DER STÄDTEBAU
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Abb. 2. Blick auf die Ecke Türkenstraßc am Marktplatz.
Mängel ein Schmerzenskind des Ganzen. Stoßen doch hier
die alte und neue — genauer die eben erst vergangene
Zeit mit ihrer grundverschiedenen Bauweise in geradezu
wehtuender Weise aufeinander. Die ganze nördliche
Straßenwand des Marktplatzes weist wohl zusammen
gestimmte alte Gebäude auf, deren Stirnen in Putz gehalten
und die zum großen Teil mit Mansardendächern ab
gedeckt sind; und nun tritt plötzlich an der Ecke ein
großer roter Backsteinbau prahlerisch hervor und ver
nichtet den ganzen heimeligen Eindruck. Wie aus Ab
bildung a Tafel 26 und Textbild 2 hervorgeht, bildet dieses
Bauwerk den letzten Abschluß der seinerzeit zurück
gerückten westlichen Häuserreihe der Türkenstraße und
ist mitsamt diesen Gebäuden in einer — erst wenig zurück
liegenden — Zeit erstellt worden, in der man noch alles
Heil vom Backstein erwartete; es wäre daher nur zu
wünschen, daß dieses Gebäude entfernt und so die frühere
Sünde wieder gutgemacht würde. Damit wären von den
Ecken v und w der beiden anliegenden Häuser bis zur
Ecke a des gegenüberliegenden Gebäudes gerade die im
Programm geforderten 18 m lichter Weite geschaffen und
es entstünde nunmehr hier ein einspringender, von zwei
Giebeln begrenzter Straßenwinkel. Der Giebel des Hauses
430 würde den Abschluß der nördlichen Häuserwand des
Marktplatzes bilden, wäre daher wie diese zu verputzen.
Der andere würde die moderne Backsteinhäuserreihe der
Türkenstraße abschließen und wäre deshalb in Backstein
aufzuführen. Auf diese Weise ließe sich an der Ecke o der
Übergang von der älteren Putz- zu der neueren Backstein
bauweise ohne Härte vollziehen. Dabei bliebe dem Markt
platz seine Geschlossenheit gewahrt, da zu der Verhinde
rung des Durchblicks nach der Obertorstraße nur die
Ecke u festgehalten zu werden braucht’") und das Stück
v—o nicht sonderlich vermißt werden wird. Gleichzeitig
wäre auch in dem viel zu langen Linienzug der Mainzer
Straße wieder ein Ruhepunkt für das Auge gegeben, der,
weil der übrigen Bauweise mehr angepaßt, entschieden
wohltuender wirken würde, als der bisherige.
*) Man könnte sogar von diesem Gesichtspunkt aus ohne wesent
lichen Schaden für den Marktplatz unbedenklich auch noch das Haus 430
herausnebmen. Doch erscheint es nicht notwendig, über die im Pro
gramm geforderten 18 m hinauszugehen.
B. Die Straßenumgestaltung.
Hierfür wird zweckmäßig der Grundsatz möglichster
Anlehnung an das bisherige durchgeführt. Nachdem die
südliche Baulinie der Obertorstraße festgelegt ist, fragt es
sich nur noch, wie die nördliche mit der Forderung des
Programms in Einklang zu bringen ist, wonach die Ober
torstraße „entsprechend der Breite der Mainzer Straße zu
erweitern“ ist. Es ergeben sich hier wieder zwei Möglich
keiten; entweder wird die ganze nördliche Baulinie bis aut
18 m Abstand von der südlichen weggerückt oder aber
werden unter teilweiser Festhaltung der ersteren Linie die
Fußwege in die Häuser selbst verlegt, also laubenartig an
geordnet.
1. Hinausrückung der nördlichen Baulinie.
Die erste Möglichkeit, die Hinausrückung der nördlichen
Baulinie auf 18 m Abstand von der südlichen würde eine
unbeschränkte Weiterführung des Querschnitts der Mainzer
Straße ermöglichen, d. h. es würde sich an die südliche
Baulinie zunächst ein 3,5 m breiter Gehweg, sodann eine
11 m breite Fahrbahn und schließlich wieder ein Bürger
steig von derselben Breite wie oben anschließen. Diese
Ausbildung hat indes folgendes gegen sich:
a) Vom Verkehrsstandpunkt aus sollte eine Ver
setzung der Achsen beider Straßen gegeneinander, die bei
Wohnstraßen ja durchaus angebracht ist, wegen der Un
zuträglichkeiten für Fuhrwerke und Straßenbahn nach
Möglichkeit vermieden werden, sodann würde das weite
Vorragen des südlichen Gehwegs an der Ecke a die volle
Ausnützung der neu zu schaffenden Durchfahrt a—o wesent
lich einschränken, ganz abgesehen davon, daß bei dem
oben geschilderten Verlauf des Fußgängerstroms eine Breite
von 3,50 m für diesen südlichen Gehweg als zu hoch er
scheint.
b) Künstlerische Rücksichten würden zwar einem
Niederreißen der nördlichen Gebäude kaum entgegenstehen,
da die, übrigens ganz malerisch aussehenden, Häuser 224
bis 228 (Abb. a Tafel 26) wegen ihrer Kleinheit und Bau
fälligkeit in dieser Geschäftslage auf die Dauer doch nicht
festgehalten werden können und die drei Gebäude 230,
239 und 240 in das Straßenbild nicht hineinpassen. Da
gegen erscheint es nicht angebracht, neben der kalten
Weite der Türken- und Mainzer Straße noch eine weitere
derartige Öde zu schaffen. Vielmehr muß das Bestreben
dahingehen, die Breite der neuen Obertorstraße auf das
geringst mögliche Maß zu beschränken und dem läßt sich,
wie schon im Programm bemerkt, nur Rechnung tragen
durch
2. Einbau der Bürgersteige.
So hübsche architektonische Bilder auch derartige Ein
bauten der Bürgersteige als Laubengänge in die Häuser ge
währen, so darf man sich doch die Tatsache nicht ver
hehlen, daß, namentlich da, wo man die Lauben in bereits
vorhandenen Häusern einrichtet, bei denen man mit dem
Höhenmaß beschränkt ist, die anstoßenden Geschäftsräume
unter diesen lichtraubenden Vorbauten leiden. Auch stellen
sich die letzteren selbstredend keineswegs billig, sei es
nun, daß sie nachträglich in bestehende Häuser eingebaut
oder schon von Anfang an bei Neubauten vorgesehen
werden. Es erscheint deshalb zweckmäßig, diese Lauben
gänge nicht allzuweit auszudehnen, sondern bloß auf den
unbedingt erforderlichen Umfang zu beschränken, mit an-