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DfcR STÄDTEBAU
all der Unterschiedlichkeit: auf sie alle findet die gleiche
Bauordnung Anwendung. Gewiß, diese Bauordnung trifft
außer allgemeinen Bestimmungen auch Sondervorschriften
für jede einzelne Bebauungsart (Bauklasse). l ) Aber auch diese
Sonderregeln können doch nur einen weiten Rahmen dar
stellen, der einzig die allgemeinsten Erfordernisse trifft und
gerade die für die künstlerische Gestaltung notwendigsten
schon um deswillen nicht in sich schließt, weil sie stets
andere sind, die sich zudem ihrer Art nach nicht in ein all
gemein gültiges System pressen lassen wie etwa die For
derungen für die Standfestigkeit und Feuersicherheit. Es
ist daher erforderlich, daß die Bauordnung des Kommunal
verbandes nur allgemeine Bestimmungen enthält und im
übrigen Sonderbauordnungen für die einzelnen Baubezirke
erlassen werden; nicht für einzelne Bauklassen, denn die
künstlerischen Aufbaubedingungen für die derselben Bau
klasse zugeteilten einzelnen Bezirke sind stets verschieden.
Dem Bebauungsplan eines bestimmten Geländes entsprechen
ganz bestimmte Anforderungen an die Gebäude, wenn der
Aufbau im Sinne des Bebauungsplanes erfolgen soll.
Diese Anforderungen gilt es in ein System zu bringen,
das eine Ergänzung (Sonderbauordnung) der allgemeinen
(Haupt-)Bauordnung für den Teil des Siedelungsgebietes dar-
stellt, für das der besondere Bebauungsplan aufgestellt ist.
Dieser Gedanke ist durchaus nicht neu. Wenn man
davon absieht, daß hier eine polizeiliche Maßnahme ver
langt wird, so unterstellt die treffliche allgemeine Bauord
nung für Hessen vom 30. April 1881, die Ortsbaupläne für
Ortsteile vorsieht (Artikel 4), daß zu jedem Ortsbauplan ein
besonderes Ortsstatut gehört (Artikel 29). Auch das allge
meine Baugesetz für Sachsen vom 1. Juli 1900 bestimmt,
daß derartige Ortsgesetze für Teile des Gemeindebezirks
erlassen werden können (§ 9). Und endlich bewegt sich
der obengenannte § 4 des preußischen Verunstaltungsge
setzes im gleichen Rahmen.
Wenn man nun aber glauben würde, mit Rücksicht auf
diese ortsgesetzlichen Möglichkeiten bestünde kein Bedürfnis
nach polizeilicher Regelung, so verkennt man zwei Schwierig
keiten. Die eine liegt in der Gesetzgebungsart und die
zweite in der Anwendung des Gesetzes. Die Schaffung einer
derartigen Ortssatzung ist fast unmöglich, da die Anlieger
von ihm (ohne jede Veranlassung) eine starke Belastung des
Grundeigens und eine Erschwerung des Bauens erwarten,
so daß sie meist mit Erfolg in den Gemeindevertretungen
das Zustandekommen des Statuts verhindern. Soweit sie
von dem Gesetz eine Beeinträchtigung ihrer Baulaunen er
warten, ist ihre Sorge allerdings begründet. Aber es handelt
sich ja gerade darum, die Belange der Allgemeinheit in
durchaus berechtigter und wirtschaftlich unbedenklicher
Weise gegenüber den persönlichen Schrullen einzelner durch
zusetzen. Wenn aber ein derartiges Ortsgesetz selbst be
steht, wird seine Durchführung nicht so erfolgreich sein
können, wie die Erzwingung polizeilicher Vorschriften.
