12. Jahrgang
1915
Heft 6.
67
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DER STÄDTEBAU.
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** NEBST EINER SONDERBEiLAGE: LITERATURBERICHT, HERAUSGEGEBEN VON RUDOLF EBERSTADT **
INHALTSVERZEICHNIS: Die Sladterweiterungen und die Formen ihrer Grünanlagen. Von Harry Maaß, Lübeck. — Karze Bemerkungen über die
sogenannten Verlegenheitsdreiecke. Von Stadtbauinspektor Kalbfus, Altona. — Eine Gartenstadt-Gründung in Siebenbürgen. Architekten H. E.
v. Berlepsch-Valendks, B. D. A., Planegg und P. A. Hansen, B. D. A., München. — Trambahnwartehallen. Von Dr. Hans Schmidkunz, Berlin-Halensee. —
Neue Bücher und Schriften. Besprochen von Theodor Goecke, Berlin. —- Chronik,
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
DIE STADTERWEITERUNGEN
UND DIE FORMEN IHRER GRÜNANLAGEN.
Von HARRY MAASZ, Lübeck.
Heute, wo die Grünanlagen zugleich mit anderen
wichtigen Forderungen im Mittelpunkte der Stadt
erweiterungsfragen stehen, dürften einige Erörterungen
über die grundsätzliche Behandlung ihrer Aufgaben sowie
ihrer Ausdrucksformen — letztere halte ich im Sinne unserer
heimatlichen Pflanzenerscheinungs- und Wachstumsform
für gleich wichtig — am Platze sein. Es muß einmal offen
herausgesagt werden, daß unser Verweilen bei amerika
nischen Parkmustern, so segensreich diese auf unsere Er
kenntnis der Wichtigkeit und des Wertes der Grünanlagen in
volkswirtschaftlicher und sittlicher Hinsicht gewirkt haben
mögen, uns vom Wege zur Erkenntnis alteingesessener
deutscher Grünformen mit starkem Einschlag ihrer Er
scheinung und ihrer grundlegenden Bedeutung für die Stadt
erweiterungen las vorbildlich Deutsche abgebracht hat.
Ihre ersten Spuren führen zurück ins Mittelalter, in jene
Zeit, da den Bewohnern das Wohnen in engen Stadtmauern
unbehaglich wurde, wo jäh das festgefügte Ganze sich dehnte,
sich einen Ausweg suchte aus den Toren hinaus ins Freie.
Da wuchsen um Bürgerweiden an Handelsstraßen entlang
die Wohnhäuser, erst schüchtern, dann gewaltsam aus dem
Boden, und aus „Haus an Haus“ erstanden mit blühenden
Gärten die ersten Gartenstadt-Siedelungen, die ersten Land
hausviertel.
Mit diesen aber zugleich und mit den noch für die Städter
hoch bedeutsamen Angern, mit Baumpflanzungen an der
Landstraße waren die Urformen unseres Stadtgrüns in Grün
fläche und Straßenbaum geprägt. Fast wie ein Wunder
mag es anmuten, daß trotz der über die Fürstenzeit mit ihrer
Anlehnung an den architektonischen Garten (Versailles) und
den daraus von Ingenieuren geschaffenen breiten Straßen
und Plätzen führenden Zeit des sog. englischen Gartenstils
des 19. Jahrhunderts, diese Urformen noch bis auf den
heutigen Tag fast restlos erhalten sind. Hätte uns der Weg
zu unseren heutigen Grünanlagen statt über Amerika über
Hamburg mit seinen Dammtorwiesen, Lübeck mit
seinem Burgtor und über viele andere Städte mehr — ich
denke an Celle mit seiner Trift, die leider mangels klarer
Werterkenntnis in ein Parkgebilde mißlichster englischer Ge
staltungsgrundsätze erst neuerdings „verschönert“ wurde —
geführt, es wäre kaum zu den Aneinanderreihungen jener
als „modern“ empfundenen Formen gekommen, wie sie
allerorten heute entstehen, und die sich überleben müssen,
weil sie nicht den Forderungen und Bedürfnissen entsprechen,
die eine kommende Nachweit an sie stellt. Aber abgesehen
davon; sie sind bar jeglicher Entwicklungsstufe deutscher
Eigenart, deutschen Wesens. So konnte es kommen, daß
Friedrich Bauers Schillerpark, dessen Wesen so ganz
deutsch und heimatlich war, in seinem inneren Wert kaum
erkannt worden ist; so konnte es kommen, daß aus seinem