DER STÄDTEBAU
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um die Notbehelfe, die diese nach den Erfahrungen der
Großstadt erfordert.
Das Tiefbauamt der Stadt Berlin hat die Aufgabe, diese
beiden Entwürfe zu einem zusammenzuschweißeu. Man
darf gespannt darauf sein, wie es sich damit abflndet. Es
wird sich wohl oder übel für den einen oder anderen ent
scheiden müssen, will es nicht zu etwas ganz anderem
kommen, das weder der einen noch der anderen Auffassung
gerecht wird. Welchem von beiden die Zeitschrift zuneigt
wird ihren Lesern nicht zweifelhaft sein — hat sie doch
von Anfang an für eine Reform der Wohnweise gekämpft,
und der Verfasser dieser Zeilen insbesondere das grund
legende Schema für eine flache Bauweise im Blockinnern,
das höher bebaute Randstraßen umschließen, geschaffen.
Die dagegen von Jansen angeführten Gründe sind schon
öfter widerlegt worden und werden durch ihre Wieder
holung nicht richtiger. Bei gleicher Einwohnerzahl auf
1 ha verdient eine engräumige niedrige Bebauung allemal
den Vorzug vor einer weiträumigen höheren.
Auch das wirtschaftliche Ergebnis ist, wie eine ver
gleichende Berechnung der Geschoßflächen zeigt, beim
Möhring-Eberstadtschen Entwürfe ein günstigeres, obwohl
der Jansensche die Köpenicker Landstraße vom Dammwege
an bis zur Kanalbrücke unterdrückt. Die dadurch ge
wonnene Fläche und noch etwas darüber wird von den
Freiflächen wieder aufgezehrt, deren Verhältnis zum Straßen
lande übrigens nicht, wie die Druckschrift angibt, 1:1,
sondern 2 :1 beträgt. Um keine irrtümliche Meinung auf-
kommen zu lassen, sei ausdrücklich hierbei bemerkt, daß
die Ostseite des Bebauungsgebietes in seiner ganzen Länge
an den Plänterwald und mit der Parkstraße im Norden an
den Treptower Park grenzt; öffentliche Freifläche ist gerade
in diesem Falle mehr als genug vorhanden. Eigentlich ist
es unverständlich, wie Jansen, der seinen Ruf vornehmlich
den „Ausfallstraßen“ verdankt, darauf verfallen konnte, eine
alte vielbefahrene Chaussee, die Hauptverbindung zwischen
dem Schlesischen Tor und Niederschönweide—Köpenick zum
MITTEILUNG.
D er „City Club“ in Chicago hat einen VfETTBEWERB aus
geschrieben zur Erlangung von Plänen FÜR DIE AUSGESTAL
TUNG VON STÄDTISCHEN NEBENMITTELPUNKTEN
(VORORTEN) IM ERWEITERUNGSGEBIET DER GROSS
STÄDTE.
Wie sich unsere Leser erinnern werden, ist dem seinerzeit von
Professor Henrici zum Münchener Generalbebauungsplan gelieferten Wett-
bewerbsentwurfe zum ersten Male der Gedanke zugrunde gelegt worden,
sowohl die vorhandenen Dörfer und Landhausvororte, als auch neu an
zulegende Siedelungen im Umkreise von München so auszugestalten, daß
sie — obwohl Teile der Großstadt — doch ein individuelles Leben be
halten bzw. erhalten, d. h. als mehr oder minder selbständige Neben
mittelpunkte den Kern der Großstadt als Hauptmittelpunkt umgeben sollen.
Von demselben Gedanken geht der Geschäftsführer des „City Club“ in
Chicago, George E. Hooker, aus, dem wohl die Anregung zu dem oben
erwähnten Wettbewerbe zu verdanken sein dürfte.
Hooker sagt:
Ein Dorf oder eine kleine Stadt nahe der Großstadt bildet einen
natürlichen Nebenmittelpunkt des Stadtkerns in Gruppierung um den
Eisenbahnhof, das Postamt, das Rathaus oder um Kirchen, Schulen und
Vergnügungsstätten aller Art, die in der Regel beisammen liegen, ln
diesen Dörfern oder Städten herrscht stets der Geist eines Gemeinwesens.
Teil oder gar ganz aufheben und durch die Neue Krug-Allee
ersetzen zu wollen. Diese geht am Plänterwald entlang
und würde als alleinige Verkehrsstraße bald dem Schicksale
der Tiergartenstraße verfallen, die doch heute mit ihrem
unaufhörlichen Automobilgesause wohl von niemand mehr
als Parkstraße angesehen wird; ihr diesen Charakter
wiederzugeben strengen sich die gewiegtesten Köpfe an,
etwa da, wo in Treptow die Köpenicker Landstraße liegt,
einen neuen Verkehrsweg durchzubrechen, da die Char
lottenburger Chaussee, auf die Jansen hinweist, keine Ent
lastungsstraße für die Tiergartenstraße ist, auch nicht sein
kann, weil zwischen ihr und der Tiergartenstraße eben der
Tiergarten und keine Bebauung liegt. Im Gegenteil, wenn
die Köpenicker Landstraße nicht da wäre, müßte sie im
Interesse des Plänterwaldes und der angrenzenden Bebauung
trotz der beklagten Länge eigens geschaffen werden.
Im einzelnen bieten beide Entwürfe viele Schönheiten
— sie stellen eben den künstlerischen Ausdruck der prak
tischen Voraussetzungen dar. Verfehlt erscheint allerdings
der Vorschlag von Jansen, die Schnellbahn nach derWuhl-
haide jenseits der Spree auf einem Damm mitten durch den
Plänterwald zu fuhren. Daß hier die schmälste Stelle der
Spree zu überbrücken sein würde, kann allein nicht den
Ausschlag geben. Die von Eberstadt-Möhring vorgeschlagene
Stelle für die Überbrückung ist mit Rücksicht auf den Wald
zweifellos die vorteilhaftere — es scheint aber auch, als ob
überhaupt die dahin führende Linie der Schnellbahn in der
Kiefholzstraße zweckmäßiger Hegen würde, was auch Jansen,
wenngleich als wohl kaum ausführbare Untergrundbahn an
zweiter Stelle vorschlägt, während M.öhring-Eberstadt sie
als billigere Hochbahn planen.
Das Studium der Schrift kann jedem, der sich mit dem
Städtebau beschäftigt, nur empfohlen werden. Gut aus-
gestattet im Druck, mit zwei Textbildern und sieben Tafeln
neben den beiden farbig behandelten Bebauungsplänen auf
Doppeltafeln, ist sie über die örtliche Bedeutung hinaus eine
wertvolle Bereicherung der städtebaulichen Literatur.
Bis zu einem gewissen Grade trifft dies auch für neue Vororte zu. Evan-
ston und andere Gemeinden im Norden von Chicago, Oak Park im Westen,
haben eine jede für sich individuellen Gemeinsinn. Der Wunsch, ihre
Eigenart aufrechtzuerhalten, bildet einen der stärksten Gründe dafür, daß
außenliegende Vorstädte zögern, zu Teilen der Großstadt zu werden. Zwar
fahren Stadtteile, die ursprünglich selbständig waren, wie Austin, Hyde
Park und Woodlawn auch nach ihrer Eingemeindung noch fort, Nebcn-
mittelpunkte zu bilden. Doch die älteren sind schon eine unbestimmte
Masse geworden ohne jede Individualität. Es entwickeln sich da wohl
Geschäftsmittelpunkte, Vergnügungsmittelpunkte und sonstige Mittelpunkte
verschiedener Art, aber mehr durch Zufall und zuweilen auch nicht an
der richtigen Stelle in bezug auf das Nachbargebiet. Andererseits zeigt die
Erfahrung in den größten Städten, wie London und New York, daß zu
einem gewissen Zeitpunkte sich wieder eine Dezentralisation als notwendig
erweist. Es fragt sich nun, ob nicht von vornherein durch die Schaffung
bzw. Erhaltung von Nebenmittelpunkten eine organische Lösung der Groß
stadtbildung herbeigeführt werden kann. Würde es erat den Vororten,
deren noch ai um Chikago herumliegen, ermöglicht eine gewisse örtliche
Selbständigkeit zu bewahren, so dürften sie leichter geneigt sein, sich von
der Großstadt eingemeinden zu lassen.
Die Aufgabe besteh' :i darin, typische Lösungen für die Ausge
staltung individueller St^.teüe zu finden. Ein solcher Mittelpunkt soll