Enteignungsart sicher auch für den gemeinnützigen Klein
wohnungsbau in Erwägung ziehen. Das Wohl der All
gemeinheit geht eben vor dem Eigentumsrecht des einzelnen,
und wenn sich der Staat durch Gesetz dazu entschließt,
dieses Eigentumsrecht tatsächlich zugunsten der Allgemein
heit aufzuheben, so ist nur mehr ein kleiner Schritt von
der Enteignung gegen bar zur dauernden Beschränkung,
d. h. zur Enteignung gegen Verzinsung oder Teilzahlung
oder irgend einer sonstigen langfristigen Schuldbegleichung.
Aufschließung.
Für die zweckmäßige und sparsame Aufschließung von
Gelände für Kleinhaussiedelung ist in erster Linie von Wich
tigkeit die Auswahl des Baulandes hinsichtlich der Verkehrs
lage und der Aufteilungsmöglichkelt. Denn billige Auf
schließung ist sicher nicht da durchzuführen, wo sämtliche
Straßen, namentlich die Hauptzufahrtsstraße, auf Kilometer
strecken erst neu geplant, vermessen und ausgebaut werden
müssen; auch nicht da, wo der Anschlußweg der Kanal
entwässerung in Form des begehbaren Eiprofilsammel-
kanals sich nach Kilometern bemißt; auch nicht da, wo
der letzte verlegte Gas- und Wasserleitungsstrang aus
gerechnet die weiteste Entfernung von der Neusiedelung
aufweist; und schließlich auch nicht da, wo für absehbare
Zeit keinerlei anderweitige private oder öffentliche Bautätig
keit zu erwarten steht. Gerade die Anlehnung an wirt
schaftlich stärkere Gebilde ist hier sehr inbetracht zu ziehen
und deshalb inbezug auf die Aufteilungsmöglichkeit besonderes
Gewicht darauf zu legen, daß Kleinwohnungs-Stockwerks-
häuser von etwa 2 bis 2*/ 2 Geschossen das wirtschaftliche
Rückgrat der im Blockinnern eingebetteten Kleinhaussiede
lung bilden. Wir müssen wohl auseinanderhalten etwa die
Kleinh aussiedelung Werderau der Maschinenfabrik Augsburg-
Nürnberg in Nürnberg als für sich abgeschlossene reine
Arbeiterwohnungssiedelung, deren Bodenkaufsumme sich
aus den Gewinnen der Fabrikbetriebe ohne Schwierigkeit
begleichen läßt, und die Kleinhaussiedelung der regelrechten
Stadterweiterung, um die es sich in unserem Falle unter dem
Gesichtspunkt der allgemeinen Wohnungsfürsorge handelt.
Erstere hat ihr wirtschaftliches Rückgrat im Fabrikbetrieb,
letztere in ihrem aus Miets- und Eigenbaus gemischten
Aufbau.
Da wir nicht bloß Kleinwohnungen für Industriearbeiter,
sondern auch — und das gerade in der Zeit nach dem Kriege
in besonderem Maße — Kleinwohnungen für die Mittelstands
bevölkerung bauen müssen, da wir ferner nicht bloß Ein-
familien-Kleinhäuser mit Gartennutzung und Kleintierhaltung
für Daueransiedler und kinderreiche Familien, sondern auch.
Mietswohnungen von bescheidenen Abir^issungen brauchen
für kleine Familien, insbesondere für kinderlose Ehepaare,
für ältere und schwächliche Einzelmieter, für alleinlebende
Witwen, für Hagestolze beiderlei Geschlechts, also bei der
Siedelungsgründung auch an die Leute denken müssen, die
entweder des Gartenbaues unkundig und unlustig sind oder
für körperliche Anstrengung nicht in Frage kommen, so ist
neben der Kleinhaus- und Mietshausbauweise mit Gartenland
auch die entsprechende Zahl von Mietshäusern ohne Garten
nutzung vorzusehen, wobei in besonderen Bedarfsfällen
immer noch mit Schrebergärten nachgeholfen werden kann.
