DER STÄDTEBAU
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Abb. 2. Massiv der Festungsmauer.
verrät auch in der Senkrechten
durch eine verzweigte Graben
anlage, deren einzelne Gräben
Tiefen bis zu 10 m erreichen
können, seine Anwesenheit. Bei
näherem Zusehen beherbergen
die sich nur wenig über das
Vorgelände erhebenden Wälle in
ihrem Innern aus kräftigstem
Mauerwerk bestehende bomben
sichere Unterkunfts- und Lager
räume, während die die Graben
wände stützenden hohen Mauern
mittlere Stärken von 2 l j 2 m auf
weisen.
Nach den gleichen Grund
sätzen sind die einzelnen Festen
errichtet, die in einem Gürtel
von 600- 900 m Abstand den ge
nannten Hauptwällen vorgelagert
sind und im Grundrisse eine
stumpfe Mondsichelform mit be
deckten Laufgräben und Schanzen
bilden. Als weitere Eigentümlich
keit des Festungsgebietes zeigen
sich mehr oder weniger wert
volle Baumbestände auf den
Flächen der Feldbrustwehr.
Weil die zur Auflassung oder richtiger gesagt zur Nieder
legung bestimmten Festungsanlagen das unmittelbar an die
bewohnte Stadt angrenzende Gelände einnehmen, können
diese bei Aufstellung des Bebauungsplanes nicht umgangen
werden; vielmehr ist vom Standpunkte wirtschaftlicher,
architektonischer und schönheitlicher Erwägungen die Frage
zu prüfen, ob die Einebnung der Festungsanlagen ganz oder
nur teilweise erfolgen soll.
Im ersteren Falle würde die Beseitigung der Gräben und
Wälle zwar ein für das Auge übersichtliches und infolge
seiner ebenen Gestaltung für die Bebauung günstiges Gelände
ergeben. Das Bild erweist sich jedoch als ein trügerisches;
denn das verfüllte Grabengelände ist der Feind jeden Anbaues.
Häuser können in ihm nur mit besonderen Sicherungen
errichtet werden. Der Straßenbau hat trotz voraufgegangener
schichtenweiser Abstumpfung und Abwalzung mit Setzungen
noch auf Jahre hinaus zu rechnen. Beim Kanalbau sind
die Röhren auf eine Kiesschicht zu lagern, welche bis auf
den gewachsenen Boden der Grabensohle hinabführen soll.
Gas- und Wasserleitungen müssen beim Durchschreiten des
früheren Festungsgrabens aus Schmiedeeisen auf Unter
fangungen gelagert werden, um die Bruchgefahr abzuwenden.
Wenn also ein ehemaliges Festungsgebiet so mancherlei
unerwünschte Spuren bei der Baureifmachung hinterläßt,
so drängen die vorerwähnten Gesichtspunkte von selbst auf
den Weg einer teilweisen Beibehaltung der Festungsanlagen.
Leider waren von einer Anzahl das Schicksal von Mainz
teilenden Festungsstädten, die zur Auflassung bestimmt sind,
deren Einebnungskosten nicht erhältlich. Um welche Erd-
und Mauerabbruchmassen es sich aber allein bei einem
Teile der Mainzer Stadterweiterung von 178 ha Größe handelt,
kann aus dem Voranschläge des Städtischen Tietbauamtes
entnommen werden. Hiernach stellen sich: die Erdmassen
bewegung auf 2081000 cbm und der Mauerabbruch auf
301000 cbm, während die baufertige Herstellung der Bau
blöcke in dem genannten Gebiete den Betrag von 3100000 Mk.
ergibt.
Diese Zahlen gewähren einen Einblick in die Größe der
baulichen Anlagen, welche die Militärbehörde zur Sicherung
des Reiches errichtet hatte. Der Fortschritt der Zeit ist
nirgends besser erkennbar als an der Umgestaltung der
Stadtbefestigungen, die, von der malerischen mit Türmen und
Zinnen bewehrten mittelalterlichen Stadtmauer ausgehend,
unter dem Einflüsse der Angriffswaffen die heutigen Formen
angenommen haben.
Die schon erwähnte teilweise Beibehaltung der Festungs
anlagen verschafft gegenüber der vollständigen Einebnung
erfreulichere Ausblicke sowohl hinsichtlich der Kosten, wie
der anderen Forderungen. Es kann natürlich nicht die
Rede davon sein, den Bebauungsplan nach den Festungs
anlagen einzurichten. Durchgehende Verkehrsstraßen, Ge
schäftsgegenden oder gar Industriesiedelungen haben nichts
in dem zu erhaltenden Festungsgebiete zu suchen; wohl aber
können Festungsteile, einem ruhigen Stadtviertel einverleibt,
durch alte Grabenmauern, geschmückt mit Blattwerk, durch
erhöhte, zu Aussichtspunkten oder Spielplätzen umgewandelte
Basteien und durch Gräben, deren Flächen gärtnerich herge
richtet werden, eine stimmungsvolle Wirkung hervorrufen.
Der Wall ist an sich schon ein landschaftliches Motiv;
er gibt die Grundlage für die ringförmig um die Stadt an
zulegende „Promenade“. Im Bestreben, ihn zu erhalten,
sind Städte wie Soest, Lüneburg in öffentlichen Wett
bewerben so weit gegangen, die Aufgabe zu stellen, Radial
straßen im Tunnelbau durch den Wall zu führen. Die
Wallanlagen in Braunschweig sind zu einer Zierde der Stadt
geworden. Es sei hier weiter an die glückliche Verwendung
von Festungsgräben und -mauern in Dresden, Magdeburg,
Bremen und anderen Städten erinnert.