DER STÄDTEBAU
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bau geht selten ohne Mehrkosten ab, und da der alte Fiskus
noch immer lebt — wie das geflügelte Wort besagt — und
Geschäftsmann ist, sträubt er sich, so lange es geht.
Was muß und darf nun der moderne Städtebau dem
gegenüber fordern?
Zunächst Abänderung der gesetzlichen Bestimmungen
und zwar in erster Linie des gänzlich veralteten § 4 des
Eisenbahngesetzes, sowie der §§ 14 und 22 des Enteignungs
gesetzes, soweit es sich um Anlagen des Staates handelt,
und Hand in Hand damit eine gesetzliche Regelung des
landespolizeilichen PrüfungsVerfahrens.
Im Jahre 1911 gab die Staatsregierung dem jahrelangen
Drängen im Abgeordnetenhaus zum erstenmal nach und
legte einen Gesetzentwurf betr. die Abänderung des Eisen
bahngesetzes vor. Das geschah aber erst, nachdem in den
Kommissionsverhandlungen sich die Abgeordneten hatten
bereit finden lassen, eine Änderung des § 4 nicht mehr wie
früher zu fordern. Der Gesetzentwurf brachte deshalb auch
so gut wie nichts. Zunächst sollte in einem neuen § 4a
das landespolizeiliche Prüfungsverfahren entsprechend dem
schon jetzt geltenden Usus gesetzlich geregelt werden. Dann
sollte durch einen neuen § 14 a als Fortschritt gegen früher
für den Fall, daß ira landespolizeilichen Prüfungsverfahren
eine Einigung über erhobene Einwendungen nicht zustande
kam, die Möglichkeit einer zweiten Vorprüfung durch den
Bezirksausschuß geschaffen werden. Dieser sollte aber
nicht entscheiden, sondern lediglich ein „Gutachten“ unter
Zuziehung Sachverständiger abgeben. Schließlich sollten
noch durch einen neuen § 14 b Bestimmungen über die
Tragung von Kosten bei einer Änderung von Bahnanlagen
nach der Inbetriebnahme einer Bahn getroffen werden mit
der Maßgabe, daß letztinstanzlich über die Kostenverteilung
zu entscheiden haben: „Der Arbeitsminister, der Finanz-
minister und der Minister des Innern im Einvernehmen mit
dem Bezirksausschuß“. Es würde zu weit führen, diese
Abänderungsvorschläge hier einer Kritik zu unterziehen; es
genügt festzustellen, daß der Minister danach nach wie vor
Richter in eigener Sache bleiben würde und daß die Kom
mission eine Änderung lediglich derart vornahm, daß der
Bezirksausschuß in der neuen Vorprüfung wenigstens ent
scheiden konnte.
Selbst hiergegen wandte sich der Arbeitsminister, ob
wohl er doch nach dem in Geltung bleibenden § 4 in letzter
Instanz endgültig, d. h. gegebenenfalls auch gegen das Urteil
des Bezirksausschusses entscheiden konnte.
Da der Gesetzentwurf im Jahre 1911 seine Erledigung
nicht fand, ist er in diesem Jahre erneut in der alten
Fassung vorgelegt worden und harrt nun seiner Erledigung.
Ich bin der Ansicht, daß es ja gewiß ein Fortschritt
sein würde, wenn wenigstens in der Zwischeninstanz der
Bezirksausschuß entscheiden könnte, weil anzunehmen ist,
daß ein Urteil mehr beachtet wird als ein Gutachten, wie
es sich der Minister gedacht hatte, ich bin aber der Ansicht,
daß die alte Forderung einer Änderung des § 4 unbedingt
aufrecht erhalten werden muß. Meiner Ansicht nach muß
an Stelle der letztinstanzlichen Ministerialentscheidung, die
leider in begreiflicher Absicht regierungsseitig auch bei
dem zurzeit dem Landtag vorgelegten Wasserstraßen-
Gesetzentwurf vorgesehen ist, unbedingt der Spruch einer
besonderen, unabhängigen Zentralinstanz treten. Das ganze
Verwaltungsstreitverfahren wäre zu umständlich und der
Sache selbst daher nur hinderlich. Ebenso wie jetzt nach
der Planoffenlegung in schnellem Verfahren der Minister
den Plan landespolizeilich feststellt, muß dies in Zukunft
eine unabhängige Zentralinstanz tun, in der neben Ver
tretern der beteiligten Ministerien auch unabhängige, an
erkannte Fachleute auf dem Gebiete des Eisenbahn- und
Städtebaus vertreten sind.
