DER STÄDTEBAU
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ruhe i, B. 1912. — C. F. Müllersche Hofbuchhandlung m. b. H. Preis
brosch. 2,— Mk,
Die Stadt Karlsruhe steht gegenwärtig an einem wichtigen Wende
punkt ihrer Entwicklung. Durch die Verlegung des Bahnhofs wird ein
großes Gelände frei, das künftighin als ein vollständig neuer Stadtteil
die Fortsetzung der Altstadt vom Ettlinger Tor an und das Haupt
verbindungsglied mit dem neuen Bahnhof bilden wird. Zugleich steht
die Erbauung von einer Reihe öffentlicher Gebäude bevor, die teils die
Stadt, teils der Staat in den nächsten Jahren ausführen lassen werden:
so die städtische Ausstellungshalle, das städtische Sommertheater, das
Landesmuseum, das Landesgewerbeamt usw, In voller Würdigung der
Bedeutung der Sache für die künstlerische und wirtschaftliche Entwicklung
von Karlsruhe, haben sich Staat und Stadt vereinigt, um diese großen
Aufgaben zu einem einheitlichen Werk zu gestalten, das den gegen
wärtigen Aufschwung der Residenzstadt zum Ausdruck bringen und zu
gleich ihrer künftigen Entwicklung Rechnung tragen soll. In diesem
Sinne wurde Architekt Professor Karl Moser mit der Ausarbeitung eines
MITTEILUNG.
Z u der die Bildung eines ZWECKVERBANDES FÜR GROSS
BERLIN VORBEREITENDEN GESETZESVORLAGE
hatten unter Führung des Geh. Baurats Dr.-Ing. March die Herren Geh.
Regierungsrat Professor Dr.-Ing. Dolezalek, Universitätsprofessor Dr. Eber
stadt, Landesbaurat Professor Qoecke, Wirkl. Geh. Oberbaurat
Launer, Geh. Regierungsrat Dr.-Ing. Muthesius, Geh. Baurat und Vor
tragender Rat Saran, Professor Schultze-Nautnburg und Baurat Stapf an
beide Häuser des Landtages folgende Eingabe gerichtet:
1. Dem Schlußsatz des §5 zuzufügen: „falls nicht in besonderen Fällen
eine Vorlage vom Verbandsausschuß beschlossen wird.“
a. Hinter § 31 einzufügen: „Dem Verbandsdirektor istein Sachverständigen
beirat zugeteüt, der sich aus Vertretern der Städtebaukunst, des Ver
kehrswesens, der Volkswirtschaft und der Hygiene zusammensetzt,
die nicht Mitglieder einer beteiligten kommunalen Verwaltung sind.
Dieser Beirat ist auf Wunsch des Verbandsdirektors, auf Beschluß des
Verbandsausschusses oder auf eigenen Antrag gutachtlich zu hören.“
3. Bei § 5 einzuschalten: „Der Verband hat für das Verbandsgebiet unter
Mitwirkung des Beirats einen allgemeinen Grundplan aufzustellen, der
die Führung der Verkehrslinien, die Hauptstraßenzüge, sowie die Ver
teilung der Freiflächen, der Wohn- und Industriegebiete ersichtlich
macht.“
Begründung.
Zu r. Der Zusatz zu § 5: „falls nicht in besonderen Fällen eine
Vorlage vom Verbandsausschuß beschlossen wird“ scheint den Unter
zeichneten aus dem Grunde notwendig, weil
a) in gegebenen Fällen gerade die Aufteilung der Baublöcke für die
richtige Boden- und Wohnpolitik eine wesentliche Handhabe bietet,
b) mit dem Recht, daß Verbreiterungspläne vorhandener Straßen grund
sätzlich von der Vorlage ausgeschlossen werden dürfen, fast alle etwa
erforderlichen Umgestaltungen in den einzelnen Gemeinden dem Ein
fluß berufener Vertreter der Allgemeinheit entzogen würden, den aus
zuüben in besonderen Fällen die Qesamtbevölkerung ein berechtigtes
Interesse hat.
Zu 2. In den Fragen des Verkehrs und der Beschaffung von Frei
land werden wohl durch den Zweckverband die beabsichtigten Ziele er
reicht werden. In den Fragen der Hygiene, der Wohnpolitik und der
städtebaulichen Kunst wird aber eine Einbeziehung derjenigen Interessen
kreise vermißt, die sich neuerdings in Vereinen und Ausschüssen nach
drücklich zur Geltung gebracht haben, und denen die neue Entwicklung
des Städtebaues in erster Linie zu danken ist.
