DER STÄDTEBAU
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Mietgruppe von 201 bis 300 Mk. entfällt. Gleichwohl sind g,C °/ Q aller
Wohnungen in der Miete gesteigert worden, während nur 4,2 % der
Wohnungen in der Miete ermäßigt wurden (Bericht für 1911 S. 5).
Dem Statistischen Jahrbuch der Stadt Dresden ent
nehmen wir eine Tabelle, die die Veränderungen in dem
Bestand der leerstehenden Wohnungen für den Zeitraum
1905 bis 1910 mitteilt: 1 )
Die leerstehenden Wohnungen in Prozenten der vorhandenen Wohnungen
1905
1906
1907
Mai
1907
Oktbr.
1908
1909
1910
6,82
5.79
4.57
3.8o
2.57
1,92
J.07 °i0
Der Rückgang des Jahrfünfts ist ungemein stark. Der
Verlauf der Kurve für Dresden zeigt ferner, daß Wohnungs
markt und Wohnungsherstellung in den deutschen Groß
städten sich während des gleichen Zeitabschnitts in ver
schiedener Weise und unabhängig voneinander entwickeln.
Bei Unterscheidung der Größenklassen verteilen sich die
leerstehenden Wohnungen des Jahres 1910 in folgender Weise:
Wohn-!
räume
1
2
3
4
5
6
7
8
9
10
II u.
mehr
°/o
2,15
1,85
0,66
0.58
1,07
1,89
2,34
3,35
3,66
3.05
a, 80
Den geringsten Stand an Leerwohnungen hat die Klasse
von 2, 3 und 4 Räumen aufzuweisen, während bei der großen
Wohnung von 7 Räumen aufwärts größere Bestände vor
handen sind.
Eine neuere Veröffentlichung des Posen er Statistischen
Amtes, die die Wohnverhältnisse untersucht, bringt eine
Reihe bemerkenswerter Ergebnisse. 2 ) Infolge der Ein*'
gemeindung von Vororten und der Niederlegung der Festungs
wälle wurden für die Stadterweiterung große Geländeflächen
zur Verfügung gestellt. Die Geländezufuhr brachte indes
namentlich für die Kleinwohnung eine Vermehrung der großen
Hausforraen und ein Vordringen des Massenmietshauses.
Die Behausungsziffer hat im Jahre 1905 49, im Jahre 1910
bereits 51,8 betragen; gie wird heute nur noch von Berlin
und Breslau übertroffen. Auch in Posen ergibt es sich, daß
die ungünstige Entwicklung des Wohnungswesens sich in
den Neubaubezirken, auf reichlichem und ursprünglich
billigem Gelände vollzieht.
Als eine bedeutsame Neuerung der von Dr. Franke be
arbeiteten Statistik ist der Versuch zu betrachten, die Be
legung der zum Schlafen benutzten Räume zu ermitteln.
Die Ergebnisse der Untersuchung sind recht ungünstig.
Wiederum sind es die Neubaubezirke, die die stärkste
Überfüllung aufweisen. Nicht die Altstadt und die alte ein
gezwängte Festungsstadt zeigen die schlimmsten Verhält
nisse. Die weiten, billigen, künstlich hochgetriebenen Ge
ländeflächen der Außenbezirke bringen die Mietskaserne,
die Mietssteigerung, die schlechten Haus- und Besitzformen
und die Verschlechterung der Wohnweise, Das herrschende
System des Städtebaues, nicht etwa der einzelne Haus
besitzer, trägt Schuld an dieser ungünstigen Entwicklung.
’) Statistisches Jahrbuch der Stadt Dresden für 1910, 12. Jahrgang.
Ketausgegeben vom Statistischen Amt der Stadt Dresden (von Zahn
& Jaensch sgiz, XU und 290 S. 8°.