Durch eine auf diesen Grundlagen aufgebaute Misch-
siedelung, wie sie der Bebauungsplan der Gartenstadt Hof-
Otterberg vorsieht, wird der Vorteil erzielt, daß die kost
spieligere Aufschließung der weiträumigen Kleinhaussiedelung
von der wirtschaftlich stärker ausgenützten Aufschließung
des Mietshausgeländes ins Schlepptau genommen wird.
Auch sind hier in Hof die beiden Hauptstraßenzüge, die von
den Mietshausgruppen eingefaßt sind, schon ausgebaut vor
handen, so daß die Herstellung der wenigen kurzen und
schmalen Wohngassen das Kleihhausgelände nicht sehr ver
teuert. Die Gesamtanlage wird durch wichtige öffentliche
Gebäude an markanten Straßenpunkteu beherrscht, wodurch
die Gewähr einer kräftigen privaten Nachsiedelung in der
näheren Umgebung geschaffen, die Lebensfähigkeit der Klein
haussiedelung gesichert, und der Wertzuwachs mit Bestimmt
heit zu erwarten ist. Letzteres um so eher, je rascher und
vollkommener seitens der Baugemeinschaft für die nötigen
Verkehrsmittel (Straßenbahn oder Personenauto) Sorge
getragen wird. Eine Verbilligung s der Aufschließung des
Kleinhausgeländes kann hierbei dadurch mit erreicht werden,
daß außer den Anlagekosten für die Kanal-, Wasser- und
Gasleitung auch die Verkehrsanlagekosten kapitalisiert und
auf den Boden der Stockwerkshäuser entsprechend deren
verstärkten wirtschaftlichen Bodennutzung umgeschlagen
werden. Dieses Verfahren hätte gegenüber dem aus dem Preis
ausschreiben des „Schutzverbandes für Deutschen Grund
besitz“ hervorgegangenen Vorschlag: die kapitalisierten
Anlage- und Betriebskosten der Verkehrsmittel in der
Hauptsache den Besitzern größerer Grundstücksflächen im
Verhältnis ihres Mehrbesitzes aufzubürden, den Vorteil der
inneren Berechtigung und des durchschlagenden äußeren
Erfolges.
Neben diesen allgemeinen Gesichtspunkten für die Ver
billigung der Laudaufschließung haben wir insbesondere
auf weitestgehende Sparsamkeit in der Bemessung des
Straßenlandes Bedacht zu nehmen. In Jenen Fällen, wo die
Siedelung abseits des Durchgangsverkehrs angelegt wird,
genügt selbst für die Hauptstraße eine Fahrdammbreite von
etwa 8 m, das ist unsere übliche Landstraßenbreite; ob der
Gehsteig von 2—3 m Breite in einseitiger Anordnung aus
reicht, oder ob beiderseitige Fußwege mit Baumbeschattung
notwendig sind, hat das jeweils zu errechnende Verkehrs
bedürfnis zu entscheiden. Auch für Siedelungen mit Durch
gangsverkehr — die Gartenstadt Hof-Otterberg ist eine
solche — dürften vorerst diese Abmessungen ausreichen;
nur ist hier für leicht ‘durchzuführende und wenig kost
spielige Verbreiterung sowohl des FaMrdammes wie der
Gehsteige Im voraus zu sorgen. Dies geschieht am zweck
mäßigsten bei Ostwest-Straßenrichtung durch Heransetzen
der Häuser an die Straßensüdseite hart auf das Maß des
später notwendigen Gehsteiges und <Äbrücken der Häuser
reihen der Straßennordseite bis fast zur rückwärtigen Grund-
stücksgrenze, wobei der nördliche Gehsteig später zum
Fahrdamm gezogen, der neue Gehsteig aber unter den Obst
bäumen des an die Straße stoßenden Hauptgartens geführt
wird. Im Gegensatz zu unserer üblichen städtischen Bau
weise erscheint also die Straße einseitig bebaut, weil die
Gärten beider Straßenseiten Süd- d. h. Sonnenlage haben.
Bei Südostrichtung der Hauptstraße werden zweckmäßig
die Häuserreihen ebenfalls mit Rücksicht auf die Sonnen-
31 .
*