Wenn das Ortsgesetz beispielsweise ebenso wie eine Polizei
verordnung Bedenken trägt, zu bestimmen, daß die Grund
stücke an einer bestimmten Straße alle bis zu einer bestimmten
Höhe zu bebauen sind, so wird dies Ziel zwar durch Ver
handlungen auf Grund eines Ortsgesetzes sich in vielen
Fällen erreichen lassen; dies wird aber in viel leichterer und
J ) Besser Zweckbaugebiete. D. S.
nachdrücklicherer Weise bei dem Vorhandensein bestimmter
polizeilicher Aufbaubestimmungen durchzusetzen sein.
Welche Gegenstände sind nun dieser Sonderbauordnung
vorzubehalten? Es kann in keine Erörterung dieser ganzen
Frage eingetreten werden, da es sich hier nur um eine
Stellungnahme zu diesem Vorschlag handelt, soweit künst
lerische Gesichtspunkte inbetracht kommen. In dieser
Hinsicht muß zunächst Einigkeit darüber herrschen, inwie
weit der Aufbau den künstlerischen Gedanken des Bebauungs
planes zu fördern und zu beeinträchtigen imstande ist.
Demnach müssen sich die Gebäude vor allem ln folgenden
Richtungen dem Bebauungsplan anpassen:
I. Beim Reihenbau hinsichtlich
1. der Frontlänge der Häuser,
2. ihrer Höhe und
3. ihrer Farbe,
4. der Dachformen und Deckungen,
5. besonderer Ausbildungen, wie der
a) Risalite,
b) Vorbauten sowie Baikone und Erker,
c) Haustüren;
6. endlich müssen die Vorgärten, ihre Einfriedigungen
und Bepflanzungen beachtet werden.
II. Bei der offenen Bauweise kommen noch folgende
Gesichtspunkte hinzu:
7. die Gebäudegröße nach der Tiefe hin,
8. die Größe des Bauwichs,
9. die Zwischengebäude im Bauwich, wie Küchen
flügel und Waschhäuser, und zwar in der gleichen
Hinsicht wie die Hauptgebäude,
10. die Gartenhäuser, in der gleichen Weise wie die
Hauptgebäude.
Es erübrigt sich, zur Begründung ^dieser Forderungen
ein Wort zu sagen. Zu ihrer Erfüllung dient zunächst das
Umlegungsverfahren, das günstig zugeschnittene Grundstücke
schafft, die so. an den Straßen liegen, daß eine künstlerische
Wirkung der Aufbauten überhaupt möglich ist. Dies setzt
zunächst nicht voraus, daß die Grundstücke mit möglichst
gleichen Fronten an die Straße grenzen, sondern nur daß
die Grundstücksbreiten in gewissen Beziehungen zueinander
stehen, sei es, daß die Parzellenbreiten einer Blockseite sich
symmetrisch um einen ideellen Mittelpunkt gruppieren, sei
es, daß sie auf beiden Straßenseiten im gleichen Rhythmus
ablaufen. Eine derartige Ordnung ist bei der offenen Bau
weise notwendiger als beim Reihenbau, da hier die Störung
durch ein unverhältnismäßig schmales oder breites Haus
leicht durch die Gestaltung seiner Außenfläche aufgehoben
werden kann. Bei der offenen Bauweise wirkt eine solch
unharmonische Bildung meist viel unangenehmer, trotzdem
es auch hier vor allem durch Anordnungen im Vorgarten
möglich ist, den Schönheitsfehler zu verdecken.
Das zweite Erfordernis ist, die Bebauung der Grund
stücke (ob sie nun restlos künstlerisch miteinander ver
bunden sind oder nicht) tunlichst im Sinne des Bebauungs
planes herbeizuführen. Zu diesem Ziele müssen zunächst
die Hausformen in ein enges Netz gepreßt werden, das nicht
nur ein Bauen in den Straßenraum hinein verbietet, sondern
auch die Füllung seiner Maschen erzwingt. Es muß also
zunächst für die Gebäudehöhen eine Grenze gezogen werden,
die nicht überbaut werden darf, die aber auch erreicht
werden muß. Dies wird regelmäßig dann geschehen, wenn