Für den Fall, daß dann erhobene Einsprüche letzten Endes
von der Zentralinstanz als berechtigt anerkannt werden und
dadurch eine Änderung oder gar völlige Umarbeitung des
Entwurfs bedingt wird, muß diese eben erfolgen und das
landespolizeiliche Prüfungsverfahren bis zur Vorlage neuer
Pläne ausgesetzt werden. Die in der Zentralinstanz ver
tretenen Eisenbahn-Fachleute werden Gewähr dafür bieten,
daß unzweckmäßige Änderungsvorschläge nicht weiter ver
folgt, andererseits aber auch die Entwurfsänderung nicht mit
Schlagworten wie „aus Gründen des Betriebes“ oder „mit
Rücksicht auf die schwierigen Betriebsverhältnisse“ sowie
„Gründen der Betriebssicherheit“ usw. bekämpft wird.
Erst wenn der Entwurf in solchem Verfahren landes-
polizeilich genehmigt ist, darf er meines Erachtens mit dem
Antrag der Kostenbewilligung an den Landtag gehen. Dann
sind die Abgeordneten eher in der Lage, ein Urteil zu fallen
als jetzt. Sehr erwünscht wäre ferner, daß im Landtag und
besonders in der ungemein wichtigen Eisenbahn - Budget
kommission endlich ein Eisenbahnfachmann seinen Einzug
hielte. Es wird und kann den Abgeordneten nur erwünscht
sein, wenn sie nicht nur die Vorträge der Regierungs
vertreter, sondern auch die Ansicht unbeteiligter Sach
verständiger hören können, ehe alljährlich die vielen
Millionen bewilligt werden.
Angenommen selbst den Fall, das neue Verfahren ver
ursache dem Eisenbahnfiskus mehr Kosten als seither ~
diese Mehrkosten dienen meines Erachtens der Allgemein
heit, dienen zur Lösung wichtiger sozialer Aufgaben, die
nicht immer und immer wieder abgewälzt werden können
auf die Gemeinden.
Erst wenn das erreicht ist, wenn Städtebau und Eisen
bahnverwaltung als gleichberechtigte Faktoren anerkannt
sind, wenn endlich die Aufgaben der Eisenbahnverwaltung
mit etwas weiterem Gesichtskreis betrachtet werden, als
demjenigen, der durch die eisenbahnfiskalischen Grenz
pfahle umschrieben wird, können wir hoffen, daß unsere
Forderungen Gehör finden. Welcher Art die sind? Die
Beispiele haben Ihnen gezeigt, daß sie sehr mannigfaltiger
Art sein können, und dennoch lassen sie sich unter einigen
großen Gesichtspunkten zusammenfassen.
In erster Linie fordern wir Rücksicht auf die
Verkehrsverhältnisse der Gemeinden.
Die neuzeitlichen Verkehrsverhältnisse der Großstädte
mit ihren ständig wachsenden Aufgaben in der Schaffung
ausgedehnter gesunder Wohnviertel fordern ebenso An
passung der Eisenbahnen an deren Sonderheiten wie der
wachsende Verkehr der Klein- und Mittelstädte.
Ich erwähne nur die Schnellbahnen, Klein- und Straßen
bahnen, Autostraßen und Verkehrsstraßen. Und wenn es
sich, wie in den meisten Fällen, um Über- und Unter
führungen handelt, muß gefordert werden, daß die Eisen
bahnverwaltung endlich einsieht, daß die alten Abmessungen
bei Neubauten keinen Maßstab für diese abgeben können,
daß die Breite des neuen Bauwerks vielmehr so zu be
messen ist, daß sie dem jetzigen und dem in absehbarer
Zeit zu erwartenden Verkehr genügt.