DER STÄDTEBAU
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Betonkonstruktion, ist in Halle an der Elisabethenbrücke
mit Erfolg ausgerührt, (Abb. d, Tafel 47.) Die Umleitung des
Wasserweges um die alte Brücke, wie es für die alte Donau
brücke in Regensburg vom Prinzen Ludwig von Bayern auf
der 9. Hauptversammlung des Vereins zur Hebung derFluß-
und Kanalschiffahrt vorgeschlagen wurde, ist ein wohl nur
in ganz vereinzelten Fällen anwendbares Verfahren, das
wegen der Kosten und der Geländeverhältnisse nur in den
seltensten Fällen ausführbar sein wird.
Den Vernichtungskampf namentlich der kleineren Städte
gegen ihre alten Umwallungen schilderte Redner in treffen
der Weise. Als beste Verwendung ist die Umwandlung
der Gräben und eines breiten Streifen Vorlandes zu öffent
lichen Anlagen zu bezeichnen, wobei man nicht in den
Fehler verfalle, zu Gunsten wohlabgezirkelter Anlagen die
Romantik dieser alten Gräben zu vernichten. Ein gutes
Beispiel hierfür sind die Festungsgräben der Stadt Nürn
berg, die unzugänglich sind, im Gegensatz dazu die An
lagen im Burggraben der Moritzburg zu Halle.
Im Streite um die Verkehrsverbesserung kommen am
schlimmsten weg die alten Tore und Tortürme. Auch hier
lassen sich in den meisten Fällen Mittel und Wege Anden,
den Verkehr unter Umständen seitlich abzuleiten durch
Eröffnung neuer Durchgänge in alten Mauern, oder Anlage
von Neubauten mit weiteren Torwegen. Redner hat eine
gewisse Übersichtlichkeit in diese naturgemäß sehr ver
schieden liegenden Verhältnisse durch Feststellung einer
Anzahl Möglichkeiten gebracht, der wir hir folgen wollen.
Die erste ist wieder die schon früher erwähnte Ver
kehrsablenkung, die z. B. in Jena für die Straßenbahnlinie
vor dem Johannistore zur Durchführung kam und die durch
einen kleinen unbedeutenden Umweg durch die Leutra
straße das alte und für die Durchführung der Straßenbahn
zu enge Tor unberührt ließ. (Abb. e, Tafel 47.)
Die zweite Möglichkeit, die Vergrößerung der Durch
fahrt wird sich nur selten empfehlen, am meisten noch
nach der Höhe, die sich durch Abgraben der vielfach über
die alte Straßenlage gestiegenen Torsohle noch am einfach
sten erreichen läßt.
Die Schaffung neuer seitlicher Durchgänge ist die dritte
Möglichkeit. Hierfür sind bereits eine Anzahl sehr ge
lungener Versuche zu verzeichnen, so die Erweiterung des
äußeren Frauentores in Mühlhausen i. Th. (Abb. b, Tafel 48),
die Entwürfe für die Verkehrsverbesserungen am Burgtor
in Lübeck usw.
Die vierte Möglichkeit, der einseitige Abbruch (Abb. f,
Tafel 47) der an das alte Tor anstoßenden Gebäulichkeiten
ist nur dann zu empfehlen, wenn er im Straßenbilde nicht
schon von weitem sichtbar ist. Besser ist es, die entstandene
Lücke durch einen, wenn auch noch so einfachen Über
bau mit weiter Toröffnung zu schließen, wie das z. B. in
Regensburg am Durchbruche neben dem Torturm der
NEUE BÜCHER.
Wir bitten um gefällige Zusendung aller einschlägigen neuen
Bücher und Schriften, die wir unter dieser Übersicht regelmäßig an-
zeigen werden; wir übernehmen aber keine Verpflichtung zur Be
sprechung und Rücksendung.
D IE WASSERVERSORGUNG DES RHEIN-SELZ-GE-
BIETES. Von B, von Boehmer, Cioßherzoglicber Baurat und
Vorstand der Kulturinspektion Mainz. Mit 10 Tafeln und z6 Abbildungen.
steinernen Brücke geschehen ist. (Abb. c, Tafel 48.) Jeden
falls sollte aber der neue Anteil in sich durch seine Architektur
als eine neue Zutat kenntlich sein und nicht etwa in Nach
ahmung der Bauweise des Vorhandenen ein unliebsamer
Kontrast zwischen Altem und dem Alten nachempfundenen
Neuem erzielt werden.
Die völlige Freilegung alter Torbauten als fünfte Mög
lichkeit ist als stets sehr bedenklicher Notbehelf zu be
zeichnen und hat bis jetzt auch noch keine völlig befriedi
gende Lösung ergeben. Bei Toren mit Erdwällen mag sie
noch am gerechtfertigsten erscheinen (obwohl auch hier
die Erdwälle als Promenaden vielfach sehr dankbare
Spaziergänge bieten, z. B. in Soest, Der Verf.) Ein Bei
spiel einer solchen Freilegung bietet das Severinstor in Köln,
das wenigstens mit einem kurzen Stücke des Erdwalles
erhalten blieb, um es nicht zu sehr bloßzustellen. Wo aber
diese zusammenhanglose Freilegung bereits geschehen ist,
kann nur dem Redner zugestimmt werden, doch den Ver
such zu machen, durch Anbau von Säulenreihen, oder
sonstigen für den Durchgangsverkehr geeigneten Bauten
die Geschlossenheit der ursprünglichen Anlage wieder zu
gewinnen.
Vielleicht das drastischste Beispiel für die Änderung
der Auffassung auf dem Gebiete der Freilegungsarbeit ist
das ehemalige Laufertor zu Nürnberg, das dem Verkehrs
fanatismus im Jahre 1882 vollständig zum Opfer Ael, während
nunmehr in dem glücklichen Ausbau der Verkehrsver-
besserung am weißen Turme durch den verdienten Ober
baurat Weber (Nürnberg) eine Lösung gewonnen wurde,
die beiden Teilen, Altertumsfreund und Verkehrsfanatiker
in geschicktester Weise gerecht wird. Die größtenteils sehr
baufälligen alten Gebäude der unmittelbaren Umgebung
des Turmes wurden niedergelegt und durch Neubauten er
setzt, die gleich neben dem Tore mit großen Durchfahrten
versehen sind und die Geschlossenheit des früheren Straßen-
bildes in harmonischster Weise wieder erweckt haben,
Vergl. Tafeln 6 und 7 des Jahrganges I der Zeitschrift.
Durch die Vorführung gut gewählter Beispiele aus der
Praxis, wie die mit leisem Humor gewürzte Darstellung
der einschlägigen Verhältnisse hat es Redner verstanden,
das Thema so anziehend und vor allem in der Nutzanwen
dung so faßlich zu gestalten, daß zweifellos die Frage der
Verkehrsregelung unserer Städte damit in weiteren
Kreisen Verständnis finden dürfte und die Fehler, die man
seither so oft auf diesem Gebiete zu beklagen hatte, sich
mindernwerden. Der Nutzen solcher Vorträge mitBeziehung
auf praktische Fälle für die Denkmaltage dürfte nicht zu
verkennen sein, da er von dieser Stelle aus vorgetragen,
auf größere Verbreitung in den beteiligten Kreisen der Staats
und Kommunalverwaltungen rechnen kann, und die vielfach
im Laienpublikum vorhandenen einseitigen Anschauungen
solcher Fragen in glücklicher Weise veränderte.
München und Berlin. Druck und Verlag von R. Oldenbourg, 1907. Be
sprochen von Theodor Goecke, