DER STÄDTEBAU
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teiligung des oldenburgischen Staates zu bauen im Begriffe
steht, fertiggestellt sein werden und damit für diese ganze
Stadterweiterung gewissermaßen ein Kristallisationszentrum
gegeben ist. Die Stadt Rüstringen hat außerordentliche Mittel
aufgewendet, um hier eine hervorragende Anlage schaffen
zu können; für ihre Wirkung ist die vollkommenste Ein
gliederung in den Stadtorganismus eine Grundbedingung,
und diese wird nur erfüllt durch die bestmögliche Verbin
dung mit dem Hauptverkehrspunkt, dem Bahnhof. . . usw.“
Die Verhandlungen sind bis heute noch nicht zum Ab
schluß gekommen, jedoch läßt sich ihr Ergebnis ungefähr
übersehen; der neue Hauptbahnhof mit derEilgüterabfertigung
wird um etwa 700 m westlich an die Landesgrenze ver
schoben, der neue Güterbahnhof um etwa 2000 m in der
selben Richtung. Es liegt auf der Hand, daß beim weiteren
Ausbau der Gesamtstadt bei der großen Ausdehnung des
Stadtgebiets ein Güterbahnhof für alle Zukunft nicht aus
reichend sein wird. In bezug auf die Lage weiterer Bahn
anlagen kann man zurzeit nur Vermutungen haben, die noch
ohne praktischen Einfluß auf die Gestaltung der nächsten
Stadterweiterung sind.
Mit der Verschiebung des Hauptbahnhofes wird im
Innern der Stadt ein großes Gelände frei, und es erwächst
der Stadt Wilhelmshaven die dankenswerte Aufgabe, ein
großzügiges modernes Geschäftsviertel entstehen zu lassen,
für dessen Gestaltung die Stadt durch Übernahme des frei
werdenden Geländes die Bedingungen des Aufbaues bis ins
einzelne festlegen müßte. Die Bedeutung der Aufgabe würde
es rechtfertigen, die Grundlinien auf dem Wege eines Wett
bewerbes zu klären.
Neben dem Fernpersonenverkehr spielt der Nachbar
ortverkehr eine gewisse Rolle. Ein Teil der Werftarbeiter
schaft wohnt in den umliegenden Gemeinden, teils um sich
der Steigerung der Wohnungsmieten in der Stadt zu ent
ziehen, teils um sich die Vorteile des ländlichen Wohnens
zu einer Zeit zu verschaffen, wo eine weitsichtige Wohnungs
politik in den oldenburgischen Einzelgemeinden noch nicht
eingesetzt hatte. So fahren täglich bei Beginn und Schluß
der Arbeitszeiten Werftarbeiterzüge; eine Umfrage bei der
Werft hat ergeben, daß Arbeitswege von einer Stunde und
mehr nicht selten sind.
Spielt somit der Nachbarortverkehr schon eine wenn
auch geringe Rolle in der Aufgabe der Erschließung billigen
Baulandes, so wird die elektrische Straßenbahn immer
bewußter mit Hinblick auf diesen Zweck ausgebaut werden
müssen. Die bestehenden Linien laufen radial in nördlicher
und westlicher Richtung nach Hauptwerft und Hafen. Von
ihnen hat die nördliche schon eine gewisse Bedeutung,
indem sie die Erschließung des Stadtgebiets nach Heppens
und Neuengroden beschleunigt hat. Die nächste zu errich
tende Linie wird — ausschließlich auf Rüstringer Gebiet —
eine Schrägverbindung in der Richtung Hauptbahnhof—
Zentralanlagen—Heppens werden, im Gegensatz zu den
bestehenden Linien, die Gebiete der beiden Städte durchlaufen.
