DER STÄDTEBAU
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Treppen — von einer Breite zwischen 0,70 und 1,20 m ■—
ohne Geländer. Ein einfacher Strick diente als Holben.
Außer der Umfassungsmauer, den Küchenwänden und Ge
wölben war alles aus Holz gebaut.
Früher wurde das „Badstübel“ als Waschküche ge
braucht. Unter diesem Bad ist lediglich eine Ecke in der
Küche oder im Wohnzimmer zu verstehen, in welcher die
Holzwanne ihren Platz hatte. Das „Badstübel“ fehlte in
keinem Haus, ein Beweis, daß man früher mehr Wert darauf
legte, als es in den letzten Jahrzehnten bei uns der Fall war.
Später wurden die Waschküchen und damit die Bäder und
kupfernen Kessel zum Wassersieden aus den Fuggereiwoh
nungen entfernt, da durch den Dampf die unverputzten
Holzwände völlig durchfeuchtet wurden. Dafür baute man
drei allgemeine Waschküchen mit „drei abgeteilten Ge
wölben“ mit je einem eigenen Eingang, Rauchfang und
„kupfernen Wasch- oder Laugkheßel“. Mit dieser Sammel
waschküche, welche gegenwärtig nicht mehr steht, hat der
Fuggereiverwalter wieder etwas ganz Vorbildliches ge
schaffen.
Unter den 105 Wohnungen der Fuggerei befinden sich
8 mit 2 Zimmern und Küche, die übrigen mit 3 Zimmern,
und zwar treffen auf Typ 1 a 2 ) 4 Wohnungen, auf Typ 1 b
4, auf Typ 2 a 85, auf Typ 2 b 2, auf Typ 2 c 1, auf Typ 2 d
und e 2 und auf Typ 3 1 Wohnung. Bei Vergebung einer
freien Wohnung, worin die Häupter der Fuggerlinien ab
wechselten, wurde so verfahren, daß bessere Wohnungen
nie an einen Neuaufgenommenen verliehen wurden. Sie
sollte vielmehr von einem Fuggereiinsassen, der bisher eine
schlechtere inne hatte, besetzt und dem Neuankömmling die
weniger gute überlassen werden. Ferner mußten sich immer
zwei Witwen mit einer Wohnung begnügen.
Die Fuggerei ist gerade für unsere gegenwärtige Zeit
ein Muster für sparsame Kleinhausbauweise. Vor allem
drückt sich das in den Grundrissen aus, in den Abmessungen
der Räume, Anlage der Treppen, des kleinen Kellers, Gleich
artigkeit der Fenster und Türen, gemauerten Tür- und
Fensterstürze — gegenüber den heutigen Holz-, Beton- oder
Eisenbetonstürzen.
Die Baustoffpreise um 1574 waren gegen 1916 nur ein
Zehntel bis ein Zwanzigstel, die Arbeitslöhne ein Vierzigstel
bis ein Fünfzigstel so hoch. Über den Neubau der Woh
nungen sind keine Rechnungen vorhanden, doch wird man
die Kosten mit 4500 bis 5000 fl. annehmen dürfen. Für eine
5000
Wohnung errechnen sich somit -^,.- — 47 fl.
Die Fuggerei darf wohl in erster Linie ihrer sorgfältigen
Unterhaltung das nun 400jährige Bestehen zuschreiben.
Außer den jährlichen Besserungen kann man fast alle
50 Jahre besonder^ durchgreifende Instandsetzungen nach-
weisen. Sehr wünschenswert wäre es, wenn dabei vom
Standpunkt der Denkmalspflege ausgegangen und der male
rische Reiz und die Patina des Alters nicht von unpassenden,
modernen Zutaten zerstört würde, was ja glücklicherweise
bisher zum großen Teil vermieden wurde. Es ist aber immer
hin schade, daß die beiden Sonnenuhren am Giebel der
Markuskirche und am Haus Nr. 40 (welche urkundlich
nachweisbar sind) sowie das alte Katzenkopfpflaster ver
schwanden.
