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DER STÄDTEBAU
Abb. i, Blick auf die dreifache Schleifenrampe
beim Albergo dei Poveri (links im Vordergründe).
einheimischen, an den Platz gebundenen Kaufleute nicht
gerecht würde. Und wie die Stadt diesen Anforderungen
gerecht wird, das ist ihr Ruhm. (Vergl. Abb. a, Tafel 33.)
In alter Zeit, als die Dorias von der Terrasse ihres
Palastes am Meer auf ihre glänzende Flotte hinabschauen
konnten, bildete der umgebende Höhenkranz einen rein un-
übersteiglichen Wall, der die Stadt von der Landseite her
uneinnehmbar machte. Heute sind diese Höhen demWohn-
bedürfnis erschlossen. Aber wie ist das geschehen. Mit
einem gewaltigen Vorstoß hat man in halber Höhe ge
wissermaßen eine zweite Terrasse gebildet, eine zweite
Haupttalstraße, die innerhalb dieser Höhe den ganzen Ver
kehr in horizontaler Richtung vermittelt. Eine Ringstraße
ist gebildet, ein Halbring in diesem Falle, aber nicht eine
solche, wie sie andere Bergstädte sich zulegen in irgend
einem beliebig gegriffenen Abstande vom Verkehrsmittel
punkte, dem Rathausplatz, auf- und niedersteigend über
Berg und Tal, sondern fast gleichmäßig horizontal ver
laufend und deshalb natürlich auch den Krümmungen der
Bergvorsprünge eng sich anschließend, mehrfach scharf
geknickt, aber deshalb grade für einen lebhaften elektrischen
Bahnverkehr besonders geeignet. Siehe Doppeltafel 31/32.
Diese Ringstraße, Corsi genannt, vom Corso San Ugo
bis zum Corso Solferino reichend und die ganze Ausdeh
nung vom Hafenbahnhof, der Statione occidentale bis zur
Piazza Manin umfassend, wird nun erklommen von der
Bahn an zwei Stellen in ganz verschiedener Weise. An
dem Hafenbahnhof ersteigt sie mit Hilfe einer kurzen Ser
pentine, die man sich nicht gescheut hat, sogar durch
einen Berg in einer Art Kehrtunnel hindurchzuführen, die
Höhe. Zur Piazza Manin kommt sie leichter hinauf auf
einer langen, im neuen Herzen der Stadt, der Piazza de
Ferrari, beginnenden Rampenstraße, der Via Roma und
Via Assarotti. An Tunnel und Bergdurchstiche waren die
Genuesen gewöhnt. Man betrachte nur den Eisenbahn
tunnel von der Statione Orientale bis zur Statione Occi
dentale. So baute man mutig zur Erreichung der Piazza
Cairolla auf halberHöhe der vorstehend genanntenRampen-
straße einen weiteren Zuweg für elektrischen Bahnverkehr
vom alten Herzen der Stadt, der Piazza Annunziata, einen
Tunnel durch den Berg hindurch. Einen dritten bietet die
Linie von der Ostecke der Stadt am Meer durch den Corso
Andrea Podesta.
Dieses Hauptbahnnetz ist mit großem Geschick über
die Stadt gelegt. Die einmal erklommene Höhe wird lange
beibehalten. Deshalb wird kein nutzloser Kraftverbrauch
eintreten, kein unverhältnismäßiger Wagenverschleiß. Die
Bahnlinienausführung ist vorbildlich nicht zu weit vom
Hafen, nicht zu nah, nicht zu sehr mit der fernen Zukunft
rechnend und nicht zu kurzsichtig der Gegenwart nur ge
nügend. Gerade die Zickzackführung des Korsoringes
bringt diesen an mehreren Stellen dicht ans Herz der Stadt
heran, an anderen wieder führt sie ihn weit ab vom Meer
und läßt Raum unterhalb jener für weitere Talbebauung.
Die Frage der Aussichts- oder Panoramastraßen, die
anläßlich des Kampfes um Stuttgarts Bebauungsplan die
Gemüter so erregte, ist hierdurch glänzend beantwortet,
freilich mit Hilfe von Futtermauern bis zu 22 m Höhe an
der Talseite der Corsi. Aber herrliche unvergeßliche Bilder
bieten sich hier von den basteiartig vorspringenden Punkten.
Und wie gelangt nun das Fuhrwerk zu dieser Höhen
ringstraße, wie der Fußgänger? Dem ersteren dienen
mehrere stark gewundene Serpentinen, so die Via Dogali
Abb. 2. Blick vom Corso Ugo Dassi nach Westen
(vier Straßen übereinander).