DER STÄDTEBAU
138
tj 12. Wird eine angemeldete Fällung nicht untersagt oder wird
sie unter bestimmten Beschränkungen gestattet, so kann die politische
Bezirksbehörde die Fristen bestimmen, innerhalb deren die Schlag
flächen zu räumen und wieder in Bestand zu bringen sind.
Wenn Verhältnisse obwalten, welche die Erfüllung der
Aufforstungsverpflichtung zweifelhaft erscheinen lassen,
kann die Bewilligung eines Schlages von der vorläufigen
Hinterlegung einer angemessenen Sicherheit abhängig ge
macht, beziehungsweise der Schlag bis dahin untersagt
werden.
Die Sicherheit hat in Bargeld, in Staats- oder anderen als mündel-
sicher erklärten Wertpapieren, näch dem Börsenkurse des Erlagstages
berechnet, oder in Einlagsbüchern inländischer Sparkassen oder Raiff
eisenkassen zu bestehen.
Selbe ist dem Erleger erst nach der vollendeten und als ent
sprechend anerkannten Aufforstung, beziehungsweise Nachbesserung
zurückzustellen, in jenen Fällen aber, in welchen die Aufforstung
verabsäumt oder unvollständig ausgeführt wird, zu deren
von Amts wegen zu bewirkenden ordentlichen Durchführung nach
Maßgabe des Bedarfes zu verwenden,
A m 21. Juni mittags ist das eng zusammengebaute Dorf ZIRL,
dessen Dächer fast durchwegs überhängendes Sparrenwerk und
Schindeleindeckung besaßen, innerhalb i 1 /* Stunden fast gänzlich ab
gebrannt. 164 Firste sind ein Raub der Flammen geworden, nur die
Kirche und einige freistehende Gebäude an den Dorfenden sind verschont
geblieben — der Dorfkern (Abbildung) zeigt das Bild einer ausgegrabenen
Stadt.
Hilfe setzte ungesäumt ein und hat für die Linderung der ersten Not
gesorgt. Auch der Wiederaufbau ist in seine Bahnen geleitet: auf Veran
lassung des Tiroler Landesausschusses hat der Verein für Volkskunst und
Volkskunde in München, der in Tirol eine Anzahl von Mitgliedern und
Freunden besitzt und dessen Tätigkeit für die Erhaltung landschaftlicher
Schönheiten und die Pflege heimischer Bauweise gar nicht hoch genug
eingeschätzt werden kann, die Aufstellung eines neuen Baulinienplanes für
Zirl übernommen und sich außerdem bereit erklärt, die sämtlichen Neubau
pläne zu überprüfen und auf ihre Ausführungswürdigkeit zu begutachten.
Der Baulinienplan — seine Verfasser sind zwei hauptsächlich auf
dem Gebiete des Städtebaues tätige Vereinsmitglieder hat bereits am
21, Juli, also einen Monat nach dem Brande, die einstimmige Geneh
migung des Zirler Gemeindeausschusses gefunden, und an den einzelnen
Bauplänen arbeitet eine Schar von Innsbrucker und Münchener Archi
tekten — lauter Vereinsangehörige — von denen jeder seine Tätigkeit
kostenlos, bezw. gegen Ersatz seiner Barauslagen zur Verfügung ge
stellt hat.
Die Aufgabe ist äußerst schwierig, sicher aber liegt sie in guten
Händen, und es kann wohl angenommen werden, daß mit dem neuen
Zirl das Musterbeispiel einer ganzen Dorfanlage in wirklich guter, in hei
mischer Bauweise geschaffen werde.
Unsere Zeitschrift wird Gelegenheit haben, den Baulinienplan zu ver
öffentlichen und über das Bauschicksal Zirls weiterhin zu berichten.
T'NER ITALIENISCHE UND DER DEUTSCHE FRIED-
HOF von Oddone Kruepper, Gartenarchitekt, Düsseldorf. In den
Hamburger Nachrichten bringt ein Anonymus W. einen Teil meiner letzt
hin im Städtebau erschienenen Abhandlung ,,Der italienische und der
deutsche Friedhof“ und stellt sich dabei die Aufgabe, einige meiner Aus
führungen zurückzuweisen.
W. behauptet, in der neueren Zeit nähme mit gutem Recht die Liebe
zu dem park- oder waldartig angelegten Gottesacker immer mehr überhand.
Diese unbewiesene Behauptung erweist sich jedoch als unrichtig,
wenn man das Ergebnis des jüngsten Friedhöfe betreffenden Preisaus
schreibens betrachtet, woraus man klar erkennt, daß man sich vom Park
und Wald immer mehr entfernt und an ihrer Stelle praktisch aufgeteilte,
tektonische Friedhofsgärten treten läßt.
W, versichert ferner, daß gerade die Hamburger einen wald- und
parkartigen Gottesacker haben, der den Spaziergängern gestattet, sich
darin zu ergehen, ohne daß durch ihre Anwesenheit die Andacht der
Trauernden gestört wird.
Ich Stelle fest, daß der Hamburger Oblsdorfer Friedhof an Größe
seinesgleichen sucht, und gebe zu, daß die erwähnten Störungen in An
betracht dessen geringer als irgendwo anders sein werden, glaube auch,
daß manche den Friedhof als Sehenswürdigkeit betrachten. Lustige, fröh
liche Spaziergänger, die gewöhnlich Park und Wald beleben, die nach
harter Arbeit mit Kind und Kegel ins Freie eilen, um sich des Lebens zu
freuen, wird auch der Ohlsdorfer Friedhof nicht kennen. Über diesen
Punkt ist ein Streiten indessen müßig, denn über Stören und Qestörtsein
kann schlechterdings jeder anderer Meinung sein. Man frage sich aber
selber, wie oft man einen Friedhof zum Spazierengehen aufsucht, und
vergleiche die Zahl und die Stimmung der Friedhofsbesucher mit den
jenigen, welche Park und Wald vorziehen.
W. endigt seinen Aufsatz mit Folgendem:
„Denn gerade das Heranziehen dessen, was dem Deutschen die Natur
liebenswert macht, macht ihm auch die damit geschmückte letzte Ruhe
stätte vertrauter, und der Eindruck, mit dem wir nach einer Wanderung
zwischen rauschend vom Winde bewegten Bäumen uncl im lieblichen
Farbenspiel prangenden Busch- und Blumenspalieren an ein plötzlich
sichtbar werdendes Einzelgrab oder Gräberfeld herantreten, steht unserem
seelischen Verlangen nun unendlich näher, als ihn das Dahinschreiten
zwischen den noch so prunkvoll zugestutzten Grabmälern, Säulenhallen
und Kapellen hinterläßt, das auf die Dauer doch mehr ermüdend als er
hebend wirkt.“
Diesen Schluß hätte sich der Anonymus sparen können, hätte er
nicht verschwiegen, daß in meiner Abhandlung (Seite 78 rechte Spalte)
gerade für den mehr die Natur liebenden Deutschen ausdrücklich von
Anlagen nach dem Vorbilde italienischer Friedhöfe abgeraten wird.