DER STÄDTEBAU
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Ägypten naturgemäß nicht allzureichlich fließen, erzählt das
Buch schon hier viel Anziehendes von sicher bezeugten Wein -
und Gemüsegärten in diesem alten Kulturreich, von Tempel
gärten, zu denen ägyptische Schiffe die Weihrauchbäume
aus fernen Landen auf Geheiß einer schönheitsliebenden
Königin holten, ünd von so vielem anderen.
Westasien, dem das zweite Kapitel gewidmet ist, enthält
auch heute noch Gärten und Grabanlagen, die im Lauf von
Jahrtausenden nur wenig abgeänderte Typen darstellen.
Das aus Literaturstellen und erhaltenen Baudenkmälern
Herangezogene kann so dem Leser wirkungsvoll durch die
Photographie nahe gebracht werden. Die im Altertum ge
rühmten hängenden Gärten haben noch heute Nachfahren
im „Garten des Throns“ in den gesegneten Gefilden von
Schiras. (Aus Diodors Schilderung solcher Anlagen auf
gewölbten Terrassen sind beachtenswerte technische Einzel
heiten über die Isolierung dieser Gewölbe gegen die Feuchtig
keit der auflagernden Humusschicht zu entnehmen.) Die
Ausführungen über die Buddhagärten in Innerasien und auf
Ceylon, wie sie in den letzten Jahrzehnten von den Engländern
erfolgreich ausgegraben sind, verdienen die größte Beachtung,
weil hier schon manches, — wie „der heilige Baum“, —
seine Wurzeln hat, was sich wie ein roter Faden durch
die ganze Kunstgeschichte zieht.
Bei den gründlichen Ausgrabungen im hellenischen
Sprachgebiet hat man nach der Verfasserin bisher zu wenig
das Augenmerk auf die Gartenanlagen gerichtet. Immerhin
mangelt es auch hier durchaus nicht an Stoff. Neben dem
schon im Homer genannten Hausgarten treffen wir — hier
wohl zum ersten Male — eine öffentliche Gartenpflege und
daneben in den „Peristil- und Philosophengärten“ Garten
typen, die später in anderer Form häufig wiederkehren.
So vielerlei das Kapitel „römische Gartenpflege bringt,
für uns Deutsche bleibt doch wohl das Bemerkenswerteste
auf diesem Gebiet das, was fern von der Hauptstadt Rom
im unterjochten Germanien, besonders im Moseltal, damals
entstand und sich in Resten vorgefunden hat, wie die weit
räumig angelegten Villen bei Wittlich und Tetnig. Man
gewinnt hier von dem Wohnen des begüterten römischen
Edelmanns auf dem Lande ein ganz neues Bild.
Angenehm bei dieser ausführlichen Abhandlung ist die
Flüssigkeit des Vortrags, die eigentlich an keiner Stelle das
Gelesene trocken erscheinen läßt. Eingestreute Anekdoten
helfen, besonders bei den uns fremden Kulturen, besser als
langatmige Erklärungen dazu, in ihr Wesen einzudringen.
Byzanz und das Gebiet des Muhammedanlsmus wird
uns in dieser Weise in Wort und Bild in den beiden folgenden
Kapiteln nahe gerückt; überall ist das Eigenartige heraus
gearbeitet und auf sein Weiterleben in späteren Zeit
abschnitten hingewiesen.
Freilich schmal nur war die Brücke, die von der
römischen Gartenkunst hinüberführt zu dieser Kunstübung
unter den abendländischen Völkern des Mittelalters, Die
Ostküste Italiens, abgelegen von der großen Heerstraße der
germanischen Wanderungen, enthielt nur noch dürftige
Reste antiker Gärten; Aber immerhin noch so viel, daß die
Gartenkunst sich von dort in die Klostergärten retten konnte,
wovon wir mannigfache, in dem Buch wiedergegebene Zeug
nisse in Wort und Bild besitzen. Für die Gestaltung des
bescheidenen mittelalterlichen Hausgartens in Deutschland
bietet die gleichzeitige Tafelmalerei bemerkenswerte An
haltspunkte.
