DER STÄDTEBAU
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scheinen, ist deren Planung unter größtmöglichster Schonung
der schönen Eichenbestände vorgenommen worden. Von
all den schönen Bäumen käme nur ein einziger zu Falle,
und zwar bei der Abzweigung eines Straßenzuges von der
Ratsberger Straße aus, der ostwärts zur Höhe des Burg
berges geführt werden soll. Die schönen Pappeln an den
Mühlwiesen sollten weder Weganlagen noch einer Fluß
regelung geopfert werden.
Die Industrie wird sich auch weiterhin hauptsächlich
zwischen Brücker Straße und Nürnberger Straße, zu beiden
Seiten der Bahn, ansiedeln. — Ausscheidungen nach
sonstigen Bebauungsarten über die weiten Flächen des Stadt
erweiterungsgebietes — z. B. für den Kleinhausbau — sind
im gegenwärtigen Zeitpunkte der Planaufstellung noch ver
früht, zumal sich solche Siedlungen, sollen die Straßen
herstellungskosten für sie nicht allzu große werden, zumeist
der vorhandenen Bebauung angliedern oder neu zu schaffen
den Arbeitsgelegenheiten folgen müssen. Auch für die Zu
kunft wird die Festsetzung solcher Gebiete Sache der
städtischen Behörden bleiben können.
ZUR SCHNELLVERKEHRSPOLITIK
DER GROSSSTÄDTE.
VORTRAG, GEHALTEN IN DER ALLGEMEINEN STÄDTEBAU-AUSSTELLUNG BERLIN 1910.
Von G. KEMMANN, Berlin. - (Schluß.)
Ist bei privaten Schnellbahnunternehmungen in erster
Linie die Wirtschaftlichkeit für die Fragen der Kapital
beschaffung ausschlaggebend, so stellen sich bei städtischer
Unternehmung unter Umständen der Geldaufnahme Hinder
nisse anderer Art in den Weg. Bei städtischen Schnell
bahnen möchte anscheinend die Frage des Erträgnisses eine
untergeordnete Rolle spielen. Aber wir wissen, daß An
leihen unserer Städte der behördlichen Genehmigung unter
Festsetzung auch der Tilgungsbestimmungen bedürfen, wobei
auch geprüft wird, wie zur Vermeidung von Überschul
dungen die anzulegenden Kapitalien Verwendung finden.
In New York hat die Frage der Verschuldung im Hinblick
auf die städtischen Schnellbahnen letzhin zu besonders leb
haften Erörterungen geführt. Der Höchstbetrag der Schulden,
die die Stadt aufnehmen darf, ist verfassungsmäßig fest
gelegt und diese befand sich in den letzten Jahren nicht
in der Lage, für neue Schnellbahnen mit eigenen Mitteln
einzutreten. Es ist indessen neuerdings gelungen, eine Aus
legung der Bestimmungen zu erreichen, nach der für die
Schuldaufnahme solche Kapitalien außer Betracht bleiben,
die sich angemessen verzinsen. Auf diese Weise könnten
auch für ertraglose Schnellbahnen Mittel innerhalb der
Schuldgrenze freigemacht werden. Dem steht aber wieder
die Auffassung des Oberbürgermeisters von New York ent
gegen, daß auch städtische Mittel nur für Stammlinien ver
wendet werden sollten, deren Ertragsfähigkeit außer Zweifel
stehe, daß sich die Stadt aber mit Seitenlinien oder out of
the way-lines, wie er sie nennt, nicht selbst befassen dürfe.
Sollte diese Auffassung durchdringen, so bliebe in Fällen,
in denen die Ertragsfahigheit zweifelhaft erscheint, nur noch
der im Schnellverkehrsgesetz festgelegte Weg der Erhebung
von Anliegerbeiträgen übrig. Die jetzt im Bau befindliche
4. Avenuelinie in Brooklyn — ein Teil des Tri-Borough-Netzes
— wird jedoch noch aus städtischen Mitteln gebaut, die durch
Höherrücken der Verschuldungsgrenze um 400 Millionen
Mark gewonnen sind. Man sieht, wie dank der durch das
Gesetz geschaffenen Vollmachten und größerer öffentlicher
Kreditfähigkeit trotz der ungeheuren Hindernisse, die der
räumlichen Entwicklung New Yorks durch die Wasserläufe
geboten werden, eine Schnellbahn auch ohne Rücksicht
auf Ertrag in Gegenden vordringt, die bisher dem Schnell
verkehr aus dem Wege lagen.
Die Machtvollkommenheit des Amtes tritt, beiläufig be
merkt, auch an der weitausholenden Art der Bahngestaltung
in die Erscheinung. Die früher mitgeteilten Querschnitte
von Durchgangsbahnhöfen zeigen, wie weitzügig die Schnell
bahn selbst in den noch weniger ausgebaulen Gebieten der
4. Avenue mit Rücksicht auf die mit elementarer Gewalt
auftretenden augenblicklichen Verkehrsstöße bei Entleerung
der Turmhäuser ausgestaltet wird.
Wurde bisher die Schnellbahnpolitik von der wirt
schaftlichen und finanziellen Seite beleuchtet, so er
übrigt zuguterletzt noch die Erörterung der weiteren wesent
lichen Frage, wie der Ausbau der Schnellbahnnetze als
Ganzes nach bestimmtem Plan und in zweckmäßigster
Weise sichergestellt werden kann. Es muß Mittel und
Wege geben, um einen Ausgleich herzustellen zwischen den
wirklichen und vermeintlichen Interessen, die von behörd
licher Seite, von Ortsverwaltungen und sonstigen Körper
schaften, Kirchengemeinden, Grundbesitzern, Unternehmern,
Zweckvereinen, in Versammlungen, in der Presse offen
oder geheim und vielfach mit zügelloser Heftigkeit gegen
die Unternehmungen und gegeneinander ausgespielt zu
werden pflegen. Eine Instanz zu schaffen, die gehalten sein
sollte, alle in Betracht kommenden Interessen zu ergründen und
gegeneinander abzu wägen, die aber auch mit ausgiebigen Voll
machten ausgestattet werden sollte, auf Grund eingehendster
Untersuchungen Entscheidungen zu treffen, die für alle Teile
bindend sind, müßte hier das Ziel sein. Die Notwendigkeit
einer derartigen Instanz wird jeder bestätigen, der sich die
Vorgänge bei den Verhandlungen über die Berliner südwest
lichen Schnellbahnen auch nur einigermaßen vor Augen hält.
Wer bürgt bei der Zerfahrenheit unserer Verhältnisse dafür,
daß sich derartige bedauerliche Vorkommnisse, die selbst
im Auslande Kopfschütteln hervorgerufen haben, nicht
wiederholen, wie es unter den jetzigen Verhältnissen jeden
Tag aufs neue Vorkommen kann. Die Zustände, die in
ihren inneren Zusammenhängen zur Belehrung eine öffent
liche Beleuchtung verdienen, sind offensichtlich unhaltbar.
Das Gesetz versagt in wichtigen Punkten, weil der Gesetz