DER STÄDTEBAU
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letztere im Hochsommer, d. h. zurZeit der Vollbeschäftigung
stattfand. Vermutlich wurde ein Teil der in Eigenbetrieben
(bei der Bahn) Tätigen als Betriebspersonen nicht gezählt,
dagegen bei der Berufszählung mit aufgenommen; zum Teil
mag sich die Erscheinung dadurch erklären, daß sich viele
sogenannte Gelegenheitsarbeiter bei der Berufszählung als
Bauarbeiter bezeichneten; zum Teil liegen die Ursachen bei
den zu erwähnenden Verhältnissen der Bauarbeiter und Ge
werbetreibenden auf dem platten Lande.
V. d. Borght hebt in einer Besprechung der Berufs
zählung von 1907 hervor, daß
rund 33% der Berufsangehörigen auf dem platten Land, d. h.
in Orten mit weniger als
2000 Einwohnern,
„ 45 % „ „ in den Klein- und Mittel
städten und
„ 22% „ „ in den Städten von mehr
als 50000 Einwohnern seßhaft sind.
Wir berücksichtigen zunächst, daß hinsichtlich der Her
stellungswerte sich die Sachlage ganz anders gestaltet; ein
großer Teil der in den Gemeinden eingetragenen Arbeiter ist
in den benachbarten Großstädten bei erhöhten Löhnen tätig,
andere würden sich richtiger nicht als Bauarbeiter, sondern
als Kleinbauern mit gelegentlicher baugewerblicher Tätigkeit
bezeichnen. Immerhin zeigen die Berufszählungen, daß ein
größerer Teil der Bevölkerung am Baugewerbe' unmittelbar
beteiligt ist, als die Betriebszählungen annehmen lassen.
Wie wir oben schon auseinandersetzten, ist der Bau
arbeiter unter Umständen imstande, einen anderen Wohn
sitz in entlegener Gegend anzunehmen, um Arbeit zu finden;
für den Baugewerksmeister ist dies natürlich schwierig, ins
besondere dann, wenn er als Handwerksmeister an seine
Wohnstadt gebunden oder bei Bauunternehmern in engerem
Sinne seine Kapitalkraft eine beschränkte oder gar durch
Spekulation festgelegt ist. Wir geben hierzu zunächst eine
Darstellung aus der Betriebszählung von 1907, ,
Die Größe der Betriebe ist bei der Wirksamkeit von
Notstandsarbeiten insofern von Bedeutung, als diese, wenn
sie nicht zu sehr verzettelt werden sollen, naturgemäß den
kleinen Meistern schwer zuzuwenden sind. Die Statistik
ist nicht sehr durchsichtig, da die Verhältnisse in den ein
zelnen Gewerbearten sehr verschieden liegen; ein Maurer
geschäft, das zeitweise 50 Arbeiter beschäftigt, ist bei weitem
hoch kein Großbetrieb, während ein Zimmergeschäft mit
gleicher Arbeiterzahl als solcher anzusehen ist, ebenso eine
Klempnerei oder dergleichen.
Die Betriebszählung ergab:
5 300 Großbetriebe mit mehr als 50 Personen 633000 oder 38%
40000Mittelbetriebe mit 6 bis SO „ 615000 oder 387®
75 000 Kleinbctr. mit weniger als 6 „ 350000 oder 24%
hierzu 1007°-
75 000 Alleinbetriebe.
Wie diese Aufstellung sich gestalten würde unter Aus
scheidung nach Hoch- und Tiefbau, ist aus der Statistik
leider nicht ersichtlich; wir können über die im folgenden nach
Herstellungswerten nochmals zusammengestellten Zweige
hinsichtlich der Betriebsgrößen und der Beweglichkeit in
betreff des Wirkungskreises nur eine allgemeine Übersicht
geben, die für die Wirkung der Notstandsarbeiten zur
Stützung selbständiger Gewerbe Anhaltspunkte gibt.