Auch dem, der Italien nicht kennt und der Renaissance
dort kein besonderes Interesse bisher entgegengebracht hat,
muß beim Lesen des Abschnitts „Italien im Zeitalter der
Renaissance“ das Herz aufgehen für all das Schöne, was
vom 15. Jahrhundert ab auf dem Boden der römischen
Kultur erwuchs.
Mit den hier entstehenden glänzenden Villenbauten treten
auch auf dem Gebiet der künstlerischen Gartengestaltung
einzelne Künstlerpersönlichkeiten auf, die auch sonst als
führende Geister gelten, Alberti, Michelozzo und andere.
Das, was dieses Kapitel auszeichnet, ist die Fülle des hier
gleichzeitig gegebenen rein Architektonischen. Erst bei der
gleichzeitigen Wiedergabe der Umgebung so mancher
baulich hervorragenden Schöpfung lernt man die Größe und
den Gedankenreichtum des Erreichten oder nur Angestrebten
erkennen und bewundern. Dieser Abschnitt ist beinahe ein
Sammelwerk der profanen Renaissancebaukunst zu nennen.
Viel ist ja auch hier in Italien der Zeit oder der Mode zum
Opfer gefallen. Aber da, wo der heutige Zustand kaum
mehr die zugrunde liegende Idee erkennen läßt, helfen
vom 15. Jahrhundert an zeitgenössische Stiche unsere Vor
stellung beflügeln. Das, was noch erhalten, wird von der
Verfasserin in vorzüglichen Lichtbildern vorgeführt.
Das Werk ist bei Eugen Diederichs in Jena verlegt
worden. Das verbürgt eigentlich schon eine würdige Aus
stattung; das muß aber an dieser Stelle noch einmal be
sonders hervorgehoben werden. Die Wiedergabe von Stichen
und Zeichnungen ist durchweg klar und schön, ebenso wie
die der Lichtdrucke. Vielleicht geht es manchem Leser so,
daß er in den späteren Buchabschnitten anfangs das Über
handnehmen von Stichen aus der Zeit des gerade behandelten
Zeitabschnittes gegenüber Photographien als weniger an
sprechend empfindet. Allein die mitderRenaissance,besonders
in Frankreich, und mit der Zeit des Barock auftretenden in
den Text eingestreuten Stiche verdienen doch den Vorzug.
Sie sind von den damaligen Architekten und Stechern aufs
feinste durchgearbeitet und sind dadurch belehrender als
es das Lichtbild sein kann. In ihnen ist von vornherein
das Wesentliche hervorgehoben, und gerade das muß bei
dem Anschauungsstoff einer Entwicklungsgeschichte be
grüßt werden. Dabei sind diese Gravüren namentlich bei
den Meistern des 18. Jahrhunderts oft von einer Feinheit,
welche die Betrachtung uns ihrer selbst willen als einen
Genuß erscheinen läßt. Die Darstellung der Architektur
in ihrer Verbindung mit der Landschaft kann manchmal
als vorbildlich für das Zasammenärbeiten dieser beiden im
modernen Städtebau wiederkehrenden Faktoren bezeichnet
werden.
Der Höhepunkt — vom Standpunkt des Architekten
und, wie das von Seite zu Seite mehr zutage tritt, auch
von dem der Verfasserin — auf den alles hindrängt, die
Vollendung, für welche auch der italienische Garten mit der
in ihm liegenden Vornehmheit und Feinheit nur eine geist
volle Vorbereitung bedeutet, ist dann der Architekturgarten
des 17. und 18. Jahrhunderts, der in den Schloßanlagen
Frankreichs und in Nachfolge dessen fast in ganz Europa
seinen höchsten Glanz erreicht.
Schon die Behandlung des Gartens zur Zeit der
Renaissance nicht nur in Italien, auch bei den übrigen
romanischen sowie den germanischen Völkern sind breite
Kapitel gewidmet. Aber mit gesteigerter Teilnahme weil
mit den gegenwärtigen Bauaufgaben sich berührend verfolgt