DER STÄDTEBAU
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die Bauordnung so viel Stockwerke zuläßt, wie aus wirtr
schaftlichen Gründen notwendig sind und wie im Rahmen
der Gebäudehöhe untergebracht werden können. Daß trotz
dem ein Eigenbrötler nun unter der zugelassenen und er
wünschten Gebäudehöhe zurückbleibt und die erlaubte
Breite mit seinem Bau nicht ausfüllt, ist leider auf Grund
der heutigen Gesetzgebung nicht zu verhindern. Derartige
Fälle dürften jedoch dann sehr wenig zahlreich sein, wenn
eine strenge Aufteilung des städtischen Geländes im Zweck
gebiete erfolgt ist, so daß die Bedürfnisse und Wünsche der
Anbauer im allgemeinen miteinander übereinstimmen.
Hieran schließt sich die Sorge für die Einheitlichkeit
der Dachformen. Diese kann unter der Voraussetzung der
Sonderbauordnung leicht erzwungen werden, wenn sie für
das Siedelungsgebiet nur die den künstlerischen Anforde
rungen des Bebauungsplanes entsprechenden Dachformen
zuläßt.
Unter diesem Gesichtspunkt erledigt sich auch die Frage
hinsichtlich der Form der „besonderen Ausbildungen“ ohne
weiteres. Die Risalite und Vorbauten finden ihre Stütze in
den Baufluchtlinien, die Erker und Baikone sowie die Haus-
türausbüdungen ihre Berücksichtigung in der Sonderbau
ordnung. Das gleiche gilt für die Größe der Bauwiche,
sowie für die Zwischengebäude im Bauwich und die Garten
häuser, hinsichtlich ihrer Breite, Höhe' und Dachform. Auch
die Vorgartengestaltung wird, soweit Form und Baustoff
der Einfriedigung in Frage stehen, durch die Bauordnung
leicht in bestimmter Weise geregelt werden können.
Nicht so einfach erscheint es dagegen, den künstlerischen
Bebauungsplan davor zu schützen, daß im Aufbau nicht
durch die Farbe der Gebäude und Vorgarteneinfriedigungen
sowie durch eigenwillige Fassadenausbildungen, Dach
deckungen und Vorgartenanlagen Störungen der schönheit-
lieben Wirkung des §traßenbildes erfolgen.
Gemäß dem bereits" erwähnten § 1 Artikel 4 des Woh
nungsgesetzes kann der Anstrich der Wohngebäude zwar
vorgeschrieben werden. Wie ist es aber, wenn etwa bei
halbländlichen Siedelungen von der Straße aus sichtbare
Ställe hinter den Wohngebäuden liegen? Kann hier Verputz
in einer bestimmten Farbe verlangt werden? Kann der ein
heitliche Anstrich der Vorgarteneinfriedigungen durchgesetzt
werden? Diese Fragen sind, wenn sie auf Grund der An
strich- und Ausfugungsbestimmung entschieden werden, für
die Stallgebäude jedenfalls zu verneinen. Für die Vorgarten
einfriedigungen mag die Beantwortung zweifelhaft sein.
Jedenfalls kann aber die Bepflanzung der Vorgärten, die für
die künstlerische Wirkung der Straße von erheblicher Be
deutung ist, auf Grund der bezeichneten Bestimmung ein
heitlich nicht geleitet werden. Hier muß sich der Städte
baukünstler dadurch helfen, daß er die Vorgartenstreifen
zur Straße zieht, so daß ihre Bepflanzung durch den Kom
munalverband erfolgt. Die entstehenden Kosten sind dann
ortsgesetzlich den Anwohnern aufzuerlegen. Da die Sonder
bauordnung die Dachdeckung auch wegen der zu ver
wendenden Stoffe regelt, ist es möglich, hier hinsichtlich
der Farben Einheitlichkeit zu erreichen.
