DER STÄDTEBAU
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und die großen Gesichtspunkte für den gesamten Plan aufzu
stellen. Das ganze Gebiet wäre zu diesem Zweck in Bezirke
einzuteilen, und hätten Städtebautechniker die Aufnahme
arbeiten für jeden einzelnen Bezirk zu bewirken. Daß jetzt
nach den Zerstörungen des Krieges die Tätigkeit derartiger
Bezirksarchitekten zumal für den Wiederauf bau ein dringen
des Erfordernis darstellen würde, kann gar nicht bestritten
werden. Die erforderlichen fachlichen Kräfte sind vorhanden.
Das Angebot bei dem Wiederaufbau Ostpreußens h^t dies
gezeigt.
Das wäre der erste Schritt I
Kenner der östlichen Verhältnisse berichten, daß das
weite Land in einem wahren Betätigungsdrange fiebere. Der
Wunsch zu schaffen ist nach der langen Fesselung über
mächtig. Und auch bei uns werden sich die Besten io den
Dienst der Aufgabe stellen; denn wir sind geradezu mora
lisch verpflichtet, hier nicht halbe Arbeit zu leisten, sondern
für das Wiederaufblühen nach Kräften zu sorgen und die
Hoffnungen der Bewohner auf den Anbruch einer neuen,
goldenen Zeit nicht zuschanden werden zu lassen.
Ein Besiedelungsplan, der die Richtlinien für die Ent
wicklung der nächsten Jahre, Jahrzehnte angibt, ist der
feste Anker, der Kern, um den sich das Wünschen und
Streben der Nationen kristallisiert. Kein Hin und Her,
kein Auf und Nieder, aus Wollen und Unvermögen zusammen
gesetzt, sondern Ordnung, Zieigewißheit, kurz ein Plan, der
mit Überlegung und Kenntnis ausgeführt ist und mit bewährter
Tatkraft zur Durchführung gelangt.
Das ist es, was den Oststaaten Klarheit und Einheit für
ihren Aufbau geben würde.
NEUERE PLÄTZE IN KARLSRUHE UND DIE EIN
SCHLÄGIGE BAUGESETZGEBUNG.
Von FRIEDRICH BEICHEL, Karlsruhe.
Karlsruhe, die „Fächerstadt“, hat die fächerförmige
Führung der Straßenzüge der ursprünglichen Anlage bei
den späteren Erweiterungen zwar nicht b^ibehalten können,
es hat aber die Grundsätze, welche für seine ersten Straßen
und Plätze maßgebend waren, mit geringen Ausnahmen
auch bei der Bebauung der neueren Plätze aufrecht erhalten
und durch das Festhalten einer einheitlichen Bebauung
ganzer Plätze und Straßenzüge Wirkungen geschaffen, deren
Wert mit der zunehmenden Entwicklung des Städtebaues
immer mehr erkannt. und gewürdigt wird. Diese alten
Überlieferungen hat die im Jahre 1912 erschienene Bauordnung
der Stadt wieder aufgenommen. Nachfolgend sollen die auf
Erhaltung des alten Stadtbildes abzielenden Vorschriften,
sowie die Bestimmungen über die Bebauung der neueren
Plätze näher erörtert werden.
ln Kürze sei zunächst an die älteren als bekannt vor
ausgesetzten Plätze und Straßen erinnert, Markgraf Karl
Wilhelm, der Gründer der Stadt, legte am Schloßplatz
die im Kreissegment geführte Häuserreihe mit Bogenhallen,
einem Obergeschoß und einem Mansardgeschoß an (1720
vollendet). Als sich dann gegen Ausgang des 18. Jahr
hunderts die Stadthach Süden auszudehnen begann, entstanden
zwei weitere Plätze als Erweiterungen der vom Schloß
auslaufenden Mittelstraße: Der Marktplatz und das Rondell.
Der Marktplatz wurde nach den Plänen des Baudirektors
Friedrich Weinbrenner inj den Jahren 1801 —1825 bebaut.
Auf ungefähr dieselbe Zeit geht die Anlage des. Rondells
zurück, das durch die monumentalen Giebelbauten Wein
brenners, vor allem den Markgräflichen Palast (1808 — 1811),
aber auch die Bürgerhäuser von Vierordt und Dessart (1800)
sein eigenartiges Gepräge erhielt. Die Kärl-Friedrich-Straße,
der äußere Zirkel und die Stephanienstraße entstanden mit
ihren einheitlich wirkenden Blockfronten,
Das Motiv der Laubengänge des Schloßplatzes klingt
zu größeren Abmessungen gesteigert ln den Häuserblöcken
wieder, welche den Friedrichsplatz begrenzen und der
in den Jahren 1864—1869" nach Entwürfen des Oberbaurats
Josef Berckmüller ausgebaut wurde. Tafel 62 zeigt sämtliche
angeführten Plätze im gleichen Maßstabe und nach Norden
gerichtet. Eine Ausnahme bildet der um die Hälfte kleiner
gezeichnete Schloßplatz.
Aus der neuesten Zeit gebührt das Verdienst, eine voll
ständig einheitliche Platzbebauung mit großen, persönlichen
Geldopfern durchgeführt zu haben dem Architekten Heinrich
Sexauer in Karlsruhe. Er hat sich durch Kauf sämtliche
Bauplätze am Haydnplatz gesichert und trat mit dem
Entwurf einer einheitlichen Bebauung an die Stadtverwaltung
heran, die gerne ihre Zustimmung zur Ausführung gab.
Durch Sexauers Vermittlung fand sich ein edler Stifter, der
für den Platz einen monumentalen künstlerischen Schmuck,
bestehend aus einem Wasserbecken mit zwei auf Sockeln
stehenden, überlebensgroßen Rossen aus Bronze der Stadt
zum Geschenk machte. Infolge Ausbruchs des Krieges
wurde die Fertigstellung dieses Kunstwerks leider verzögert.
(Abb. a auf Tafel 63.)
Der gute Erfolg bei dieser Ausführung im Gegensatz
zu dem Mißerfolg an anderer Stelle, wie weiter unten näher
ausgeführt wird, gaben der Stadt Veranlassung, bei allen
neuen Plätzen in ähnlichem Sinne vorzugehen. So ließ der
Stadtrat, um eine ästhetisch befriedigende Bebauung des
Tullaplatzes, des künftigen Marktplatzes der Oststadt zu
ermöglichen, durch Stadtbaurat Beichel einen Rahmenent
wurf ausarbeiten, auf Grund dessen er den Besitzern von
Baugrundstücken unentgeltlich Fassadenpläne zur Verfügung
stellt (vgl. Textbild 3). Es wurde Wert darauf gelegt, daß
die Architektur schlicht und nicht kostspielig werde. Oie
Stadt selbst ist mit der ganzen Ostseite am Ausbau des
Platzes beteiligt. Dort wurde auch während des Krieges
ein großes Schulgebäude nach den Plänen des Verfassers
ausgeführt. (Abb. b, Tafel 63.)
Ziemlich gleichzeitig tauchte die Frage einer praktischen
und künstlerischen Anforderungen entsprechenden Gestaltung
des Platzes am Karlstor auf. Dort standen zwei im Jahre
1830 von Oberbaudirektor Heinrich Hübsch erstellte Tor-
häuschen, die den Verkehr hinderten. Es entbrannte ein
öffentlicher Streit der Meinungen, ob die Häuser zu entfernen