DER STÄDTEBAU
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da, wo Anfänge zu einer Sammlung der Beleuchtung
bemerkbar sind, in den Treffpunkten des StraBengewtihls
auf den Zufluchtsinseln für Platzängstige und die umher
irrenden Fremden erheben sich allemal dieselben mit
Bärenköpfen geschmückten Sockel als Träger fünfstieliger
Kronen, Stiefkinder einer einst stolzen Eisengufikunst.
Nor auf einigen neuen Spreebrücken ist das Streben nach
eigenartigen Lösungen zu sehen: Schmiedeeiserne Lichter-
bäume auf die Brüstungen gesetzt, die sich im glitzernden
Spiel der Wellen spiegeln! Auch der Gedanke, den Obe
lisken, das uralte Zeichen des Sonnenstrahls zum Licht
träger umzugestalten, ist verwirklicht worden — schade
nur, daß er abends im Schattenkegei der ihn bekrönenden
Lampe steht.
Nächst den Beleuchtungskörpern helfen die Uhrgehäuse
und Wettersäulen, Kehrichtbehälter und Brunnenständer,
die Ufergeländer und Rasenzäune die Erscheinung des
Straßenbildes bestimmen, wie die Springbrunnen die Er
scheinung des Platzbildes. Dazu kommen Aborthäuaohen
und Verkaufsstände für Zeitungen, in den Parkanlagen
Milchhallen und Schutzdächer, am Wasser die Gondelhäfen
und Anlagen für den Eissport, jetzt meist nur notdürftige
Behelfe.** — Soweit also damals — und heute?
Der von der Stadt Berlin ausgeschriebene Wettbewerb
gibt Anlaß auf die wichtige Frage der Ausstattung der Straßen
wieder einzugehen. Schon im ersten Jahrgange unserer
Zeitschrift Seite 157 habe ich in dem Aufsatz über „Berliner
Plätze und Prachtstraßen“ auf einige Punkte hingewiesen.
An den Bordsteinkanten der Bürgersteige stehen bunt an
einandergereiht Laternen und Bäume, Maste für die elek
trischen Licht- und Kraftleitungen, zwischendurch einige
Schilder der Haltestellen für Straßenbahnen und Omnibusse,
Feuermelder und Wasserentnahmestellen, an den Ecken
meist Anschlagssäulen, Kehrichtbehälter, Sandkästen usw.
Die Abstände innerhalb jeder Reihung sind zwar im all
gemeinen unter sich gleiche, doch für die Laternen, Bäume,
Kabelmaste voneinander durchaus verschiedene; eine jede
Reihe folgt einem anderen Gesetz, das überdies von den
weitergenannten Einzelstücken in ganz willkürlicher Weise
unterbrochen wird, so daß schließlich alles durcheinander
steht und erst an den Ecken einen einigermaßen festen
Halt findet. Ein jeder Verwaltungszweig arbeitet hier
nach seinem eigenen Kopf, ohne sich um den seines Nach
barn zu kümmern, der Beleuchtungsingenieur, der Stadt
gärtner, der Straßenbahner, die Feuerwehr, die Wasser
versorgung, die Straßenreinigung usw. Es fehlt der leitende
Kopf, der Ordnung schafft, und Ordnung ist der Anfang aller
Kunst. Am besten sind noch die Zugänge der Untergrund
bahnen eingeordnet, und am leichtesten läßt sich dies auch
für die Zeitungsstände, Erfrischungsbuden und ähnliche
kleine Bauwerke erreichen (in Berlin fehlen darunter noch
Wartehallen für Straßenbahnen, die schmerzlich vermißten
Hinweistafeln, die über die Zielpunkte der einzelnen Linien
Auskunft geben) sowie für Sitzbänke und Brunnen an
Promenaden und Plätzen — siebe dieserhalb auch „Platz
ruhe von Dr. Hans Schmidkuaz, Berlin-Halensee auf $. 73,
Jahrgang 1914 unserer Zeitschrift**. Doch die Reihungen
sind am wichtigsten, da sie den optischen Maßstab für die
Straße abgeben.
