DER STÄDTEBAU
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keinen Park von gleicher Größe in seiner Nachbarschaft
besitzt.
In ihrem weiteren Verlauf würde die Durchgangsstraße
die Lenn6- und Tiergartenstraße benutzen. Hier könnte
das Bedenken erhoben werden, daß durch den zu er
wartenden Verkehr der Kemperplatz zu stark belastet und
zu einem zweiten Potsdamer Platz gemacht werden könnte.
Auf dem Potsdamer Platz sind von den fünf dort aus
mündenden Straßenzügen vier mit einer größeren Anzahl
von Straßenbahnlinien besetzt, während keine einzige von
den auf dem Kemperplatz ausmündenden Straßen eine solche
Linie aufweist. Auch ist wohl nicht daran zu denken, daß
die ruhige Viktoriastraße und die nie mit Häusern zu be
bauende Siegesallee jemals einen Verkehr, wie die ähnlich
gerichteten Straßenzüge der Königgrätzer Straße nördlich
und südlich des Potsdamer Platzes erhalten werden, ins
besondere dürfte ein größerer Verkehr von Lastwagen auf
den vom Kemperplatz ausstrahlenden Straßen, die behufs
Ent- oder Beladung längere Zeit stehen und den Durch
gangsverkehr hindern oder verlangsamen, in Anbetracht
der geringen Anzahl von Geschäftshäusern in den fraglichen
Straßen dauernd ausgeschlossen sein. Endlich entfallt für
den Kemperplatz der nicht unerhebliche Verkehr zum und
vom Potsdamer Bahnhof und seinen Vorortbahnhöfen. Es er
scheint sonach auch für die Zukunft wenig begründet, den
Verkehr des Kemperplatzes demjenigen des Potsdamer
Platzes gleichzusetzen. Im übrigen würde, wie an jedem
wichtigeren Platz in einer Weltstadt, auch am Kemperplatz
eine Verkehrsregelung durch Organe der Straßenpolizei ge
boten sein. Weiterhin ist die Besorgnis ausgesprochen
worden, daß die Villengrundstücke auf der Südseite dieser
Straßen in ihrem Werte geschädigt würden. Dagegen ist
zu bemerken, daß diese Grundstücke verhältnismäßig tiefe
Vorgärten besitzen, ferner daß diese Straßen bei einer
Breite von 20 bis 30 m zwischen den Einfriedigungen der
Vorgärten und des Tiergartens erforderlichenfalls eine
andere Anordnung erhalten könnten, dergestalt, daß der
Durchgangsverkehr abseits der Villen an die Tiergartenseite
gelegt und an der Villenseite nur eine schmale Wohnstraße,
welche ausschließlich für den Verkehr der Villen bestimmt
ist, angelegt würde. Da auch die Durchgangsstraße, weil
mangels aller Geschäftshäuser mit stehenden, in Be- oder
Entladung befindlichen Wagen nicht zu rechnen ist, nur
eine geringe Breite erfordert, so bliebe zwischen beiden
Straßen ein ausreichender Streifen für Fußgänger, Reiter
und gärtnerische Anlagen. Die Kosten einer solchen
Änderung der Straßenanlage würden allerdings bedeutend
sein und müßten billigerweise zu einem erheblichen Teil
von den beteiligten Villenbesitzem getragen werden.
Ihre weitere Fortsetzung würde die Durchgangsstraße in
der Hitzigstraße finden, Hier könnte es erwünscht er
scheinen, zur Abkürzung des Weges und Vermeidung der
Umfahrung mehrerer scharfer Straßenecken den Häuserblock
zwischen Tiergarten-, Hitzig-, Friedrich-Wilhelm- und
Rauchstraße diagonal zu durchfahren. Die Kosten auch
dieses Durchbruchs erscheinen einigermaßen erheblich und
würden zweckmäßig erst aufzuwenden sein, wenn die
Notwendigkeit sich herausstellte oder die Anwohner der
dadurch entlasteten Straßenstrecken zu angemessenen Bei
trägen sich bereitfinden ließen.
