DER STÄDTEBAU
im Innem der Einzelwohnung braucht deshalb nicht vernachlässigt zu
werden: aber sie erheischt erst in zweiter Linie Berücksichtigung, nach
dem die richtige Siedelungsart hergestellt und die Jugend dem Freien
wieder »geführt ist.“
Wie schon öfter von mir betont, sind früher gesundheitliche Forde
rungen, die auf Grund einseitiger Beobachtungen und unzureichender Er
fahrungen an den Bau des Hauses und erst recht der Stadt gestellt wurden,
zu schnell in feste Formeln gefaßt worden, die in dem Bebauungsplan und
Bestimmungen der Baupolizei dann ihren Niederschlag gefunden haben.
Man denke nur an die Schwärmerei für luft- und lichtdurchflutete breite
Straßen, die tiefe Baublöcke mit dichter Hofbebauung nach sich zogen,
für weite Plätze, die sogenannten Lungen der Stadt, die im Lärm und
Staub der sie umgebenden Straßen lagen, ferner an die Begünstigung
breitgeschnittener Grundstücke, die zwar großräumigere Hausgrundrisse
ermöglichten, aber auch die Zusammenlegung von zwei und mehreren
schmalen Grundstücken verlangten, infolgedessen Förderung des Massen
mietshauses überhaupt, das das Kleinhaus und den Garten aus der Stadt
verdrängte. Es ist daher sehr erfreulich, wenn nun gerade von einem
Vertreter der Gesundheitspflege — noch dazu von einem so allgemein
anerkannten — zu diesen von der Städtebaulehre schon längst als irrtüm
lich »rückgewiesenen Lehren Stellung genommen wird.
Der Verfasser hat sein Buch in drei Abschnitte zerlegt, deren Ergeb
nisse jedesmal am Schlüsse zusammengefaßt werden. Da» kommen eine
Einleitung und die schon erwähnten Schlußbetrachtungen,
Der erste Abschnitt enthält statistische Feststellungen über die all
gemeine Sterblichkeit in Stadt und Land, Erhebungen Uber Sterblichkeit
und Wohnungseiuflüsse, Untersuchungen Uber die sogenannten Wohnungs
krankheiten und die Beziehungen der Wohnungen zur Sterblichkeitsziffer,
Militärtauglichkeit und Körperverfassung der Schüler, Leider scheint es
keine Sterblichkeitsstatistik für die verschiedenen Berufsarten zu geben.
Mit einer solchen z. B. für den Bauer, den Gärtner, den Schiffer, den
CHRONIK.
EUBAUTEN IM BERLINER ZENTRUM. Der alte Durch
gang von der Kloster- zur Neuen Friedrichstraße, der nur tagsüber
geöffnet ist, soll nun endgültig verschwinden. Jetzt soll dort eine 18 m
breite Straße als Privatstraße mit modernen Geschäftshäusern, Torbogen
und elektrischer Beleuchtung usw. entstehen. Der Sachverständigenbeirat
der Stadt Berlin zum Schutze gegen Verunstaltung des Stadtbildes hat
sich zu den EntwUrfen des Prof. Qrenander für die Umgestaltung dieses
historischen Durchgangs zustimmend geäußert. Der Berliner Magistrat
hat durch den Erwerb von Grundstücken in der Parochial-, Stralauer
u'nd anderen Straßen schon die ersten Schritte für diese notwendige
Umwandlung getan. Die Stadtverordneten werden die Pläne Tür den Bau
einer Städtbibliotfaek, einer Amtswohnung für den Oberbürgermeister und
ändere städtische Bauten zweifellos nach Beendigung des Krieges verab
schieden und neue, wie die für den Bau eines dritten Rathauses, Umbau
der Sparkasse, Ausbau des Rolandufers und Durchlegung der Parochial-
slraße nach der Neuen Friedrichstraße, der Voltairestraße nach Westen,
Umgestaltung der Friedrichgrachts, des Stadtviertels an der Münze
rnit Raules Hof usw., der Jungfernbrücke usw. in den Kreis seiner Be
ratungen ziehen.
E ine provinzielle Gesellschaft zur prakti
schen FÖRDERUNG DES KLEINWOHNUNGSBAUES.
Der Westfälische Provinziallandtag hat beschlossen, sich mit i Mill. Mk.
aii einer neuen gemeinnützigen Gesellschaft zur praktischen Förderung
des Kleinwohnungsbaues in der Provinz Westfalen zu beteiligen, nachdem
der Staat eine Beteiligung von a Millionen in Aussicht gestellt hatte.
Auch will die Landesversicherungsanstalt Westfalen sich mit i Million
beteiligen. Außerdem steht eine Beteiligung der westfälischen Städte,
Landkreise, sonstiger öffentlicher Körperschaften, der Industrie, der gemein
nützigen Siedelungsgesellschaft „Rote Erde“ usw. in Aussicht. Die neue
Gesellschaft wird also ein kapitalkräftiges Unternehmen werden, das bei
der Beschaffung von Kleinwohnungen für die Übergangszeit und die
ersten Friedensjahre von nicht zu unterschätzender Bedeutung sein wird.
