DER STÄDTEBAU
67
gebet nicht vorausgesehen hat, daß Stadtschnellbahnen eine
eigene Regelung erfordern, obwohl bei Erlaß des Kleinbahn
gesetzes bereits eine elektrische Untergrundbahn in London
im Betriebe und zahlreiche weitere für den Bau in Aussicht
genommen waren. Auch die sonstige preußische Eisenbahn
gesetzgebung, namentlich das Gesetz von 1838, kann, die
Frage des Stadtschnellbahnwesens nicht zur Lösung bringen.
Hier haben die Amerikaner von Berlin gelernt, wie eine
Sache nicht gemacht werden darf. Die Arbeiten des Bostoner
Verkehrsausschusses, der Boston Transit Commission, lehren
lange schon, welche Erfolge durch zielbewußtes einheitliches
Vorgehen schon in bescheidenerem Rahmen erreicht werden
können, wenn auch die Grundsätze der Verkehrsgestaltung
von denen anderer Städte abweichen. Selbst die Anfänge
einer Organisation, die in Chicago in Gestalt des Board of
Supervising Engineers erkennbar sind, erweisen sich für den
weiteren Ausbau des Verkehrswesens von großem Segen.
Am weitesten auf dem Organisationswege ist man in
New York vorgeschritten. Ich gehe nicht so weit, Gesetze,
wie das New Yorker Schnellverkehrsgesetz mit den im
Jahre 1909 getroffenen Verbesserungen, wie auch das Gesetz
über die Gemeinbetriebe, das vor vier Jahren die Public Service
Commission ins Leben rief, ohne weiteres zur Nachahmung
empfehlen zu wollen; aber wie sich der Einfluß der Berliner
Verhältnisse im New Yorker Schnellverkehrsgesetz bewußt
widerspiegelt, so sollte dem Studium dieser Gesetze auch
in Berlin ein breiter Raum gewidmet werden. Es genügt
nicht, den platonischen beweglichen Klagen über fehlende
Organisation und über den Mangel einer Zentralinstanz, die
die Londoner Königliche Kommission und das Handelsamt
von Jahr zu Jahr in großen Blaubüchern immer wiederholt
haben, untätig neue zuzufugen; nach dem Muster der New
Yorker, wenn auch in abgeänderter Form, müßten gesetz
geberische Schritte unternommen werden, um dem, was
für Berlin nötig ist, auch Geltung zu verschaffen. Daß
es aussichtslos erscheint, durch das Mittel eines Zweck
verbandes auf dem Wege der freien Vereinbarung zu einer
Organisation zu gelangen, der Dutzende sonderinteressierter
Parteien beizutreten hätten, deren jede aber wieder von
Deputationen und Stadtparlamenten abhängig ist, die sich
auch nur schwer darüber schlüssig werden, wie sich die
Städte zu den großen Verkehrsfragen stellen sollen, scheint
doch unverbrüchlich festzustehen und hat auch wohl niemals
in Zweifel gestanden. Hier bleibt nur der Anruf der
Gesetzgebung, und das Vertrauen auf die Landesparlamente
sollte sich doch wohl nach der Richtung als begründet er
weisen, daß diese dem Wirrwarr in der Verkehrspolitik der
Großstädte ein kräftiges Ziel setzen — ich sage der Groß
städte, denn die Frage der Großstadtschnellbahnen berührt
ja nicht allein Berlin. Aber nicht allein die Eisenbahngesetz
gebung bedarf der Reform; auch das Enteignungsrecht wäre
nachzuprüfen. Wenn es verkommen konnte, daß selbst in
behördlichen Kreisen die Möglichkeit zeitweilig mit ernstester
Miene erwogen wurde, daß die Hochbahngesellschaft das von
Ihr in einer Länge von nur 100 m untertunnelte gewaltige
Warenhaus Wertheim im Werte von 30—40 Millionen Mark
hätte ganz übernehmen müssen, so ist doch wohl ln der Gesetz
gebung eine Lücke. Bei seinen weiteren Schritten dürfte sich
der Gesetzgeber überhaupt mit den Verhältnissen der Praxis
in engerer Fühlung halten als bisher. Ich möchte keine Vor
schläge machen über die Organisation der Verkehrsinstanz,
die hier dringend nötig ist, auch nicht erörtern, ob sie aus
den Staatsbehörden heraus entwickelt oder ihnen angegliedert
werden sollte — was vielleicht größere Objektivität in der
Behandlung der Schnellverkehrsangelegenheiten zu verbürgen
schiene —, oder ob sie aus kommunalen Organen heraus zu
bilden wäre, jedoch mit behördlichem Einschläge; jedenfalls
aber liefern die Erfahrungen, die bereits mit dem Gesetz über
die Allgemeinbetriebe inNew York gemacht sind, wie auch
die Studien der englischen Königlichen Kommission und des
Handelsamts für das Vorgehen ein reiches Studienmaterial.