a ) Dr. Bernhard Franke, die Wohnungsverhältnisae in Posen Ende
1910. Beiträge zur Statistik der Residenzstadt Posen No. 2, Posen 1912,
35 S. gr. 4 0 ; vgl. hierzu die Besprechung Preuß. Jahrbücher Bd. 149,
H. a, S. 257 ff.
In der von Dr. Ernst Cahn verfaßten Schrift über die
Wohnungsnot in Frankfurt a/M. werden mehrfach An
schauungen ausgesprochen, die allgemeine Zustimmung
finden dürften. 1 ) Die Erörterungen über das übermäßige
Ansteigen des Bodenpreises, über die Handhabung des Be
bauungsplanes und einzelner Teile der Bauordnung werden
schwerlich auf Widerspruch stoßen. Anderen Teilen der
Schrift wird man dagegen wesentliche Einwendungen ent
gegenstellen müssen. Dr. Cahn ist der Meinung, daß der
„kleine Unternehmer“ ungeeignet sei für die Produktion von
Kleinwohnungen; eine Annahme, der man nicht oder nicht
allgemein beitreten wird. Mit zutreffenden Gründen ist
die entgegengesetzte Auffassung von Dr. Schiele und ins
besondere von Dr. Mewes, Januarbericht S. 6ff., vertreten
worden. Auch liegt in den Ländern, die eine zureichende
und regelmäßig verlaufende Kleinwohnungsproduktion haben,
der Kleinwohnungsbau zu einem erheblichen Teil in den
Händen von kleinen Unternehmern. Wenn vollends Dr. Cahn
a. a. O. S. 23 das Erlahmen der Bautätigkeit in Frankfurt a/M.
darauf zurückführt, daß in der äußeren Zone der Außenstadt,
wo Fuchs und Hase einander gut Nacht sagen, für ein
Kleinhaus von zwei Geschossen, enthaltend zwei Wohnungen
von je 3 Zimmern und Küche, die Baukosten 25200 Mk.
betragen und daß zu einem solchen Häuschen von 120 qm
bebauter Fläche „im Minimum“ 600 qm Grundstücksfläche
gehören (also 4 / ß Freifläche), so ist dies des Guten wohl
zuviel. Einet Widerlegung sind diese Behauptungen kaum
bedürftig, um so weniger, als in der gleichen Schrift S. 43
in dem an die Cahnsche Darlegung anschließenden Referat
von Prigge die Baukosten für ein Zweifamilienhaus in dem
Nachbarorte Sprendlingen, enthaltend zwei Wohnungen von
drei Zimmern, Wohnküche und Bad, bei 81 qm bebauter
Fläche auf 9000 Mk. angegeben werden.
Bezüglich der Beteiligung des Großkapitals in der Bodenerschließung
vgl. meine Ausführungen in dem Bericht über die Verhandlungen des
23. Evangelisch-Sozialen Kongresses, 1912. S. 139 ff.
Die von der Ortskrankenkasse der Kautleutc in Berlin
jährlich herausgegebene und von Albert Kohn bearbeitete
Wohnungsuntersuchung 2 * ) verzeichnet bei einzelnen Miß
ständen eine Besserung, so in dem Züsaramenwohnen der
Kranken, in dem Bewohnen feuchter und unbelichteter Räume.
Bei anderen Übelständen zeigt die Entwicklung gegenüber
den Vorjahren einen Stillstand oder selbst einen Rückschritt,
so bei der Raumgröße der Wohnungen (S. 9), den Abort
verhältnissen (S. 29) und dem Mangel einer eigenen Bett
stelle (S. 39). Die Verschlechterung in der Größe der
Wohn- und Aufenthaltsräumc dürfte, was doppelt bedauerlich
erscheint, mit der Neubautätigkeit Zusammenhängen und
zurückzuführen sein auf den Umstand, daß die Räume der
Kleinwohnungen in den neuen Straßenzügen immer kleiner
werden (S. 10). Die Zahl der im vierten Stock wohnenden
Kranken ist immer noch in der Zunahme begriffen (S. 14).
Wenn sich einzelne Mißstände abgeschwächt haben, so ist
J ) Dr. Ernst Cahn, Die Wohnungsnot in Frankfurt a/M., ihre
Ursachen und ihre Abhilfe, herausgegeben vom Institut für Gemeinwohl,
dem Sozialen Museum, dem Verein zur Förderung des Arbeiterwohnungs
wesens und verwandte Bestrebungen und dem deutschen Verein für
Wobnungsreform, Frankfurt a/M. (Soziales Museum), 191a. 46 S. gr.-4°.
2 ) Unsere Wobnungsenquete im Jahre 1911. Im Aufträge des Vor
standes der Ortskrankenkasse für den Gewerbebetrieb der Kaufleute,
Handelsleute und Apotheker, bearbeitet von Albert Kohn, Berlin (Orts
krankenkasse) 1912. 44 S. und ja Abb. 4 0 .