DER STÄDTEBAU
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Großgrundbesitzer der Stadt seinen ganzen Besitz zum Preise
von 860000 Mk. an. Für die Grundsteuer war dieser Besitz
zu 1400000 Mk. eingeschätzt. Die Einschätzung blieb im
allgemeinen etwas unter den bislang erzielten Einzelpreisen,
so daß man sagen kann, das Angebot umfaßte nur etwa die
Hälfte des Einzelpreiswertes. Trotzdem hat es die Stadt
verordnetenversammlung als zu hoch abgelehnt. Dies Beispiel
mag genügen, obwohl sich noch sehr viele angeben ließen.
Die Macht des Kapitals ist besonders groß da, wo es
sich zum größten Teil um Rohland handelt, dessen Auf
schließung noch erhebliche Barmittel erfordert, die der
Grundbesitzer entweder nicht hat oder nicht in den Boden
hineinstecken will.
Die Entwicklung der Grundstückswerte vollzieht sich
also unter dem Unterschied von Einzel- und Großpreis genau
wie jeder andere Handel und in noch verstärktem Maße.
Unter diesen Umstanden muß man den Zwischenhandel beim
Grundstücksgeschäft, soweit er sich darauf beschränkt, im
großen einzukaufen, in Einzelparzellen zu verkaufen und so
den auf dem Baumarkt auftretenden Einzelbedarf zu be
friedigen, als berechtigt anerkennen. Der Zwischenhandel
in dieser Form braucht, wie wir gesehen haben, die Volks
wirtschaft nicht zu belasten. Wenn eine Bodengesellschaft
aus ihrem Unternehmen Millionen herauszieht, so geht daraus
noch nicht hervor, daß die Allgemeinheit nun durch ihre
Tätigkeit um diese Summe höher belastet worden ist; da
müßte man erst beweisen, daß der Urbesitz sich mit ge
ringerem Verdienst begnügt hätte, wenn er in Einzelparzellen
verkauft hätte.
Der Zwischenhandel muß eine geschickte Preispolitik
treiben, um seinen Zweck zu erreichen. ,Er muß suchen
die Entwicklung nach seiner Besitzung zu ziehen, und er
wird alle bei der Preisbildung wirksamen Faktoren zu
seinen Gunsten auszunutzen und sie zu einem Höchstmaß
zu steigern suchen, denn sein Zweck ist möglichst hoher
Gewinn. Unter der Herrschaft des Grundstückshandels
werden so alle jene Kräfte zu einem Höchstmaß aufgepeitscht,
die der Grundrente bei der Monopolstellung des Bodens die
ständig ansteigende Richtung geben. Der Einsatz ist beim
Grundstückshandel höher als beim Urbesitz. Dadurch wird
der Kampf um die Grundrente schärfer da, wo er vorherrscht,
und die Folge ist dann äußerste Spannung in den Einzel
preisen durch äußerste Ausnutzung der Konjunkturen,
durch äußerste Ausnutzung aller Faktoren auf dem Grund
stücksmarkt.
Wir werden also sagen müssen: Der Zwischenhandel,
auch der in unserem Sinne, an sich berechtigt und durch
die Verhältnisse gegeben, ln vielen Fällen geradezu ein Be
dürfnis zur Mobilisierung des Bodens, wirkt in letzter Linie
durch äußerste Anspannung aller Kräfte verderblich auf die
Preisbildung.
Die Folgerung ist eine gegebene. Wenn der Grundstücks
zwischenhandel ein Bedürfnis ist, und wenn er hohe Gewinne
erzielen läßt ohne die Allgemeinheit überzubelasten, wenn
er dies aber in dem häutigen System trotzdem tut, so muß
eben das System geändert werden, die Mobilisierung des
Bodens muß eine öffentliche Aufgabe, eine Aufgabe der
Gemeinden werden.