Eine irrtümliche, ziemlich weit verbreitete Anschauung
*) Vgl. Tafel a, Abb. d und e, f und g, h und i, Sowie Tafel 3,
Abb. fc, 1, m und'n.
ist die, daß Jakob Fugger seine „Arme-Leuth-Wohnungen“
für die bei ihm beschäftigten Weber gebaut hätte. In den
alten Aufzeichnungen liest man, daß „Zimmerleute, Holz
messer, Tagwerker, Briefträger, Hukher, Sackhtrager,
Carrenzieher, Gipsgreßer, Schuster, Vogelhäuslmacher, Tor
warte“ und nicht allzu häufig „Weber“ darin wohnten.
Eine ausgesprochene Arbeitersiedelung war es also auf
keinen Fall.
Die Ftjg^prei umfaßt, bzw. umfaßte, außer der „Armen-
Leut-Wohrtüngen“ (wie im Stiftsbrief die Fuggerei heißt)
noch eine Kirche (St. Marcus) mit Sakristei, ein Verwalter
wohnhaus, das im Laufe der Zeit stark verändert wurde,
eine Schule, zwei Krankenhäuser für fuggerische Diener
(Haus Nr. 1 und 52), Stallung mit Bauernstube, Korn
messerwohnung und Kornboden, Kaplanwohnung und das
„Holzhaus“.
Das „Holzhaus“ (oft auch Platter-, d. i. Blatterhaus ge
nannt, nicht zu verwechseln mit dem Blatterhaus am Gäns-
bühl), ist wohl der merkwürdigste Teil der Fuggerei. Dar
über ist ja schon manches bekannt, doch war nie gesagt, wo
es sich befand. Nach Ausweis der Augsburger Steuerbücher
waren die Häuser Nr. 40, 41 und 42 als „Holzhaus“ einge
richtet. Schon vom Jahre 1523 an sehen wir sie als „Plater-
haus“ bezeichnet. Der Name „Holzhaus“ — das Kranken
haus für Ansteckende — leitet sich von dem Hauptheil
mittel, von dem „Quajatzischen Holz" (Guayakholz, das
beliebteste Heilmittel des Mittelalters gegen die Lustseuche
und ähnliche Leiden) ab, Dieses Holz wurde, nach den Stif
tungsrechnungsbüchern zu schließen, „getreet“, d. i. gedreht
und zerkleinert, und der Absud als Tee an die „Plater-
kranken“, welche sich im Holz- oder Platerhaus aufhielten,
verabreicht. Manchmal wurde das Holz auch in Wein ab
gekocht, was wohl angenehmer zu trinken war. Außerdem
bekamen die Kranken noch „Pilulen, Saft, Latwergen,
Kräuter, Pflaster, Salben, Pulver, Schrepfköpfe und Purgier
mittel“, um die „böse Krankheit der Franzosen“, wie die
Blattern (auch die Lustseuche) noch genannt wurden, zu
heilen. Man glaubte, daß die Blattern ein Geschenk der
Ausländer, vor allem der Franzosen, seien und hieß die
Krankheit deshalb kurzweg die „Franzosen“ und das
Quayatzholz „Franzosenholz“. Wo der Holzabsud, das
„Holzwasser“, nicht wirkte, wurden „Dämpfe, Leim- oder
Lehmwasser und Rauch“ probiert. Auch von einem
„Pfefferbad“ scheint Anwendung gemacht worden zu sein.
Den Kranken wurde nach dem Aderlässen oder Purgieren
Wein mit Met, oft auch mit Essig gemischt, zur Stärkung
gereicht.
Die Kranken hatten auch eine strenge Krankenhaus-
ordnung zu beobachten, „Wenn das Wetter darnach ist,“
sollten „die Fenster etliche Stunden am Tag geöffnet
werden,“ nachdem die Kranken die ganze Kur nicht ohne
„merklichen Schaden in der eingesperrten übelschmeckendcn
Luft“ sitzen können. Es kam auch oft vor, daß viele Kranke
nach der Untersuchung, „gschau“, nicht als tauglich für die
Holzkur befunden wurden. Manche wurden viele Wochen
vergebens behandelt und mußten wieder ungeheilt entlassen
werden.
Die häufigen Ausgaben für das Versehen der Kranken
mit Sterbesakramenten (vgl. Stiftungsrechnungsbücher)
und das Begraben von Gestorbenen läßt auf die „Wirkung“
der Holzkur schließen. Im Jahre 1629 starben 6 von
25 Kranken. Im gleichen Jahr ist das Holzhaus „ganz aus-