Es sei gestattet, ferner auf den grundlegenden Unterschied hinzu
weisen, der zwischen den Geschäften der Fachverwaltungen und den
weiteren Aufgaben des Städtebaues besteht. Für jede Fachverwaltung
besitzen unsere Gemeinden und der zu schaffende Zweckverband Beamte
Bebauungsplanes für den neuen Stadtteil beauftragt, der die Grundlage
für dessen künftigen Ausbau mit Straßen und Plätzen, Öffentlichen und
privaten Gebäuden bilden soll. Um diese Arbeit den weitesten Kreisen
zugänglich zu machen, ist vom Großherzoglich Badischen. Finanzministerium
darüber eine Broschüre veröffentlicht worden, die an der Hand zahlreicher
Pläne, Zeichnungen und wirkungsvoller Einzeldarstellungen, von einem
kurzen, über die wichtigsten Gesichtspunkte erläuternden Vorwort be
gleitet, ein anschauliches Bild der dort niedergelegten künstlerischen Ge
danken gibt. Die Mosersche Broschüre sei nicht nur den engeren
Kreisen der Fachleute, sondern auch den weitesten Kreisen der Öffent
lichkeit empfohlen.
OERICHT ÜBER DIE VERWALTUNG DER RESI-
DENZSTADT POSEN für die Zeit vom 1. April igio bis
31. März 1911 mit eingehenden Mitteilungen über die Erschließung der
Villenanlage Solatsch, die Entfestigung der Stadt, den Straßenbau usw.
mit berufsmäßig abgeschlossener Ausbildung. Ein solches abgeschlossenes
Fachgebiet ist der Städtebau nicht. Fortgesetzt treten hier neue Probleme
auf, denen der einzelne technische Beamte, auch wenn er in seinem Fach
der hervorragendste wäre, nicht oder nicht auf die Dauer zu folgen ver
mag. Für die Erfüllung der wechselnden und verantwortungsvollen Auf
gaben bedarf es vielmehr eines Beirates, der den verschiedenen Arbeits
gebieten des Städtebaues entsprechend zusammengesetzt ist, und der zu
gleich durch die Ergänzungsfähigkeit seiner Mitglieder dem jeweiligen
Stande der Entwicklung gerecht wird.
Die Mitwirkung eines nach diesen Grundsätzen gebildeten Beirates
würde auch durch die Vetmeidung zeitraubender Umfragen eine Be
schleunigung des Geschäftsganges zur Folge haben. Für die Zusammen
setzung des Beirates empfehlen die Unterzeichneten, daß er aus mindestens
neun, höchstens 15 ehrenamtlich berufenen Mitgliedern besteht, von denen
vier durch den Verbandsausschuß, vier durch die zuständigen Ressorts zu
wählen sind. Im übrigen ergänzt er sich durch Zuwahl.. Bei diesen
Wahlen ist der Akademie der Künste, der Akademie des Bauwesens und
denjenigen Vereinen, die durch die zuständigen Ressorts bestimmt werden,
ein Vorschlagsrecht einzuräumen.
Da die Wahlen in die Verbandsversammlung und in den Verbands
ausschuß, die Ernennung des Verbandsdirektors und seiner Beamten aus
den kommunalen Vertretungen hervorgehen, werden sich die Organe des
Verbandes vermutlich aus den jetzigen Vertretern zusammensetzen, die
bisher verpflichtet waren und auch künftig verpflichtet sein werden, in
erster Linie die Interessen der eigenen Kommunen zu wahren. Es fehlt
eine ergänzende Vertretung der allgemein auf die Gesamtheit von Groß-
Berlin bezüglichen Bestrebungen und Interessen.
Aus diesem Grunde bitten die Unterzeichneten, im Gesetz die
Schaffung eines Beirates vorzusehen, der durch seine Zusammensetzung
die Gewähr leistet, daß die Gesamtheit der für Groß-Berlin zu erfüllenden
Aufgaben ständig im Auge behalten wird, und der sowohl durch sach
liche Beratung als auch durch selbständige Anregungen zur Lösung der
künftigen wichtigen Aufgaben wesentlich beizutragen imstande ist.
Zu 3. Ohne einen zusammenhängenden Gesamtplan, der als all
gemeine Unterlagen die Verkehrsbedingungen, die Verteilung der Frei
flächen, der Wohn- und Industriegebiete ins Auge faßt, wird auf einen
wesentlichen Vorteil verzichtet, der durch den Verband erzielt werden
müßte.
Bekanntlich ist es abgelehnt worden, dem Zweckverbande derartige
Verpflichtungen aufzuerlegen. Jedoch steht es ihm frei, aus sich selbst
heraus der Anregung Folge zu geben — die Begründung trifft auch heute
noch in vollem Umfange zu und wird deshalb noch nachträglich unseren
Lesern mitgeteilt.