DER STÄDTEBAU
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Teichen hindurch auf die Buchhorst gerichtete Axe, in der
der Wald einen würdigen Hintergrund für eine größere
Bauanlage oder eine Gedächtnlsstätte zu Ehren gefallener
Krieger bietet; diese würde, da hoch gelegen, weithin von
den im Bogen des Wabetal und die Teiche umgebenden
Höhenrändern aus sichtbar sein.
IV. Baugebiete.
Zu Punkt 3 des Programms. Das Stadtgebiet im Ringe
der Eisenbahnen (Landesbahn, Geller Bahn und Hauptbahn)
bzw. im Osten cinspringend bis zur Westgrenze des Prinz-
Albrecht-Parkes und des Hauptfriedhofes, im Norden und
Westen aber auch an einigen Stellen überspringend, ist als
ein einheitliches Baugebiet anzusehen, und zwar als Folge
der bisherigen Entwicklung, die keine Unterschiede in der
Bauweise sowohl als auch in der Höhe der Bebauung und
zulässigen Ausnutzung des Baugrundstückes, sowie in dem
Bauzwecke kannte. Für dieses Baugebiet sind insoweit
abstufende Vorschriften erwünscht, als zum Schutze, wie
schon bemerkt, in erster Linie der Landhausbebauung am
Wall, dann der offenen Bauweise östlich des Walles in
der Umgebung der Kalser-Wilhelm-Straße überhaupt und
der'Reihenhausbebauung (mit Einfamilienhäusern) an der
Technischen Hochschule und an der Salzdahlumer Straße usw.
notwendig erscheinen nach besonderem Staffelungsplane
durch Bausatzungen.
Außer den vorgeschlagenen Straßendurchbrüchen zur
Verbesserung des Verkehrs werden mit der Zeit noch sorg
fältig auszusuchende Äufschließungsstraßen mitten durch
große eng verbaute Baublöcke kommen müssen, um zurück
gegangene ältere Stadtteile wirtschaftlich, wieder zu heben
und gesundheitlich zu verbessern, ohne künstlerisch wert
volle alte Straßenzüge zu zerstören. Sehr böse wirkt in
dieser Hinsicht das nachträgliche Zurückschieben der Bau
fluchten zur Verbreiterung der Straßen. Es sollte vielmehr
möglichst die gewordene Bauflucht ausdrücklich auch als
Fluchtlinie festgesetzt werden, ungeachtet aller Unregel
mäßigkeiten, wie dieses z. B. in Nürnberg geschehen ist,
um schöne Straßenbilder möglichst lange zu erhalten.
Braunschweig ist eine noch viel zu wenig geschätzte
Sehenswürdigkeit, die sorgsamer Schonung bedarf, und wenn
sie einmal einer etwas stiefmütterlichen Behandlung der
Eisenbahnpolitik entwachsen sein wird, auch auf zahlreichen
Besuch rechnen darf. Die praktischen Anforderungen der
Neuzeit werden deshalb gegen die berechtigten Wünsche
der Denkmalpflege immer wieder aufs neue abzuwägen sein.
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Die neuen Außengebiete.
(Siehe die Farbenlegende auf der Doppeltafel 43/44.)
A, Industriegebiete. Für die Großindustrie mit
beschränkter Bewohnbarkeit zur Bewachung von Fabrik
grundstücken und zur Versorgung mit Lebensmitteln usw.
Für die Kleinindustrie (Werkstätten verschiedener Art,
Fuhrhaltereien usw.) gemischt mit Wohnungen in 3—4
geschossiger Bebauung je nach den Bedürfnissen der Ört
lichkeit mit Ausschluß lästiger Betriebe anschließend an die
Großindustriegebiete.
B. Reine Wohngebiete; Für 2—3geschosaige Be
bauung (auch für Reihenhäuser mit kleinen Hausgärten)
wieder nach den Bedürfnissen der Örtlichkeit abgestuft in
geschlossener und gemischter Bauweise (an den Schatten
seiten der Weststraßen mit Bauwich) wobei südlich um die
alten Dörfer herum eine niedrigere Bebauung erwünscht ist.
