DER STÄDTEBAU
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der Eisenbahn gelegenen — denn hier hänge es wieder
von der Art des Hochwasserabflusses ab, ob die Kreuzun
gen mit der Eisenbahn als Straßen-Über- oder Unter
führungen zu lösen sein werden — zur Bebauung weiter
aufteilte. Auch Lasne hat — siehe Lageplan, Tafel 33 —
die Flutbetten beibehalten, doch — was im Urteile des
Preisgerichtes nicht zum Ausdruck gekommen ist — auch
im Falle sie beseitigt werden könnten, das Straßennetz so
entworfen, daß dessen Lücken durch einfache Fortführung
der Straßenzüge leicht auszufüllen wären. Wenn ihm zum
Vorwurf gemacht werden konnte, daß er die — für die Groß
industrie an der Eisenbahn und zur Verbindung der In
dustriegebiete zu beiden Seiten der Isar verlangten —
Schienengleise mit Überbrückung der Isar als Hochbahn vor
gesehen und dem Industrieviertel zwischen der großen und
kleinen Isar einen allen Stadtteilen gemeinsamen Friedhof
vorgelagert habe, so dürfte die Schuld in erster Linie wieder
nicht den Verfasser, sondern eben die Ungewißheit über die
Hochwasserabführung treffen. Denn die völlige Brach
legung des Verkehrs auf einer zeitweise im Hochwasser
liegenden Flächenbahn würde sicherlich nichts den Un
bequemlichkeiten eines Hochbahnbetriebes nachgeben, der
immerhin der städtischen Entwicklung freie Bahn läßt —
und die Erdbewegung, die eine Schiffbarmachung der
Wasserstraße mit der Anlage eines Hafens mit sich zu
bringen pflegt, würde auch Massen genug zu einer etwaigen
hochwasserfreien Aufhöhung eines Friedhofgeländes liefern
können.
Pützer endlich hat sich damit geholfen, daß er die
städtische Flutmulde zwar durch eine schlanke Krüm
mung ihres Nordrandes etwas einschränkte, um dafür das
Isarbett am Heiligen-Geist-Spitale zu erweitern, für das
Gelände am Bahnhofe aber, je nachdem die Flutgräben
dort beizubehalten oder zu beseitigen wären, zwei Lösun
gen zur Auswahl stellte — siehe Lageplan, Tafel 35. Nur
der in allen Sätteln gerechte vierte Bewerber — Stübben —
ist der Frage näher getreten und hat sie dadurch zu lösen
versucht, daß er den nördlichen Flutgraben an der Eisen
bahn und die städtische Flutmulde beibehalten hat, letztere
unter Gabelung in zwei Arme, dagegen den Flutgraben
südlich vom Bahnhofe unterdrückt hat — siehe Lageplan,
Tafeln 40 und 41. Aber auch er gewährleistete nicht die Rich
tigkeit seiner Berechnungen und verlangte weitergehende
Untersuchungen. Immerhin konnte nach Meinung des
Preisgerichts der Bebauungsplan auf dieser Grundlage mit
Sicherheit festgelegt werden.
Bei den ungleichen Voraussetzungen mußte es aber
nun dem Preisgerichte schwer fallen, dem künstlerischen
Gehalte der Wettbewerbsentwürfe in gleicher Weise ge
recht zu werden, was sich auch in der je nach dem vor
wiegenden Standpunkte verschieden ausgefallenen Beur
teilung der Entwürfe deutlich ausspricht. — Ausdrücklich
soll jedoch bei dieser Gelegenheit die im übrigen sorg
fältige Vorbereitung des Wettbewerbes hervorgehoben
werden, insbesondere die nachahmenswerte Tatsache, daß
mit den Bewerbern vor Beginn der Arbeit — nur der er
krankte Herr Lasne hatte nicht daran teilnehmen können —
eine gemeinsame Besichtigung der Örtlichkeit mit darauf
folgender Verhandlung stattgefunden hat, in der das Pro
gramm durchgesprochen und über die einzelnen, insbeson
dere für die Erhaltung des alten Stadtbildes bedeutsamen
Punkte eine Verständigung herbeigeftihrt wurde. Nicht
weniger als 13 Stück Unterlagen waren den Bewerbern
geliefert.
Nächst dem Erläuterungsberichte von J. Stübben war
der von Otto Lasne der umfangreichste und vom künst
lerischen Standpunkte aus eingehendste, den eingestreute
Abbildungen wirksam unterstützten. Deshalb möge dieser
Bericht mit geringen Änderungen auch selber sprechen.
1. Änderungen in den vorhandenen Stadtteilen.
„Zu verlangen ist bei einer besseren Verbindung der
Neustadt mit der oberen Altstadt sowohl das Bild der
Altstadt als jenes der Neustadt nach Möglichkeit
zu schonen. Diese Verbindung durch etwaige Verbreite
rung der Spiegelgasse oder der Kirchgasse in Vorschlag
zu bringen, wie das in den allgemeinen Gesichtspunkten
(des Programmes) als möglich bezeichnet ist, habe ich
mich nicht entschließen können. Nach meiner Meinung
müßte Hand in Hand mit der Lösung dieses Programm
punktes auch eine bessere Verbindung der oberen Altstadt
mit der Freyung, also der St, Martinskirche mit der St. Jo
dokskirche angestrebt werden. Die Vorschläge hierfür sind
auf Tafel 34 zur Darstellung gebracht; ich darf wohl an
nehmen, daß damit der glatteste und wenigst kost
spielige Weg zur Erreichung des genannten Zieles ge
funden wäre. Die verlangte Verbindung würde also durch
den Häuserblock gehen, der von der Altstadt, der Schirm
gasse, der Neustadt und der Kirchstraße begrenzt ist. Es
wäre dabei nicht nur im oberen Teile der Altstadt jeder
Eingriff vermieden; auch die Geschlossenheit des Platzes
an der Martinskirche bliebe ebenso erhalten wie jene der
Straßenwandungen der Neustadt, weil die Einmündungs
stellen des geplanten Straßenzuges sowohl am Kirchplatz
(der Kirchstraße) als in der Neustadt torartig überbaut
werden sollen. Das von Punkt A aus dargestellte Schau
bild zeigt die gedachte Platzwirkung.“
„In den Vorschlägen für den Neubau der Heiligen-
Geist-Gasse ist auch die verlangte Prucknerhausdurchfahrt
dargestellt. Den Grundriß des Erdgeschosses des Hauses,
wie er sich beim Umbau ergeben würde, bringt beifolgende
Abbildung 1. Sehr empfehlenswert scheint mir eine solche
Abb. 1.
Lösung jedoch nicht zu sein. Die einzelnen Stockwerke,
insbesondere aber das Erdgeschoß, sind zu niedrig, als
daß durch solche Veränderungen die jetzige feine Wirkung,
die das Prucknerhaus von der Neustadt aus hat, nicht