Es kommt also nicht allein darauf an, alle diese Aus
stattungsstücke an sich einwandfrei auszubilden, sondern
auch sie in harmonische Beziehung zueinander zu setzen,
wie Glieder einer Kette zusammenzufügen unter Betonung
der notwendigen Knotenpunkte — erst dann werden wir zu
einer Kunst der Straße kommen. Dazu ist für die unter
geordneten sich Immer wiederholenden Glieder möglichste
Einfachheit in der Form anzustreben, wie das Preisgericht
des Berliner Wettbewerbes mit Recht betont hat.
Von nicht geringer Bedeutung für das Straßenbild sind
ferner die Namensschilder der Straßen mit charaktervollen
deutlich lesbaren Schriftzügen und die Gedenktafeln an her
vorragende Mitbürger oder verschwundene Bauwerke,
worüber Herr Prof. Michel in Görlitz neulich Beherzigens
wertes geschrieben hat.
NEUE BÜCHER UND SCHRIFTEN.
Besprochen von THEODOR GOECKE, Berlin.
I n Nr. 13 der Zeitschrift des Verbandes Deutscher Architekten- und
Ingenieur-Vereine vom 1. Juli d. J. hat Herr Dr.-Ing. Ed. Jobst Siedler
an der Hand der Stadtpläne von Templin und Lychen über den MITTEL
ALTERLICHEN UND FRIDERIZIANISCHEN STÄDTE
BAU IN DER MARK BRANDENBURG einen neuen Beitrag
geliefert. Beide Städte sind je nach einem Brande 1735 bzw. 1732 mit
gerade gelegten Straßen wieder aufgebaut worden, wobei die frühere Auf
teilung im allgemeinen beibehalten wurde.
Dazu möchte ich bemerken, daß die Straßen nicht nur begeradigt,
sondern auch tunlichst verbreitert worden sind, und daß insbesondere die
durch die Stadt führenden Landstraßen auch erweiterte Öffnungen in der
fitehengebliebenen Stadtmauer erhalten haben, indem man die Straße so
legte, daß der Torturm nicht mehr auf ihre Mitte paßte, sondern seitlich
an einer Bauflucht zu stehen kam und daß neben dem Tore die Mauer
durchbrochen wurde, wie das Mühlentor in Templin und das Stargarder
Tor in Lychen erkennen lassen. An die gegenüberliegende Bauflucht
rückte daun gewöhnlich das Häuschen des „Akzise-‘-Erhebers (wie am
Stettiner Tor in Premlau). Auch der Turm des Berliner Tores in
Templin stellt ähnlich, nur ein wenig weiter in' die Straße hinein. Um
gekehrt ist der frühere Turm des Fürstenberger Tores in Lychen gerade
hinter die Bauflucht der Straße geraten, wie die vermauerte Toröffnung
noch ersichtlich macht. Das Prenzlauer Tor in Templin Hegt etwas weiter
von der Straße ab und beweist darr.it, daß dem Tore nicht mehr die
frühere Bedeutung zukam. Praktisch ist mit diesem Vorgehen Denkmal
pflege geübt worden, meiner Ansicht nach mit Bewußtsein,
Sehr lehrreich isf die Gegenüberstellung des mittelalterlichen und
des landesfürstlichen Stadtgrundrisscs von Lychen; nördlich des Kirch-
berges ist der Markt gelegen im Winkel der Fürstenberger und der
Stargarder Straße, die zur Templiner Straße an der Kirche umknickt.
Die drei Tore im Zuge der Landstraßen und die von Verieidigungsrück-
sichten geboten« Versetzung des Stargarder gegen das Templiner Tor
bestimmten die Führung der am Markte zusammenlaufenden Hauptstraßen,
zu denen die weiter notwendigen Aufteilungsstraßen annähernd gleich
gerichtet sind. Ein anderes System vermag Ich darin nicht zu erkennen.
Die weitgehende Unterscheidung von Städtebausystemen (NB. immer
nur in der Projektion auf die Horizontalcbene!), wie sie der Verfasser nach
dem Vorgänge von Prof. Dr. P. J. Meyer in ßraunschweig macht und
der Versuch, den Stadtgrundriß von Lychen in diese Systemreih« cin-
zuordnen, erscheint mir gezwungen. Das System bestand einfach ln der
Anpassung an die Örtlichkeit (Lage der Landschaft, Gestalt der Erdober-