Landhausgebiete in offener Bauweise einschließlich
der Gartenstadtreihenhäuser mit und ohne Vorgärten.
Kleinhaussiedelungen mit Doppel- und Reihen
häusern in halboffener und gemischter Bauweise mit großen
Gärten einschließlich Rentengütern für Kriegsbeschädigte.
Diese Kleinhaussiedelungen werden in weiträumiger
Anlage im allgemeinen keiner unterirdischen Entwässerungs
anlage bedürfen und wenn schon, so doch nur nach dem
Trennsystem.
Alle diese Baugebiete sind auf Grund von Teilbebauungs
plänen mit besonderen Bausatzungen, welche die Bauweise
festsetzen, je nach der Örtlichkeit von Fall zu Fall zu er
schließen. Dementsprechend sind auch die Straßen anzu
legen. Neben den Verkehrsstraßen insbesondere auch Wohn
straßen und Wohnhöfe. Die Hauptsache ist, daß die Bau
gebiete und auch Freigebiete geschlossene Gruppen bilden
unter rechtzeitiger Vermehrung der Verkehrsmittel. Ein
Mangel daran treibt die Bebauung in die Höhe.
Die ringförmige Stadterweiterung bildet eine der stärksten
Ursachen für die Zerstörung der Altstadt, da sie ohne Durch
brüche und damit Einbrüche in den überlieferten Bestand
nicht durchführbar ist. Das zeigt sich auch in Braunschweig.
Durch die hohe Bebauung an seiner Westseite erscheint
das Stadtbild schon gestört, das Stadtbild, das an Stelle der
früheren Festungswerke einen ebenfalls ringförmigen Ab
schluß durch die Wallanlagen erhalten hat. Das weitere
Zerfließen des Stadtbildes zu verhüten, ist deshalb auch hier
die Entwicklung nach dem Strahlensystem zu befürworten,
indem an den nach außen hin führenden Hauptstraßen neue
Baugebiete als in sich geschlossene Siedelungen angesetzt
werden; die offenen, von der Bebauung freizulassende Grün
flächen (um diese Lücken recht breit zu machen, sind Grün
streifen mit Kleinhaussiedelungen vorlängs der Gehölze vor-
geseheh) und sonstige den Durchblick ermöglichende An
lagen, wie den Exerzierplatz und den Flugplatz, voneinander
trennen. Dabei braucht sich die nach außen fortschreitende
Bebauung nicht immer weiter gleichmäßig oder in gleich
mäßiger Abstufung auszubreiten; sie sollte vielmehr durch
die eigenartige Entwicklung der Vororte, die wieder eine
höhere Bebauung vertragen, wie von Spitzen durchbrochen
werden, so daß neue Nebenmittelpunkte für die Bebauung
entstehen. Befördert wird dies noch durch eine verschieden
artige Gestaltung dieser Nebenmittelpunkte, insbesondere
auch an den schönsten Seiten der alten Stadt durch eine
niedrig zu haltende Landhaus- und Reihenhausbauweise,
die dem Stadtbilde Vordergrund gibt.
Solche neuen Mittelpunkte sind zur Sammlung der Be
bauungsansätze, zur Bildung festumrissener Stadtgruppen
notwendig, um wieder zu einem charaktervollen Gesamt
umrisse zu kommen; so finden denn auch die wirt
schaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Anforderungen
Ihren schönheitlichen Ausdruck. Inhalt und Form decken
sich, der praktische Zweck ' und die künstlerische Er
scheinung.
Bei den umfangreichen Vorarbeiten im Gelände, der
Programmbearbeitung und den vorbereitenden Planungs
arbeiten ist mir Herr Franz Steinbrucker, Architekt B. D. A.,
ein getreuer Mitarbeiter gewesen.