DER STÄDTEBAU
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doch nichts gebessert» was mit den unabstellbaren Mängeln
des Haustypus und der Wohnweise des Massenmietshauses
zusammenhängt.
V.
Die Kleingartenbestrebungen in Stadt und Land, ein
Gebiet von großer städtebaulicher und wohnungspolitischer
Bedeutung, werden auf Anregung der Zentralstelle für Volks
wohlfahrt in einer neuen Untersuchung behandelt. 1 ) Der
Bearbeiter des Berichts, Prof. J. Kaup, bietet ein über
raschend umfangreiches Material, das erstmalig eine voll*
ständige Übersicht des Gegenstandes ermöglicht. In der
einleitenden Darlegung geht Kaup von dem neuzeitlichen
städtischen Wachstum aus und zieht hierbei bemerkens
werte Vergleiche mit dem Ausland. Die Schichtung der
Bevölkerung, die Haustypen und die Wohnweise werden
unter Mitteilung zahlreicher Angaben über Hausgärten,
Gartenbenutzung und Gartenflächen geschildert. „Über
blicken wir das Ergebnis aller dieser Angaben, so ist für
die Großstädte ein Mangel an Hausgärten eingetreten, der
ein abschreckendes Dokument für die Verringerung des
Lebensraumes der Familien darstellt.“ In Ergänzung dieser
Ausführungen sei auf die oben Januarheft S. 2 wiedergegebene
Erörterung von Vogts-Mainz über Gärten und Freiflächen
In der älteren Zeit und meine daran anschließenden Be
merkungen verwiesen. Die Surrogatkunst des neueren
Städtebaues wird von Kaup a, a. O, S. 39 ff. richtig gekenn
zeichnet, — In den folgenden Abschnitten erörtert Verfasser
die Anlegung von Gärten, die nicht in Verbindung mit den
Wohnungen stehen, wobei eine Reihe von verschiedenen
Formen — Einzelgärten, Pachtgärten, Laubenkolonien,
Schrebergärten — besprochen wird. Die gemeinnützige
Tätigkeit in der Kleingartenfürsorge wird in einem besonderen
Abschnitt von Dr. Altenrath, die Gartenarbeit für Jugend
liche von Dr. Michalke behandelt.
Eine dankenswerte Untersuchung veröffentlicht Dr. Friedr. Coenen
in einer kleinen, vom Ansiedlungsverein Groß-Berlin herausgegebenen
Schrift. 2 ) Verfasser erörtert die Bedeutung der Laubenkolonien für die
Großstadt und schildert in knappen Zügen und an der Hand des von
ihm gesammelten Tatsachcn-Materials die Verhältnisse, die sich in Groß-
Berlin entwickelt haben. Gegenüber den Mißständen bringt Coenen eine
Reihe beachtenswerter Reform Vorschläge und befürwortet die Begründung
einer auf gemeinnütziger Grundlage stehenden, aber durchaus den Charakter
der Selbsthilfe wahrenden Organisation zur Förderung der Kleingarten
bestrebungen,
Die Deutsche Gartenstadtgesellschaft bringt eine Ver
öffentlichung, die in bester Weise geeignet erscheint, der auf
strebenden Gartenstadtbewegung neue Freunde zu werben. 3 )
In einem schmucken Band hat die Gesellschaft alles zu
sammengetragen, was über den Gartenstadtgedanken wissens
wert ist und die Bedeutung unseres Siedlungswesens für
weite Kreise klarzustellen vermag. Ein einleitender Abschnitt
unterrichtet über die Geschichte und den Stand der Garten
stadtbewegung. Ausführlich werden alsdann unter Beigabe
zahlreicher Abbildungen die deutschen Gartenstädte ge-
l ) Schriften der Zentralstelle für Volkswohlfahrt, Fatniliengärten
und andere Kleingartenbestrebungen in ihrer Bedeutung für Stadt und
Land, von Prof. Dr. J. Kaup, mit Beiträgen von Dr. J. Altenrath und
Dr. O. Michalke, Berlin (Heymann) igxa, XXV und 30a S. 8°,
*) Ff ied. Coenen, Das Berliner Laubenkoloniewesen, seine Mängel
und seine Reform, herausgegeben vom Ansiedlungsverein Groß-Berlin,
Göttingen (Vandenhoeck & Ruprecht) xgxx. 40 S. 8°.