Es ergibt sich somit schließlich zunächst, daß es im
Rahmen des geltenden Rechts in Preußen möglich ist, Ein
heitlichkeit in die Straßenbilder zu bringen, soweit die Form
und Höhe nnd das farbige Äußere der Häuser, ihre Dachform
und Dachdeckung und die Vorgarteneinrichtung in Frage
stehen. Es kann dagegen die künstlerische Gestaltung der
Außenflächen der Häuser einer Straße nach einem einheit
lichen Plan, wie ihn Artikel 4 § .1 Ziffer 4 des Wohnungs
gesetzes anscheinend im Auge hat, nur dann erfolgen, wenn
für die Hausfassadeu strenge Regeln gegeben werden, etwa
durch General- oder Modellfassaden, wie dies ortsgesetz
lich gemäß § 4 des Verunstaltungsgesetzes auch bisher ,
schon geschehen konnte, und nun polizeilich möglich ist,
da die Bauordnung „die einheitliche Gestaltung des Straßen
bildes“ regeln darf. Manche Polizeibehörden werden jedoch
schwer überwindliche Bedenken {tragen, derartig „strenge
Regeln“ zu erlassen, so daß die Frage aufzuwerfen Ist, ob
das Fehlen solcher „strengen Regeln“ als ein empfindlicher
Mangel zu betrachten ist.
Schon eingangs wurde darauf hingewiesen, daß polizei
liche Vorschriften auf dem Gebiet, auf dem die Individualität
der Schaffenden sich tunlichst frei entfalten soll, leicht zu
einer Unterbindung künstlerischer Entwicklung und zu einer
Verknöcherung und Erstarrung, ja zu einer Ertötung des
Lebendigen führt. Diese Gefahr bergen die Musterfassaden
ohne Zweifel in erheblichem Maße in sich. Wenn es Mittel
gäbe, das mit ihnen erstrebte Ziel annähernd mit weniger
strengen Vorschriften zu erreichen, so müßten diese auf das
freudigste begrüßt werden. Erwägt man nun, inwieweit
dem Architekten überhaupt Freiheit unter Berücksichtigung
der für das Gebäude erzwungenen Einfügung in den beab
sichtigten künstlerischen Eindruck der Straße gelassen ist,
dann dürfte sich ergeben, daß zu einer das Gesamtbild
störenden Betonung seiner Individualität nur mehr wenig
Platz ist.
Der Zweck, den der Anbauer mit dem Hausbau ver
folgt, deckt sich im allgemeinen mit dem der Nachbarn.
Der Baufluchtlinienplan bestimmt die 'Lage von Risaliten
und Vorbauten, vielleicht auch die der Haustüren und bei
der offenen Bauweise die der Zwischengebäude und Garten
häuser. Da im Regelfall auch die Stockwerkzahl die dem
Bebauungsplan entsprechende ist, werden die Fenstersimse
auf gleicher Höhe liegen, so wie der gemeinsame Zweck
der Häuser eine gleichmäßige achsiale Verteilung der Fenster
über die Außenseite mit sich bringt. Hiermit ist das Gerüst
der Hausfassade gegeben. Dazu tritt nun ein Moment von
äußerster Bedeutung: die „städtebildende“ Dachfrage ist
nach Form und Farbe polizeilich gelöst. Mag die künst
lerische Gestaltung des Außengerüstes .des Hauses auch auf
mannigfache Weise möglich sein: unter einem einheitlichen
Dach können nur Fassaden gedacht werden, die auch einen
bestimmten einheitlichen Typus tragen. Gewiß, die unter
ein Giebeldach sich fügenden Häuser haben oft wenig
Gemeinsames miteinander und dünken uns Kinder ver
schiedener Eltern; wenn wir sie aber neben den Fassaden
sehen, die unter flachen oder Mansarddächern stehen, dann
springt uns das die Giebelfassaden Verbindende sogleich
ln die Augen, wie wir gegebenenfalls auch das Gemeinsame
der Häuser mit Mansarddächern leicht erkennen bei ihrqm
Vergleich mit den Fassaden, die zu anderen Dachformen
gehören. Vermählt sich nun dieser Zwang zu bestimmter
künstlerischer Gestaltung mit dem Fassadengerüst, dann
ergibt sich, daß die Aufbauenden zu Fassadenformen ge
führt werden, die den Ideen des Bebauungsplanes nicht
gar zu sehr entgegen sind. Und man darf schließen, daß
sie sich ihnen im allgemeinen anschließen werden, wenn
man ein wenig Optimismus walten läßt, ohne den man
auch hier nicht auskommt, selbst wenn weitgehende polizei-