DER STÄDTEBAU
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MITTEILUNGEN.
D er tiroler Landtag und der schütz der
HEIMISCHEN BAUWEISE. Im Laufe der letzten Jahre
hat sich wiederholt gezeigt» daß alte Hituser zerstört und an deren Stelle
moderne Neubauten errichtet wurden, die den althergebrachten,, ehr
würdigen Charakter ganzer Straßen und Stadtteile in der bedauerlichsten
Weise ungünstig beeinflussen. Vor allem sei in dieser Richtung auf die
in der Maxia-Theresien-Straße entstandenen Neubauten, die Kaffeehäuser
„Maximilian 41 und „Maria Theresia«, Warenhaus Bauer-Schwarz verwiesen,
aber auch auf dem offenen Lande wurden mehrfach Bauten zur Aus
führung gebracht, die das ganze Landschaftsbild stören; es bietet weder
die allgemeine Tjrolerische, noch die Innsbrucker Bauordnung irgend
eine Handhabe, gegen derartige Verirrungen des guten Geschmacks wirksam
Stellung zu nehmen. Die Eigenart des Landes soll aber doch nach Mög
lichkeit geschützt und erhalten bleiben und wurde schon wiederholt in
verschiedenen Zeitungen, besonders in reichsdeutscben Blättern, über den
Niedergang der Eigenart in Tirol geschrieben. Ein Weiterschreiten in
dieser Richtung aber bedeutet, abgesehen davon, daß es um manches alte
Haus überhaupt jammerschade ist, auch keine geringe Gefahr für den
Fremdenverkehr, der dadurch einen Rückgang erfahren kann, daß das
eigenartige Landschaftsbild verunstaltet und in alten Städten allzu Modernes
auf die bestehende historische Umgebung aufgepfropft wird.
Um all diesen Bestrebungen entgegenzutreten, bat sich in Tirol der
„Verein für Heimatscbutz in Tirol« gebildet, der zwar mit sehr aner
kennenswertem Eifer für die Erhaltung des Althergebrachten eintrltt, aber
für sich Ulein zu schwach ist, um ohne Hilfe der Behörden den drohenden
Niedergang aufzuhalten. Die Behörden selbst aber sind, da ihnen gesetz
liche Bestimmungen nicht zu Gebote stehen, häufig auch nicht in der Lage,
Verunstaltungen und Störungen der Orts- und Landschafts-Bilder hintan
zuhalten,
Es kann nun keineswegs verkannt werden, daß der gegenwärtige Zu
stand der Gesetzgebung infolge der hinsichtlich des Schutzes der heimischen
Bauweise bestehenden Lücken ein bedenklicher ist, aber andererseits muß
diese Frage mit großer Vorsicht behandelt werden, damit zu weitgehende
Eingriffe in das Privatrecht, die sieb nicht rechtfertigen ließen, vermieden
werden. Es darf daher diese Frage unter keinen Umständen Übers Knie
gebrochen werden, sondern wäre noch einem eingehenden Studium unter
Zuziehung von Sachverständigen und von Vertretern der beteiligten Kreiee
zu unterziehen. Andererseits aber scheint es dringend geboten, den Bau
behörden gewisse Handhaben zu bieten, durch welche sie in die Lage
versetzt werden, allzu krassen Verletzungen des guten Geschmacks wirk
sam entgegentreten zu können,
Oer Landtag hat infolgedessen den folgenden beiden Gesetzen zu
gestimmt;
I.
Gesetz
betreffend Abänderung einzelner Bestimmungen der Tirolischen Bau-
Ordnung.
Die §§ 7, 26, 29, 32, 46, 84 und 83 des Gesetzes vom 15. Oktober 1900,
L.-G.-Bl. Nr. 1 ex 1901, womit für Tirol eine Bauordnung erlassen wurde,
werden teilweise abgeändert, und zwar in folgender Art; § *
§ 7-
Der zweite Satz des ersten Absatzes hat in Hinkunft zu lauten:
„Hiebei sind die Anforderungen des Verkehrs (§ 5), der Gesundheit,
der Peuerslcherheit usw., sowie die Eigenart des Ortsbildes zu berück
sichtigen.«
§ 26.
Ala neuer zweiter Absatz ist einzufügen:
„Dachdeckungen, welche das allgemeine Ortsbild oder Landschaftsbüd
erheblich beeinträchtigen, sind zu .vermeiden.«
5 29.
Ist zu streichen und durch folgende Fassung zu ersetzen:
„Der Behörde steht das Recht zu, grobe, das Orts- oder Land
schaftsbild störende Schönheitsfehler, auffallende Verstöße gegen die
heimische Bauweise, sowie eine allzu grelle Färbelung der Ansichtsseite
zu untersagen.«
§ 32-
Im dritten Absätze ist folgender Zusatz zu machen:
...... beeinträchtigt wird; auch ist bei deren Herstellung auf hei
mische Vorbilder tunlichst Bedacht zu nehmen.«
g 46.
Nach Punkt 3 ist als vierter Punkt beizusetzen:
,.4. In jenen Fällen, In denen es sich um Villen oder Wohngebäude
von mindestens acht Wohnbestandteilen, bei anderen Bauten um eine
verbaute Grundfläche von mindestens 150 qm handelt, der Laudesausschuß
unter Übermittlung einer einfachen Plansklzze; diesem steht es frei, zur
Verhandlung einen Vertrauensmann mit beratender Stimme auf Kosten
des Landes zu entsenden, doch kann die Bauvcrhandlung auch ohne
seine Vermittlung oder Äußerung durebgeführt und die Erledigung des
Baugesuches (§§ 47 und 48) hinausgegeben werden. Von dieser Be
stimmung sind ausgenommen landwirtschaftlichen Zwecken dienende
Bauten.«
§ 82.
Als neuer zweiter Absatz ist einzulügen:
„Dachdeckungen, welche das allgemeine Orts- bzw. Landschaftsbild
erheblich beeinträchtigen, sind zu vermeiden. 4 *
§ 85.
Am Schlosse dieses Paragraphen ist anzufügen:
beeinträchtigt wird; auch ist bei deren Herstellung auf
heimische Vorbilder tunlichst Bedacht zu nehmen. 1 *
II.
Gesetz
betreffend Abänderung einzelner Bestimmungen der Innsbrucker Bau-
Ordnung.
Der erste Absatz des § 6t des Gesetzes voni 30. März 1896, L.-G.-Bl.
Nr. 3t, mit welchem eine Bauordnung für die Landeshauptstadt Innsbruck
erlassen wurde, hat in Hinkunft zu entfallen und zu lauten wie folgt:
§ 61.
„Die Wahl des Baustils für einen auszuführenden Neubau oder Um
bau bleibt im allgemeinen dem Bauherrn überlassen, doch muß sich die
äußere Gestaltung des Baues harmonisch dem Stadtbilde einfügen, wobei
in erster Linie die heimische Bauweise und Eigenart bevorzugt werden
soll. Der Behörde steht es frei, grobe architektonische Fehler, sowie offen
kundige Verstöße gegen vorstehende Bestimmungen zu beanstanden und
die Ausführung derartiger Pläne zu untersagen.**