3 ) Die deutsche Gartenstadtbewegung, Berlin-Schlachtensee (Garten
stadt-Gesellschaft) 1911. VI und xx« S. 8 a .
schildert. Ein zweiter Abschnitt erörtert die neuen Siedlungs
formen in ihren Beziehungen zu den verschiedenen Gebieten
des öffentlichen und privaten Lebens. Eine Reihe hervor
ragender und berufener Fachleute hat sich zu dieser sozial
politisch bedeutsamen Darlegung zusammengefunden.
Von der Gartenstadt Hellerau ist ein Sonderbericht
erschienen, der die Geschichte und Entwicklung dieser
neuen Siedlung behandelt.') Die textlichen Erläuterungen
geben Aufschlüsse über die Begründung und den Ausbau
von Heilerau. Vortrefflich sind die der Schrift beigegebenen
Abbildungen, deren Zahl 130 beträgt. Die Namen der Archi
tekten, die in Hellerau tätig waren, sind zur Genüge bekannt
und bedürfen hier nicht der Aufzählung. Die Gesellschaft
hat in ihrem Bericht eine schlechthin vorbildliche Zusammen
stellung neuerer Lösungen auf dem Gebiete des Kleinhaus
baues geschaffen.
Für di« Aufgaben der ländlichen Siedlung sei auf eine kleine Schrift
hingewiesen, die zum 25. Jahrestage der Einsetzung der Königlichen An
siedlungskommission für Westpreußen und Posen erschienen ist. 2 )
Unter den Beiträgen ist namentlich eine Abhandlung von Baurat Paul
Fischer, Landschaftsbild und Ansiedlung, zu erwähnen. Fischer be
handelt die bautechnischen Grundlagen der Siedlung und des Bebauungs
planes, die Stellung der öffentlichen Gebäude und die einzelnen Haus
formen in trefflicher Weise: eine Anzahl von Abbildungen aus der Bau
tätigkeit des Siedlungswerkes ist beigefügt.
Für die bautechnische und wirtschaftliche Behandlung
des Wohnungswesens bietet eine Schrift von Baurat
Adalbert Keim wertvolle Angaben. 3 ) Wir gebrauchen
für unseren neuzeitlichen Kleinwohnungsbedarf sowohl die
Mietwohnung wie den eigenen Hausbesitz. Verfasser be
fürwortet die Bauform des Individualhauses und behandelt
eingehend die Frage der Baukosten, des Haustypus und der
Bodenerschließung. Für die Praxis von Bedeutung sind
vor allem die Berechnungen, die Keim bei dem Vielwohnungs
haus hinsichtlich derjenigen Ausgaben anstelit, die ich als
„tote Aufwendungen“ bezeichnen möchte. Hierher ge
hören die für die Zugänglichmachung der verschiedenen
Wohnungen erforderlichen gemeinsamen Anlagen, wie Flure,
Durchgänge, große Treppenhäuser (vgl. meine „Neuen
Studien“ S. 173); ferner das Erfordernis stärkerer Grund
mauern, größerer Mauerstärken und Dachkonstruktionen.
Durch die Unterscheidung der bautechnischen Einzelheiten
gelangt Verfasser zu der Aufstellung des Gegensatzes
zwischen „bebauter Fläche“ und „nutzbarer Fläche“. Für
beide Größen werden nun Berechnungen angestellt; in
einer Reihe lehrreicher Tabellen teilt Verfasser das Er
gebnis mit, das für die Baupraxis zweifellos von erheblichem
Wert ist. Das Kleinhaus ist bei geeigneter Ausführung als
die wirtschaftlichere Bauform anzusehen.
Verfasser gibt weiterhin eine Reihe dankenswerter aus
der Erfahrung geschöpfter Anregungen für den Kleinhaus
bau; erwähnt sei der von Keim vorgeschlagene Verband
für die Umfassungsmauern, der aus zwei hochkantig ge
stellten Außenschichten und einer flach gelegten Innenschicht
*) Gartenstadt Hellerau, ein Bericht Uber den Zweck, die Organisation,
die Ansiedlungsbedingungen, die bisherigen Erfolge und die Ziele, Hellerau
(Gartenstadt Verlag) xgxx, 71 S. 4 0 .
2 ) 25 Jahre Ansiedlung. Zum 25. Jahrestage der Königl, Ansiedlungs
kommission für Westpreußen und Posen in Posen 1886—igii, Heraus
geber Stadtbibliothekar Dr. Georg Minde-Pouet; Lissa (Eulitz) igxi.
56 S. 4°.
3 ) Adalbert Keim, Beiträge zur Wohnungsreform unter besonderer
Berücksichtigung des Kleinwohnungsbaues, Jena (Fischer) 1911. IV und
244 S. 8°.