DER STÄDTEBAU
87
unbekümmert um stehende oder strömende Widerstände,
ihre Sehlinien, — Luftlinien in des Wortes wirklichem und
übertragenem Sinne.
Nun bleibt noch die unmittelbare Nähe des Anblicks.
Die einzige Stelle, die eine volle Nahbetrachtung in einem
gerade noch wirksamen, geringsten Abstand ermöglicht,
bietet sich auf der kleinen Rettungsinsel, dem geplanten
Werke mitten gegenüber (bei F in der Höhe 8,05 auf dem
Lageplan Tafel 48). Hier kreuzen sich im Rücken des
Beschauers zwei ungemein stark beanspruchte Straßen
bahnlinien, hat er knapp vor sich zwei andere Kaistränge
der Straßenbahn. Um ihn brandet in allen Richtungen der
Wagen- und Fußverkehr, ziehen gerade vor dem Monu
mentalwerk die Frachten des Handelsviertels. Selbst in
solcher Nähe, welche die ursprüngliche Absicht der Fern
wirkung ausschließt, ist eine sorglose Betrachtung nur mit
Lebensgefahr verbunden. Von ruhiger Versenkung kann
keine Rede sein. Hat sich aber der Beschauer einmal
hinüber gerettet, dann kann er sich in der seitlichen und
rückwärtigen Umgebung des Bauwerkes, das hinten an das
Kaigeländer stößt und sich auf ungemein gedrängtem Raum
nach keiner Richtung ausleben kann, nur beengt und be
drückt fühlen.
Zuletzt entscheiden noch die Richtungen des Fußver
kehres an dieser Knotenstelle. Er ist hier ohnedies vielfach
bedroht, und die Ausschreibung gesteht das mit halber
Offenheit auch ein, wenn sie den Wettbewerbern zur Pflicht
macht, die bestehenden Verkehrsverhältnisse nicht zu ver
ändern, d. h. nicht noch weiter zu verschlechtern. Dieser
Fußverkehr zeigt als Hauptrichtungen die von den Bürger
steigen des Ringes zur Augartenbrücke. Es sind an dieser
Stelle in überwiegender Masse keine Spaziergänger, sondern
arbeitende Leute, die schnell und geradeswegs nach Hause
kommen wollen. Das Monument wird ihnen dort zum
Weghindernis — wie schon jetzt, wenn auch in geringeren
Maßen, die dort unangebrachten Windungen der Parkwege
in der Kaianlage.
Nach alledem erscheint hier überhaupt nur die Anlage
einer freien Gartenarchitektur der Erwägung möglich, —
wünschenswert aber, daß unter solchen Umständen gar
nichts hinkomme. Die Frage müßte erst anders angepackt,
großzügiger umfaßt, auf die Umgestaltung der ganzen Fläche
von der Augartenbrücke bis zur Ringmündung erweitert,
die beiden Blockenden hier miteinbezogen werden. Es ist
jetzt nicht die rechte Zeit, einen solchen, teueren Privatbesitz
einschließenden Plan von entschlossenem, städtebaulichem
Verständnis in Angriff zu nehmen. Und da das Ganze und
Wesentliche im Augenblick nicht gelöst werden kann, ist
es besser, das Brüchige und Flickwerk fallen zu lassen und
vorderhand beim alten zu bleiben.
EINE GRÜNANLAGE IN SCHWELM I. W.
Von Stadtbaurat BUSSMANN, Schwelm. (Hierzu Tafeln 49—51.)
Im modernen Städtebau sind in den letzten Jahren, wie
ja auf den verschiedenen städtebaulichen Ausstellungen zu
sehen war, erfreuliche Fortschritte zu verzeichnen. Grün
anlagen, Stadtparke u. a. m. sind überall, auch in den In
dustriegegenden entstanden, teilweise unter schweren Kosten
aufwendungen. Ohne besondere technische Schwierigkeiten
gestaltet sich meistens die Anlage solcher Parke und Grün
anlagen vor den Toren und außerhalb einer Stadt oder
Ortschaft; schwieriger werden dagegen die Verhältnisse für
gärtnerische Schmuckanlagen im Innern von Städten, be
sonders wenn sie dichte Bebauung aufweisen. In Schwelm
(Westf.) war es möglich durch das Zusammentreffen ver
schiedenartiger Umstände einen kleinen Stadtpark mitten in
der Stadt zu schaffen. Längs der Wilhelmstraße befand sich
ein alter verfallener Friedhof. Die darauf befindlichen Grab
steine waren keine Kunstwerke; immerhin befanden sich ?
einige bemerkenswerte Denkmäler darunter.
Seit Jahrzehnten diente der alte Friedhof der Jugend zum
Tummelplatz — Erdhöhlen wurden hier angelegt und Spiele
gemacht. Im Jahre 1911 kam nun zwischen der Kirchen
gemeinde als Besitzerin des alten Friedhofs und der Stadt
gemeinde ein Vertrag zustande, nach dem die Stadt den
Friedhof auf 30 Jahre pachtet, um ihn in einen Park um
zuwandeln. Das ist geschehen, die alten Gräber wurden
eingeebnet, Grasflächen und Wege angelegt, und unter den
alten knorrigen Eschen stehen heute Ruhebänke und bilden
das Ziel all derer, die nicht in der Lage sind, einen Haus
garten ihr eigen nennen zu können. Von den allen Grab
denkmälern wurden die wertlosen beseitigt, ein Teil wurde
den Angehörigen übergeben, die sie in ihren Hausgärten
aufstellten. Diejenigen aber, die architektonisch wertvoller
Abb. 3.
Grabdenkmal für Pastor Nonne, Dichter des
Freiheitsliedes: „Flamme empor“.