Mit der Erreichung des Kurfürstendammes an der
Corneliusbrücke würde die durchgehende Verkehrsstraße
vom Alexanderplatz im Osten nach Halensee im Westen
gewonnen sein. Trotz der Länge dieser fast geradlinig
durch das Herz von Berlin gehenden Verkehrsstraße würden
nur zehn Grundstücke bzw. Vorderhäuser von dem Durch
bruch getroffen, und es blieben so erhebliche Gebäudeteile
und Restgrundstücke übrig, daß ein sehr großer Bruchteil
der Erwerbskosten wieder eingebracht werden könnte*
so daß die Stadt Berlin eine verhältnismäßig nur geringe
Summe, vorbehaltlich zeichnerischer und rechnerischer
Begründung geschätzt auf sechs bis höchsens zehn Millionen
Mark, würde aufzubringen haben.
Schließlich möchte es noch als wünschenswert zu be
zeichnen sein, daß in Berlin wie in vielen kleineren Städten
ein Verein bzw. ein Fonds zur Verschönerung Berlins ge
bildet würde, mit dessen Hilfe noch vieles zur Verschönerung
unserer prächtigen Haupt- und Residenzstadt geschehen
könnte, wenn wohlgesinnte Alt- und Neu-Berliner an seiner
Auffüllung durch einmalige oder wiederkehrende Gaben sich
beteiligen wollten.
Vorstehender Zuschrift eines erfahrenen Freundes Berlins
haben wir gern Raum gegeben, wenn wir auch in
erster Linie nach wie vor für den Durchbruch der Fran
zösischen Straße eintreten. Wie unseren Lesern bekannt,
sind beide Vorschläge schon im Wettbewerbe um einen
Grundplan für Groß-Berlin aufgetaucht. Anscheinend ohne
Kenntnis davon hat auch Geheimer Archivrat Wolff den
Vorschlag zum Durchbruch der Jägerstraße neuerdings in
der deutschen Bauzeitung wieder aufgenommen. Der den
Durchbruch der Französischen Straße betreffende soll
Zeitungsnachrichten zufolge im Ministerium der öffentlichen
Arbeiten näher geprüft und verworfen worden sein, und zwar
aus Gründen, die genau so gegen den anderen, den Durch
bruch der Jägerstraße betreffenden, eingewendet werden
können. Es ist ein Verdienst des Herrn Einsenders, nach
gewiesen zu haben, daß diese Einwände nicht stichhaltig
sind.
In der Tat ist nicht einzusehen, warum infolge des einen
oder des anderen Durchbruches der Verkehr am Kemper
platz sonderlich zunehmen oder sich gefahrdrohender ge
stalten soll. Es handelt sich in beiden Fällen doch nur
1. um eine schlankere Durchführung des von der Königs
straße und dem Schloßplatze herkommenden, nach
dem Westen gerichteten Verkehrs, der sin der Mauer
straße auf eine Barrikade stoßen würde und deshalb
entweder schon lange vorher zum Hausvoigteiplatz
oder in die Charlottenstraße einlenkt, um sich durch
die Leipziger Straße und über den Potsdamer Platz zur
Bellevuestraße durchzuquetschen oder etwas später
die Friedrichstraße oder Kanonierstraße einschlägt,
um über den Wilhelmsplatz und die Voßstraße zur
Lennestraße zu gelangen;
2. aber um eine Ablenkung des bereits von der Stralauer
Straße und dem Molkenmarkte sich durch die Ger-
traudtenstraße und die Leipziger Straße wieder der
Bellevuestraße zustrebenden, vielleicht auch noch
eines Teiles des der Potsdamer Straße bis zur Brücke
und dem Schiffahrtkanale folgenden Verkehres.
Nur der letztere würde den Kemperplatz mehr beiästen,
während die BeUevuestraße und somit der Potsdamer Platz
und die Leipziger Straße erheblich entlastet werden müßten.