DER STÄDTEBAU
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Abb. 3. Jesuitenkirche in Mannheim.
voll Kraft und Wucht, eigenartig durch ihre puritanische
Einfachheit. Die reformierte Gemeinde durfte auf den Grund
mauern der Nationalkirche sich die Konkordienkirche er
richteten, An kirchlichen Bauten ist noch das 1701—1706 er
baute Kapuzinerkloster mit der Kirche zum heiligen Rochus
zu nennen, das sich an den Kleinen Planken und dem
Johannisplatz erhob. Bemerkenswert ist die außerordentlich
glückliche Einfügung der Baugruppe in das Straßennetz und
das hübsche, sich von allen Seiten zeigende Gesamtbild.
Neben diesen Leistungen auf dem Gebiet der Monumental
baukunst zeigte sich wieder eine rege Tätigkeit im Privat
bau. Was die Motive anlangt, so ging man wieder auf
die bewährten Vorbilder der Friedrichsburg zurück.
Ein Glücksfall sondergleichen für die Stadt war es, als
1720 Kurfürst Karl Philipp mit seinem Hofe nach Mann
Abb. 4. Kaufhaus mit Paradeplatz in Mannheim.
heim übersiedelte, eine ungeahnte und folgenreiche Wendung
in ihrer Geschichte. Ein Religionsstreit in der bisherigen
Residenz Heidelberg und das Streben aus der alten, engen
Höhenburg, die seinem modernen Geiste nicht mehr ent
sprach, veranlaßte ihn, Mannheim zu seinem Sitze zu erheben.
Zunächst wurde die Umwallung der neuen Residenz
fertiggestellt und durch drei Tore, das Heidelberger, Neckar-
und Rheintor, geschmückt. Drei monumentale Gebäude als
beherrschende Punkte im Stadtplan sind bezeichnend für
Karl Philipps Epoche: das riesenhafte Schloß als Ausdruck
seiner prunkliebenden Herrschergewalt, die prächtige Je
suitenkirche als Wahrzeichen seines streng katholischen
Sinnes und das Kaufhaus als Denkmal des mißglückten
Versuches, Mannheim verfrüht zur Handelsstadt zu erheben.
Diese Bauten zu vollenden, war allerdings erst seinem Nach
folger Karl Theodor (1743 — 1799) vergönnt.
Als Platz für das Schloß konnte nur eine einzige Stelle
in Betracht kommen, die schon in alter Zeit mit Karl Ludwigs
Schloßanlage geschmückte, durch Erinnerung, Überlieferung
und Geschichte geheiligte Stätte am oberen Ende der Stadt.
Der Schloßbau nach den Entwürfen von Marot, Froimont
(vgl. Abb. b, Tafel 24), Bibiena, Pigage wurde in geschick
tester Weise der regelmäßigen Stadtanlage angepaßt; nicht
weniger als sieben Straßen erhielten ihren Abschluß durch
besonders betonte Axen des Schlosses. Die Schloßanlage
beherrscht Alt-Mannheim und gibt der Stadtanlage seinen
baukünstlerischen Ausdruck. Die Straßen sind mit zwei-,
höchstens dreistöckigen Bauten umrahmt; auch hier das
Zurücktreten der Wohngebäude gegen die beherrschende
Wirkung der Baumassen des Schlosses.
In der Hofkirche, der Jesuitenkirche, schuf Bibiena ein
Baudenkmal, stadtbeherrschend und weithin kündend des
Ordens Macht; die Wirkung dieser Kirche wird im Stadt
bild durch planmäßiges Vorschieben in die „Kalte Gasse“
gesteigert; die Piazzetta vor der Vorhalle mit den einst hier
stehenden niederen Häusern bezweckte, die Kirche hervor
zuheben (vgl. Abb. 3 im Text). In der Umgebung des
Schloßes entstehen das Kloster der Karmeliter, das Kloster
und die Kirche der Augustinernonnen, sowie die Kirche der
Sodalität, Das Schloß und die bisher im Zu
sammenhang mit ihm geschilderten Gebäude sind
aber nicht allein hervorragende Einzelmonumente,
es ergab sich auch, im ganzen betrachtet, ein
großartiges Gesamtbild. Ein schönes Architektur
bild bot sich dem Beschauer am Ostende des
Schlosses. Eine große, weiträumige, vielfach er
weiterte und doch geschlossene Platzanlage, ab
geschlossen zur Linken von den Massen des
Schlosses, zur Rechten von den eleganten kirch
lichen Schöpfungen, den Wohngebäuden. Im
Hintergründe ernst das Jesuitenkollegium, alles
aber überragt von der Jesuitenkirche in ihrer
einzig schönen Umrißlinie. Auch in der Stadt
entstanden Monumentalbauten: das Kaufhaus mit
dem Paradeplatz (vgl. Textbild 4), das Kurfürst
liche Spital ad St. Borromaeum mit Kirche, die
Garnisonkirche auf dem Zeughausplatz, Zucht-
und Waisenhaus u. a. m. Die Liebe des Kur
fürsten Karl Theodor zu den Wissenschaften
führte zur Gründung der Sternwarte. Der Bau
erhebt sich inmitten des Jesuitenreichs vom
Schloß. Im Zusammenhang mit dem Gebäude