Es ist dabei durchaus nicht nötig, daß die Gemeinde
die Trägerin der gesamten Stadterweiterung wird. Ihr Grund
besitz in den Außengebieten muß nur groß genug und gut
verteilt sein, so daß sie den Grundstücksmarkt in genügendem
Maße und für jeden Bedarf beherrscht und ihn stets be
weglich erhalten kann. Daß der Erwerb solcher Flächen,,
genügend große, noch nicht aufgeteilte Außengebiete voraus
gesetzt, die im einzelnen Falle noch durch umfangreiche Ein
gemeindungen in die Stadtbegrenzung einbezogen werden
müßten, auch ohne Hilfe der Enteignung möglich ist, das
hat die Industrie, vor allem der Großindustrielle Thyssen
bewiesen, der ln dem schon stark zur Stadtbildung neigenden
Kreise Dinslaken annähernd 3000 ha in kurzer Zeit zu recht
mäßigen Preisen freihändig angekauft hat.
Wenn trotzdem von den Städten nach dieser Richtung
hin noch recht wenig geschehen ist, so ist dies auf ihre
Verwaltungsorganisation zuriiekzufuhren, die sie abhängig
macht von der Zustimmung einer Wirtschaftsgruppe, die
ein Interesse hat an der Erhaltung der bestehenden Ver
hältnisse. Hier können nur gesetzliche Maßnahmen helfen
etwa dahingehend, daß bestimmte Einnahmen, wie die aus
der Wertzuwachssteuer, zum Ankauf von Grundstücken
verwendet werden müssen.
Die Selbstkosten ergeben auch auf dem Grundstücks
markt die unterste Grenze, unter die das Angebot nicht
gehen kann. Nehmen wir einmal an, ein Spekulant habe
in einem Außengebiet eine Fläche von 3 ha zu dem billigen
Preis von 2 Mk. für 1 Quadratmeter, also für 60000 Mk. an
gekauft. Die Aufteilungsverhältnisse sind sehr günstige. Die
Fläche kann durch eine 300 m lange Straße sehr wirtschaftlich
aufgeschlossen werden. Die Stadt fordert als Bedingung für
die Erteilung von Bauerlaubnissen an dieser Straße außer
der Übereignung der Straßenfläche in Breite von 15 m noch
die kostenlose Auflassung einer Fläche von 55 ar als Teil
einer Platzanlage. Sie fordert ferner den sofortigen Ausbau
der Straße mit einer 6 m breiten chaussierten Fahrbahn, mit
Rinnenpflaster und Bordsteinanlagen. Dieser Ausbau kostet
dem Spekulanten rund 60 Mk. pro laufenden Meter, also rund
18000 Mk. Belm Kaufe mußte der Erwerber 1% Landes
stempel, fl /a °/o Reichsstempel und 2 ö /» Kommunalsteuer, also
einschließlich der Umschreibungskosten rund 4°/o Umsatz
kosten zahlen. Die Verhandlungen mit der Stadt zogen sich
in die Länge, so daß erst ein Jahr nach dem Erwerb das
baureife Gelände vorlag. Einschließlich des Zinsverlustes
kosteten dann die verbleibenden 2 ha Bauland dem Speku
lanten rund 83000 Mk. Sein Selbstkostenpreis beträgt also
4,15 Mk. für 1 Quadratmeter.
Der Spekulant muß also jetzt mit einem jährlichen Zins
verlust von 3320 Mk. rechnen; mit anderen Worten, setzt er
jährlich nur für diese Summe Flächen um, so ist er am
Schluß sein Kapital los, ohne eine andere Gegenleistung er
halten zu haben als die Zinsen während der Verkaufszeit.
Verkauft er, mit 4,15 Mk. beginnend, die rund 40 Baustellen
in 20 Jahren und beträgt der durchschnittliche Wertzuwachs
für 1 Jahr nur 4°/o, so wird er die letzten Baustellen zu
8,30 Mk, für 1 Quadratmeter verkaufen müssen und hat dabei
noch keine Entschädigung für seine Mühe und für sein Risiko.
Er wird also mit einem Preis von 5 Mk. für 1 Quadratmeter
anfangen müssen und sucht dann im Laufe der Entwicklung
aus seinem Besitz möglichst viel herauszuschlagen. Meist
wird er auch einen reichlichen Gewinn erzielen, wenn ihm
die Verhältnisse einigermaßen günstig sind.
Durch die Aufteilungskosten ist also der Selbstkosten
preis reichlich verdoppelt worden. Der Selbstkostenpreis
bildet die untere Grenze für das Angebot. Er verschiebt
ferner diese Grenze ständig nach oben infolge des An*