Das von den beiden letzteren für die Überwachung des
Londoner Verkehrswesens vorgeschlagene Amt ist bis heute
zwar noch frommer Wunsch geblieben, aber über die ihm ob
liegenden Aufgaben hat die Königliche Kommission bereits
ein vorläufiges Programm aufgestellt, dessen Grundzüge in
meiner schon erwähnten Schrift über den Londoner Verkehr
mitgeteilt sind. Es umgrenzt in 15 Punkten die Aufgaben,
die das Amt zu erfüllen hätte, die aber im Erfahrungswege
weiter auszubauen und auszugestalten blieben. Es kenn
zeichnet englische Auffassung, daß der Fall städtischer-
seits durchzuführender Schnellbahnen in dem Programm
nicht vorgesehen wurde, dessen Regelung vielmehr der
weiteren Entwicklung der Dinge Vorbehalten ist. Sollte es
im späteren Verlaufe zur Erörterung derartiger Fragen
kommen, so könnten nach dem Vorschläge des Handelsamts
die Befugnisse des nach seinem Vorschläge zu bildenden
Verkehrsamts immer noch etwa nach dem Muster der
Schnellverkehrsämter in Boston oder New York oder gar der
•Eisenbahnkommissionen der Staaten New York und Massa
chusetts erweitert werden. Das lernen wir jedenfalls aus
den Vorgängen, daß ein solches Amt nicht zu vielköpfig sein
darf, daß fünf Mitglieder vollauf ausreichend sind. Wenn
von dem Amt außer völliger Beherrschung des Stoffes auch
die Wahrnehmung der Interessen der Wirtschaftlichkeit und
besondere Gewandtheit in finanziellen Anordnungen verlangt
werden müssen, so gehören vor allen Dingen hinein auch der
Wirtschafter — um nicht zu sagen der Kaufmann — und der
Finanzmann. Es ist selbstverständlich, daß seine Mitglieder
aus den tüchtigsten auszuwählen sind, ein hohes Maß von Takt
und Objektivität mitbringen müssen und völlig unabhängig zu
die stellen sind. In Anbetracht der hohen Verantwortlichkeit,
das Schnellverkehrswesen mit sich bringt, will die englische
Behörde dem Amt auch eine besonders reichliche Vergütung
zuerkennen, wie sie in unseren städtischen und staatlichen
Verwaltungen allerdings bisher unbekannt ist. Die Frage, ob
dem Amt noch eine Revisionsinstanz vorzusetzen wäre, lasse
ich, wie vieles andere, im Rahmen dieser Anregungen offen.
Ein Amt, wie die Bostoner Schnellverkehrskommission,
würde auch für Berliner Verhältnisse immer schon einen Fort
schritt bedeuten, obwohl seine Befugnisse auf gesetzlicher
Grundlage, wie schon erwähnt, nicht allzuweit umgrenzt,
auch auf das eigentliche Boston beschränkt sind. Die
Kommission ist staatlich und in ihren Machtvollkommen
heiten ziemlich selbständig gestellt, aber auf den städtischen
Verwaltuhgskörper hinsichtlich der Geldbeschaffung an
gewiesen. Dem Ausschuß ist die reiche, wenn auch eigen
artige Gestaltung der Bostoner Schnellverkehrswege in ihrer
Verbindung mit den Straßenbahnen mit zu verdanken. Hier
zu ist erläuternd zu bemerken, daß in Boston die Schnell
bahnen als Verteiler des Verkehrs in den inneren Gebieten
dienen, die den Verkehr weiter draußen von Straßenbahnen
aufnehmen und an sie abgeben, die ihn ihrerseits weit
hinaus in das umgebende Gelände führen, das sie wie