Zugrunde zu legen wären nach Produktionsweisen ge
ordnet folgende Arten:
In Millionen Mark Herstellungswerte:
1. Eigenbetrieb (zum Teil Unterhaltung,
einschließlich Stoffe für den Oberbau
2.
3.
4.
5.
6.
430 + 200 -
Tiefbauunternehmungen (ausschließlich
der folgenden) ........ ca.
Eisenkonstruktion des Hoch- und Tief
baues
Eisenbetonbau des Hoch- und Tiefbaues
Bauuntemehmungen für Hochbau . .
Ausbauhandwerke, ferner Zimmerer-
und Dachdeckergeschäfte
630 Mill. Mk.
750 „ „
130 „ „
200 „ „
1500 „ „
2350 « „
zusammen 5560 Mill. Mk.
Von diesen Unternehmungsarten ist der Eigenbetrieb
im wesentlichen an die Unterhaltung bestehender Anlagen
gebunden. Im Unternehmertiefbau wird der größte Teil der
Herstellung durch die örtlich nicht gebundenen großen Be
triebe ausgeführt, die immerhin erhebliche Zahl der Klein
unternehmer, insbesondere Pflasterer usw., ist volkswirt
schaftlich von geringer Bedeutung; die Möglichkeit, Arbeiten
an entfernten Orten aufzunehmen, ist also vorhanden und
die Tiefbauunternehmer daran gewöhnt.
Die Eisenkonstruktionswerkstätten sind hinsichtlich
Ihres Absatzgebietes in ziemlich weiten Grenzen beweglich.
Einen verhältnismäßig beschränkten Betätigungskreis, z. B.
bis 150 km, haben aber gegenüber den großen Tiefbaufirmen
die Eisenbetongeschäfte, die dieser Beschränkung zum Teil
durch Gründung zahlreicher Tochtergeschäfte abgeholfen
haben, was vielfach zu ungesunden Verhältnissen führte,
örtlich wenig beweglich, weil entweder minder kapitalkräftig,
oder weil durch örtliche Spekulation festgelegt, sind die
meist mittelgroßen Hochbauunternehmungen; ziemlich fest
an die Scholle gebunden sind die unter Ziffer 6 aufgeführten,
größtenteils handwerksmäßig betriebenen Gewerbe.
Wir erkennen also die große Schwierigkeit, die aufzu
wendenden Mittel den breiten Schichten der Gewerbe
treibenden gleichmäßig zuzuführen und sie auf die einzelnen
Bezirke entsprechend zu verteilen, da man bei den groß
zügigen Einrichtungen in erster Linie Ausbau von Bahnen,
Wasserstraßen, Kraftanlagen und dergleichen ins Auge faßt,
für deren Ausführung natürlich ein sehr beschränkter Kreis
von Unternehmern in Frage kommt.
III. Die Aussichten des Baugewerbes nach dessen
Stellung in der Gesamtvolkswirtschaft.
Vom Standpunkt der allgemeinen Volkswirtschaft aus
ergeben sich nun einige beachtenswerte Vergleiche; zunächst
mit den Schätzungen der Einkommensumme des ganzen
Volkes, die meist mit 40 Milliarden Mark angegeben wird,
und der nationalen Herstellung an Sachgütern, nach den
Erzeugungsgebieten geordnet näherungsweise;
Viehzucht, land- und forstwirtschaftliche
Erzeugnisse 13 Milliard, Mk.
Bergbau und Werterhöhungen durch in
dustrielle Herstellungen 16 „ „
Wert- und Preiserhöhungen durch Handel
und Verkehr 4 „ „
zusammen 33 Milliard. Mk,,
welcher Betrag sich unter Zurechnung der den Erzeugungs
kosten zuzuschlagenden mittelbaren Steuern und Lasten
entsprechend erhöht; rechnet man hierzu noch die Ein
kommen der freien Berufe und dienenden sowie Zinsen aus
dem Ausland, so nähert sich dieser Betrag dem der Ein-
kommensumme. (Schluß folgt.)