Alle ferneren Linien werden in radialen oder schrägen
Führungen das Stadterweiterungsgebiet mit der Innenstadt
und die einzelnen Stadtteile unter sich zu verbinden haben;
ihre Führung wird wesentlich von den eingangs erwähnten
Grundsätzen geleitet werden, dabei wird im einzelnen zu
beachten sein, daß der Straßenbahn in der Ausgestaltung
des Straßenkörpers solche Bedingungen zu bieten sind, daß
sie eine möglichst hohe Fahrgeschwindigkeit — namentlich
in den Außengebieten — erreichen kann und damit in der
Lage ist, entfernt liegendes Baugelände wirksam aufzu
schließen, Solche Bedingungen sind im wesentlichen:
möglichst schlanke Führung der Hauptstraßen, die Zu
weisung einer eigenen Fahrbahn für die Straßenbahn (Rasen
bahnen), die Anordnung möglichst langer Häuserblöcke
seitwärts der Hauptstraßen und übersichtliche Einführung
der Nebenstraßen in die Hauptstraßen. Wird dann eine
Haltestellenentfernung von 450 bis 500 m gewählt, so lassen
sich Höchstgeschwindigkeiten von 35 bis 40 km in 1 Stunde
und Durchschnittsgeschwindigkeiten von 20 bis 25 km in
1 Stunde erreichen, während die heutigen Reisegeschwindig
keiten in den Innenstädten kaum über 10, in den Vororten
kaum über 12 bis 15 km kommen.
Damit sind bereits die Bedingungen der städtischen
Hauptverkehrsstraßen im wesentlichen festgelegt. Die Haupt
verkehrsstraßen münden aus in die Uberlandstraßen. Wir
haben in unserem Falle drei Hauptrichtungen, nach Norden
(Ostfriesland), Nordwesten (Jeverland) und Westen (Olden
burg). Die Hauptverkehrsstraßen der engeren Stadt bilden
ein klares Netz von im wesentlichen senkrecht zueinander
verlaufenden Straßen mit ergänzenden Schrägstraßen, Eine
solche kurze Schrägverbindung von sehr weittragender Be
deutung führt die Stadt Rüstringen soeben in Gestalt eines
Straßendurchbruches in der Stadtmitte durch, wodurch die
Verbindung des nordöstlichen und südwestlichen Stadtteils
klar hergestellt wird.
IV.
Über das Bedürfnis der nächsten Zukunft hinaus wird
man sich im allgemeinen nur über die Führung der Haupt-
straßenzüge klar werden können. Zu ihnen gehören neben
den Hauptverkehrsstraßen die sogenannten Parkstraßen. Als
solche werden vornehmlich schöne alte Landstraßen aus
zubilden und zu ergänzen sein. Die Parkstraßen sollen
die Parkanlagen und Spielplätze miteinander verbinden und
unter sich geschlossene Systeme ergeben. Für Rüstringen-
Wilhelmshaven sind die bedeutendsten Parkstraßen die
Deichpromenaden, vor denen die Vorlandflächen wunder
volle Tummelplätze unmittelbar an der See bilden. Da
neben bieten alte Landwege mit zum Teil herrlichem Baum
bestand Gelegenheit zur Ausbildung höchst charaktervoller
Promenaden. Wie diese Straßen in sich geschlossene Sy
steme bilden können, wie sie die wichtigsten Grünflächen
miteinander verbinden, stellt der beiliegende Verkehrslinien-
und Grünflächenplan dar.
An Grünflächen besitzt die Stadt Rüstringen eine reiz
volle Parkanlage (Architekt; Leberecht Migge, Blankenese),
Schrebergärten und Spielplätze. Den grundsätzlichen Be
dingungen und den weiteren Ausbau dieser Bestandteile des
modernen Grünflächensystems soll später hier eine be
sondere Studie gewidmet werden.
V.
Die nächste Aufgabe, der sich die Stadtverwaltung
Rüstringen jetzt mit aller Kraft widmet, ist die Schaffung
eines zentralen Stadtplatzes, an dem das neue Rüstringer
Rathaus, zwei Schulen und eine Reihe von anderen öffent
lichen Gebäuden errichtet werden. Die grundsätzlichen
Fragen der Anlage sind durch einen größeren Wettbewerb
im Jahre 1913 und eingehende weitere Bearbeitung gründ
lich geklärt. Die Ausführungspläne werden zurzeit im
Städtischen Hochbauamt endgültig festgestellt.