DER STÄDTEBAU
17
anderen die Elbseite geöffnet oder geschlossen werden
soll, die meisten, ja fast alle Entwürfe legen die Axe
senkrecht zur Elbe und übersehen, daß der Platz
heute kein Lustgarten mehr ist, auch kein Vorraum
im Freien für das Opernhaus, sondern ein richtiger
und echter Verkehrsplatz mit einem durchaus nicht ge
ringen Trambahn* und Wagenverkehr. An eine Verwirk
lichung der Semperschen Ideen ist nicht mehr zu denken,
seitdem der Museumsbau den Zwinger auf seiner vierten
Seite abschließt und das neue Sempersche Opernhaus an
stelle des alten abgebrannten weiter zurückgerückt wor
den war; auch eine breite monumentale Terrassen* und
Treppenanlage, wie sie Semper als Abschluß an der Elbe
plante, ist bei den heutigen Verkehrsbedingungen unaus
führbar. Die Erlweinsche Planung geht hier allein von
der richtigen Erkenntnis aus, daß der Platz heute in erster
Linie dem Verkehr dient, dieser sich aber nicht so ent
faltet, daß eine vom Museum zur Elbe senkrecht gerichtete
Axe die Platzgestaltung . bedingt. Seine Piatzanlage ist
aus der Beobachtung der tatsächlichen Verkehrsabwick
lung heraus entstanden, die den Verkehr von der Brücke
auf den Platz und umgekehrt leitet. Aus der praktischen
Anschauung, aus den Bedürfnissen der wirklich sich ge
staltenden Verkehrsbedingungen heraus hat Eriwein dann
seine diesen Zwecken entsprechende künstlerische Gestal
tung des Platzes gesucht und gefunden. Die Axe des
Platzes ist dementsprechend vom Brückenköpfe nach der
Platzecke zwischen dem Museum und dem Opernhause
gerichtet. Das dürfte noch mehr zum Ausdruck kommen,
wenn nach Fertigstellung des Ersatzbaues für das Italie
nische Dörfchen der Trambahnverkehr dort anders ge
staltet werden wird.
Ein Chiaveri, Pöppelmann, Cuvillie und Gottfried Sem
per haben dem Flügelschlage ihrer Zeit gelauscht, aus ihrer
Zeit und deren Bedürfnissen und Bedingungen heraus ge
plant und gebaut. Freuen wir uns, daß die Erlweinsche
Planung in ihrer schlichten Bescheidenheit zugleich die
glücklichste Lösung gefunden hat, indem Erlwein, den
Alten ebenbürtig, es verstand, den Anforderungen und den
Bedingungen der Neuzeit durch eine zweckmäßige und
dabei ästhetisch so hervorragende Gestaltung völlig gerecht
zu werden.
DIE VORSTÄDTE VON PARIS
UND DER NEUE PARKGÜRTEL.
Von EUGENE H±NARD, Architekt, Paris.
All das Vorhergehende läßt sich nur auf neu zu
schaffende Parks anwenden. Es versteht sich von selbst, daß
es unter keinem Vorwand nötig ist, die bestehenden Parks,
die von alten königlichen oder fürstlichen Domänen her
rühren, zu beschränken oder umzugestalten, und die einen
Teil des künstlerischen Erbgutes einer großen Stadt bilden.
Was die kleineren Plätze (squares) anbetrifR, muß man sie
vermehren, auch wenn ihre gesundheitliche Rolle eine
mittelmäßige ist, denn sie tragen viel zur Fröhlichkeit und
Schönheit einer Stadt bei.
Um wirksam zu sein, sollen die Parks nicht mehr als
zwei Kilometer voneinander Abstand haben, derart, daß
der weniger begünstigte Einwohner nicht mehr als einen
Kilometer zu Fuß zu laufen hat, um eine dieser Promenaden
zu erreichen. Die ganz jungen Kinder und die, die sie
überwachen, dürfen nicht in die Notwendigkeit kommen,
alle Tage und oft zweimal am Tage ein Verkehrsmittel zu
benutzen (Straßenbahn oderUntergrundbahn), deren wieder
holter Preis, so klein er auch sei, bald eine große Ausgabe
für die vom Glück nur bescheiden Bedachten werden würde.
Außerdem sind diese Beförderungsmittel nicht gegen An
steckungen geschützt und wiegen vom gesundheitlichen
Standpunkt nicht den Wert eines wenig ermüdenden Wegs
zu Fuß auf. Dies ist die Antwort, die man den Anhängern
des gegenwärtigen Zustandes geben muß, die behaupten,
daß es bei den heutigen Verkehrsmitteln unnötig ist, Ent
fernungen zu durchlaufen, um eine Promenade in frischer
Luft zu erreichen.
Die Parkways oder Avenues-Promenaden verschönern
eine Stadt sehr; aber ihre Anlage in Paris würde zu
dem — verhältnismäßig unbedeutenden — Ergebnisse zu
beschwerliche Enteignungen fordern. Der schönste Park-
(Fortsetzung und Schluß aus Heft i.)
way, den wir besitzen, wird gebildet durch die Linie der Kais
und die Ufer der Seine, wo die Bäume sich harmonisch
mit den wichtigsten Denkmälern der Stadt verbinden. Wir
können damit zufrieden sein.
Seit einigen Jahren ist die öffentliche Meinung über
das fortgesetzte Verschwinden der alten Gärten in Auf
regung geraten. Ein Ideenstrom, der alle Tage mächtiger
wird, zeigt sich zu Gunsten der Anlegung neuer freier
Räume; und die nahe Abtragung der Befestigungen wird
es wahrscheinlich möglich machen, zu einem zweckmäßigen
Ergebnis zu kommen. Wir wollen zuerst prüfen, welches
der zu erreichende ideale Zweck ist und dann in welcher
Reihe von Abständen es möglich sein wird, sich ihm zu
nähern. Betrachten wir das Paris innerhalb der Wälle
nicht weiter, sondern das ganze Paris und seine Vorstädte,
wie wir es unter a, Doppeltafel 1/2 festgesetzt haben.
Textbild 3 zeigt das gegenwärtige Verhältnis, welches
zwischen der Bodenfläche der Parks und Gärten und der
Gesamtbodenfläche der Pariser Stadtanlage besteht. Man
sieht, daß dieses Verhältnis ein wenig niedriger ist als V>°
der Gesamtbodenfläche. Um Vs dieser Bodeniläche zu er
reichen, fehlt es Paris an ungefähr 500 Hektar mit Bäumen
bewachsener Räume. Man wird in Abb. b der Doppel*
tafel 1/2 den schematischen Entwurf des Erweiterungs
planes von Paris finden mit den alten Parks und den neuen
Parks, die atizulegen sind, um diesen Fehlbetrag zu decken:
die ersteren sind durch einfache, die zweiten durch ge
kreuzte Schraffierungen bezeichnet. Der neuen Parks
sollen 34 werden. Neben ihrer Ordnungsnummer bezeich
net der Plan ihre Bodenfläche in Hektar, die von 8 Hektar
für den kleinsten bis zu 29 Hektar für den größten wechselt;
ihre Bodenfläche beträgt im ganzen 463 Hektar. Alle Straßen,