DER STÄDTEBAU
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damals das Eigenhaus vorgeherrscht, so daß auch die
deutschen Einwanderer in der Neuen Welt an der heimischen
Hausform gleich den Briten festhalten konnten. Noch heute
sind in den älteren Städten ganze Bezirke der Kleinhaus
siedelungen nur von Deutschen bewohnt.
(Schluß folgt.)
DURCHBRUCH KURFURSTENDAMM.
Von THEODOR GOECKE, Berlin.
Unter der Flagge des Architektenausschusses Groß-Berlin
hat Professor Bodo Ebhardt aufs neue die Frage angeregt,
wie die gefährliche Ecke an der Hitzigstraße im Zuge Tier
gartenstraße—Kurfürstendamm zu Berlin umgangen werden
könne. Bekanntlich war schon im Jahre 1905 der Gedanke
aufgetaucht, die Leipziger Straße in gerader Linie bis zum
Kurfürstendamm zu verlängern, indem das sogenannte Tier
gartenviertel zwischen der Bellevue- und Tiergartenstraße
einerseits, der Potsdamer, Königin-Augusta- und Cornelius
straße andererseits der Länge nach aufgeschnitten werden
sollte, beginnend am Potsdamer Platz beim Kaffeehause Josly
und endigend an der Corneliusbrücke des Landwehrkanals.
Diese Durchbruchstraße würde das Gelände des Wilhelms
gymnasiums und die Viktoriastraße durchquert haben, dann
der Margaretenstraße gefolgt sein, um weiterhin die Bendler-,
Regenten-, Hohenzollern- und Friedrich-Wilhelmstraße zu
überkreuzen. Der Plan sah eine Straße von 24 bis 32 m
Breite vor, zum Teil mit Laubengängen für Schauauslagen
der Geschäftshäuser, denn die Straße sollte der gestiegenen
Nachfrage nach Ladengeschäften genügen, die nunmehr in
die Bellevuestraße gedrängt worden sind. Die Errichtung
des Rheingoldbaues und des darauf gefolgten Esplanade
hotels sowie die fortgesetzte Aufschließung der großen Park
anlagen mit alsbald bebauten Privatstraßen haben abgesehen
davon, daß der Stadtgemeinde zunächt die Aufwendung von
rund 83 Millionen Selbstkosten (der Erlös war auf 126 Millionen
berechnet, so daß sich ein Gewinn von 43 Millionen ergeben
sollte) zugemutet wurde, ein näheres Eingehen auf den Ge
danken vereitelt. Daß dieser Gedanke aber etwas Be
stechendes hat, geht daraus hervor, daß er von Professor
Albert Fraenkel in der Beilage „Groß-Berlin“ der Vossischen
Zeitung vom 30. Oktober 1913 wiederum vorgeschlagen wurde.
Mit einem anderen Anfangspunkte hatte bekanntlich auch
Hermann Jansen in seinem Wettbewerbsentwurfe für Groß-
Berlin einen Durchbruch des Tiergartenviertels geplant in
der Absicht, den Potsdamer Platz zu entlasten, indem er
unter Zurückschiebung des Potsdamer Bahnhofs nach Süden
einen Verkehrszug nach dem Osten parallel zur Leipziger
Straße vorschlug, so daß die neue Straße nach Westen hin
mit der Eichhorn- und Margaretenstraße begonnen hätte,
um dann ebenfalls alle die Querstraßen des Tiergartenviertels
zu durchschneiden. Gleichzeitig machte er aber, und zwar
als in erster Linie zu empfehlen, den Vorschlag, von der
Tiergartenstraße aus zwischen Hohenzollern- und Friedrich-
Wilhelmstraße eine Schrägverbindung zur Corneliusbrücke
herzustellen.
Einen ähnlichen Gedanken bietet nun die vorliegende
Schrift, nur mit dem Unterschiede, daß er in fast gerad
liniger Verlängerung der vom Kemperplatze herkommenden
Tiergartenstraße schon von der Bendlerstraße ab eine neue
Straße durchbrechen und da, wo die Fortsetzung der Tier
gartenstraße und diese neue Straße sich gabeln, einen Platz
anlegen will, auf dem unter Umständen ein Kunstaus
stellungspalast zu errichten wäre. Der Vorschlag wird
ebenfalls durch einen Kostenanschlag gestützt, der den Wert
der anzukaufenden Grundstücke auf rund 53 Millionen Mark
ermittelt, von denen durch Verkauf nach Umlegung 32 Mil
lionen wieder eingebracht werden könnten, sodaß die reinen
Grunderwerbskosten rund 21 Millionen betragen würden,
wozu noch die Kosten der Straßenherstellung usw. zu rechnen
wären.
Großzügige Gedanken — das läßt sich nicht leugnen
und auch erfreuliche um deswillen, weil sie uns zeigen,
woran es uns immer noch fehlt! Angesichts der auf der
Leipziger Baufachausstellung wieder ausgegrabenen Pläne
von August Orth, der die Entwicklung Berlins mit sicherem
Blick vorausgeschaut hatte, durfte uns wohl die Empfindung
beschleichen, als ob wir den Mut zu derartigen Planungen
verloren hätten! Denn der Wettbewerb „Groß-Berlin“ und
die darauf gefolgte Städtebau-Ausstellung 1910 scheint fast
die umgekehrte Wirkung gehabt, einen mehr lähmenden
statt anfeuernden Einfluß auf die verantwortlichen Stellen
ausgeübt zu haben, vielleicht weil der Vorschläge zu viele
und zu großartige waren. Der Kleinmut muß aber über
wunden werden, und darum freuen wir uns über die erneute
Anregung. Dem Vernehmen nach sollen im Architekten-
ausschusse noch andere, auch bescheidenere Vorschläge
erörtert worden sein, die dem Verfasser dieser Zeilen un
bekannt geblieben sind. Jedenfalls ist der von Ebhardt als
der beste gutgeheißen worden. Ob dieser aber Aussicht auf
Verwirklichung hat, dürfte mancherlei, in den Tageszeitungen
wie in Fachkreisen laut gewordenen Äußerungen zufolge
immerhin zweifelhaft sein. Die Anregung bringt deshalb
der Öffentlichkeit gegenüber die Verpflichtung mit sich,
weiter zu prüfen, was im Bereiche der Möglichkeit liegt.
Auf die Durchführung einer geraden Linie nach amerika
nischem Muster kommt es wohl weniger an, wenn auch der
Automobilverkehr mehr als jeder andere klarsichtige Straßen-
züge gebraucht. Wie können solche geschaffen werden,
ohne allzugroße Durchbrüche, und ohne den Charakter des
Tiergartenviertels allzustark zu ändern?
Dernburgs Plan, den Landwehrkanal zu überwölben
und darauf eine breite Verkehrsstraße zu legen, ist bekannt.
Doch wer erschrickt nicht bei diesem Gedanken! Wer
einmal den Blick die grüngerahmte Wasserfläche des Kanals
entlanggleiten ließ, wenn sie die untergehende Sonne ver
goldet, der weiß, daß wir diese Schönheit nicht missen
können, gehört sie doch zu den Glanzstücken der Stadt,
deren wir nicht allzuviele haben (Unter den Linden mit
Brandenburger Tor, Luisenstädtischer Kanal mit Michaels
kirche, Berliner Straße in Charlottenburg mit Schloß und
Rathausturm), Doch wäre die Corneliusstraße sowohl als
auch das Lützowufer am Kanal entlang noch einer Ver
breiterung fähig — durch Einschränkung der Vorgärten;