Baubandwerker möchte sieh wohl der Einfluß des Aufenthalts und der
Arbeit im Freien auf den Gesundheitszustand und die Sterblichkeitsziffer
zwingend nachweisen lassen. Dem Schiffer sagt man gerne eine lange
Lebensdauer nach, obwohl er oft auf längere Zeit mit den kleinsten
Räumen vorlieb nehmen muß: auch der Bauer liebt der Wärme wegen
kleine Räume und dicht geschlossene Fenster«
Der zweite Abschnitt verbreitet sich über beobachtete Gesundheits-
Schädigungen durch großstädtische Wohnungen, Uber die Luft und Licht
verhältnisse innerhalb und außerhalb der Wohnungen in Stadt und Land,
namentlich auch über das Verhalten des Grpß- und Kleinhauses in bezog
auf die Zufuhr von Luft und Licht,
Im dritten Abschnitt werden Abhilfsmaßregeln gegen die gesundheit
lichen Schädigungen der einzelnen Wohnung sowohl als auch zwar haupt
sächlich gegen die aus der Besiedelungsdichte entstehenden gesundheit
lichen Schädigungen gegeben, unter denen insbesondere die Freiflächen
in mehreren Abstufungen für Kinder verschiedenen Alters und für Er
wachsene, zum Spiel und Sport, zur Erholung usw. eine Rolle spielen.
Hierbei möge eingeschaltet sein, daß der Ausdruck Freiflächen sich immer
mehr einzubUrgern scheint, obwohl doch auch die Straßen, die Vorgärten,
Wasserverkehrswege usw. ebenfalls Freiflächen sind; im Gegensatz da»
stehen die Grünflächen, oder wenn auch unbepflanzte Plätze, Seeflächen
usw. mit einbegriffen werden sollen, Freigebiete. Im übrigen geht aus den
Ausführungen des Verfassers hervor, daß diese Grünflächen in erster Linie
zum Ausgleich der Schäden einer hohen Bebauung dienen sollen und
deshalb unbedingt notwendig sind, während eie in Kleinhaussiedelungen
in erheblichem Maße durch die Hausgärten ersetzt werden können.
Das Studium dieses j6o Quartseiten umfassenden Buches wird durch
eine flüssige Sprache im Verein mit der klaren Darstellung sehr erleichtert,
so daß es nur auf das wärmste empfohlen werden kann. Nur die dem
Verfasser entschlüpfte Geringschätzung der QuerlUftung in den Wohnungen
wird der erfahrene Fachmann als eine Entgleisung bedauern.
Das Aufgabengebiet ist nach dem Westfälischen Wohnungsblatt ziemlich
weit gezogen. Die Gesellschaft soll den Bau und die Einrichtung von
Wohn- und Heimstätten auf gemeinnütziger Grundlage fördern und die
bestehenden und neu zu gründenden Bauvereinigungen in ihren wirt
schaftlichen Angelegenheiten und Bestrebungen unterstützen. Im einzel
nen sollen » den Aufgaben der Gesellschaft gehören die Beratung und
Unterstützung in allen Fragen des praktischen Kleinwohnungsbaues
(Beschaffung und Aufschließung des Geländes, Beschaffung von Siede-:
lungs- und Bauplänen, Geldbeschaffung, Aufstellung von Kostenanschlägen,
Bauaufsicht, Abschluß von Bauverträgen, Prüfung der Bauausführung
und Abrechnung) unter Umständen auch die Ausführung von Siedelungen
und die Herstellung von Kleinwohnungen unmittelbar, die Vermittlung
wie auch An- und Verkauf von Baustoffen und Bauteilen, die Förderung
aller Mittel der Bauverbilligung (Typisierung der Bauten und Bauteile),
ferner die Beschaffung von guten und preiswerten Wohnungseinrichtungen
(Abschluß von Lieferungsverträgen mit Handwerkervereinigungen und
Fabriken, unter Umständen Selbsterzeugung) und alle sonstigen Geschäfte
zur Durchführung und Unterstützung der vorbezeichneten Aufgaben.
Insbesondere soll auch die Wohnungsfürsorge für kinderreiche Familien
zu den Aufgaben der provinziellen Gesellschaft gehören.
IE ERSTE BAUMESSE. Die vom 25. bis 31. August in Leipzig
stattgefundene Baumesse begegnete in allen Baukreiaen dem größten
Interesse. Allgemein besteht das Bedürfnis, zu wissen, was der Krieg
an Baustoffen und Bauweisen auf dem Markte gelassen und neu auf den
Markt gebracht hat, insbesondere auch bezüglich des Kleinwohnungsbaues.
Besonderem Interesse dürften die'” neuartigen Bauweisen begegnen, die
durch die Kriegsverhältnisse gezeitigt sind und sich dem»folge den zur
zeit möglichen Bauausführungsverhältnissen anpassen. Die Baubörse wird
auf dem gegenwärtigen Baumarkt Angebot und Nachfrage ausgleichen
helfen und die Baumesse wirksam ergänzen. Am 3$. August wurden
öffentliche Vorträge Über zeitgemäße Bauarchitektur- und Wohnungs
fragen gehalten.
Verantwortlich für ^die Schriftleitung: Theodor Goecke, Berlin. — Verlag von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin W., Markgrafenstraße 31. — Inseraten-
annahme Emst Wasmuth A.-G., Berlin W. 8. — Gedruckt bei Herrosd 8t Ziemsen, G. m. b. H., Wittenberg. — Klischees von Ernst Wasmuth A.-G., Berlin.