14. Jahrgang
1917
Heft 12.
129
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FÜR DIE KÜNSTLERISCHE AUSGESTALTUNG DER
STÄDTE NACH IHREN WIRTSCHAFTLICHEN,
GESUNDHEITLICHEN UND SOZIALEN GRUNDSÄTZEN
MIT EINSCHLUSS DER LÄNDLICHEN SIEDELUNGSANLAGEN UND DES KLEINWOHNUNGSBAUES
INHALTSVERZEICHNIS: Städtebauliches aus Russisch-Polen. Von Baurat Dr.-Ing. Ranck-Hamburg, zurzeit Stadtbaurat in Lodz. — Das Laubenhaus.
Ein Vorschlag zur Verbesserung großstädtischer Kleinwohnungen. Von Prof. Bruno Möhring, Berlin, — Uferstraßen, Von Reg.-Baumeister Deneke,
Leiter des Stadterweiterungsamtes, Düsseldorf. — Eine Friedensstadt. — Neue Bücher und Schriften. — Chronik.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
STÄDTEBAULICHES AUS RUSSISCH-POLEN.
Von Baurat Dr.-Ing. RANCK-Hamburg, zurzeit Stadtbaurat in Lodz.
Die deutsche Okkupationsregierung in Russisch-Polen
nimmt ihre Aufgaben sehr ernst. Es gibt kaum ein Gebiet
staatlicher und gemeindlicher Verwaltung, auf dem sie nicht
wenigstens Grundlagen geschaffen hätte für den Bau des
polnischen Staatswesens. Dies steht natürlich nicht, trotz
der jahrelang ordnenden deutschen Hand, seit dem 5. No
vember 1916 oder 12. September 1917 fix und fertig da,
sondern kann sich nur in langer und harter Arbeit aus den
Unvollkommenheiten der Vergangenheit emporringen.
Es könnte scheinen, daß bei der Fülle der notwendigsten
Aufgaben ein Gebiet wie der Städtebau nicht so bald die
Aufmerksamkeit der Regierung erregen werde. Hier handelt
es sich um eingewurzelte Zustände und Gepflogenheiten, die
schwer beweglich sind. Neue Maßnahmen können schon
im Frieden erst nach längerer Zeit Erfolge sichtbar machen,
wieviel weniger in diesem Kriege, der den Entwicklungs
gang der Städte in allen beteiligten Ländern gelähmt hat.
Aber der Anblick der polnischen Städte ohne Ausnahmen
offenbarte so grenzenlose Versäumnisse in der Gesetzgebung
der Vergangenheit, und ließ auf einen so großen Mangel
an Erfahrung in den beteiligten einheimischen Kreisen
schließen, daß die Regierung sich auch hier nicht versagen
durfte. Und sie durfte nicht zögern, einzugreifen, weil in
manchen vom Kriege schwer betroffenen Städten des Landes,
so in dem zusammengeschossenen Kalisch, bald eine stärkere
Bautätigkeit zu erwarten war, und weil die strebsame Archi
tektenschaft Polens in dieser Erwartung und befreit von den
Hemmungen russischer Verwaltung nach Betätigung auch
auf dem Gebiete des Städtebaues drängte.
Von den Maßnahmen der Regierung sollen einige kurz
besprochen werden, an denen der Verfasser dieses Aufsatzes
beteiligt ist.
1. Die Verordnung des Generalgouverneurs über
die Aufstellung von Bebauungsplänen vom 29. No
vember 1916.
Das russische Recht bot den Gemeinden Polens nicht
die Möglichkeit, Bebauungspläne aufzustellen, die der vor
aussehbaren Entwicklung in einer längeren Zeit entgegen
gekommen wären. Denn um das für Straßen usw. er
forderliche Gelände den Eigentümern nötigenfalls zwangs
weise zu entziehen, mußte in jedem einzelnen Falle ein
Ukas des Zaren herbeigeführt werden. Man überließ da
her die Ausdehnung des Straßennetzes der Städte in der
Regel den Grundbesitzern. Die Folgen dieses Rechtszu
standes für die Entwicklung schnellwachsender Industrie
städte wie Lodz, Kalisch, Sosnowice, Czenstochau kann
man sich ohne weiteres vorstellen. Sie wurden noch ver
schlimmert durch die großen Lücken der Baugesetze, in
denen es an Ausnutzungs-Beschränkungen so gut wie ganz
fehlte, zu schweigen von abstufenden Bestimmungen, die
der wirtschaftlich-sozialen Bevölkerungsschichtung und ge-