DER STÄDTEBAU
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daß umgekehrt alles sich ebenso wieder auseinanderlegen
ließe, so haben wir das, was wir unter Positivum ver
stehen wollen. Wir können nun ebensogut statt Negativum:
Prinzip der Hohlgestaltung, der Konkavität, und statt
Positivum: Prinzip der Vollgestaltung, der Konvexität,
setzen und erhielten damit das, was Camillo Sitte in seinem
Städtebau als Gegensätze der in Rede stehenden Auffassungs-
weisen bereits hervorgehoben hat.
Nun entspricht nach meiner Meinung das Prinzip
der Konkavität vorwiegend dem, was das Wesen der
historischen Städtbaukunst ausmacht und das der Kon-
Abb. i.
vexität dem, was das Wesen der modernen Städtebau
kunst ist, womit ich freilich nicht etwa sagen will, die
alten Städte seien unmittelbar durch Herausschneiden von
Straßen und Plätzen aus einer zusammenhängenden Häuser
masse so geworden, vielmehr glaube ich, daß ihre Ent
stehung wohl ganz so wie jetzt, nur in weitaus lang
samerem Zeitmaße, zu denken ist, aber ein anders gearteter
Antrieb für die Entstehungsweise doch vorausgesetzt wer
den muß; denn wie könnte sonst eine so ausgesprochene
Verschiedenheit erklärt werden. Ich erblicke den Unter
schied nur darin, daß die Alten bei ihrem Städtebau vor-
Abb. 2.
Beispiele alter Bebauung. Abb. x: Rothenburg, Abb. 2: Nördlingen, Abb. 3: Dinkelsbühl, Abb. 4: Ansbach.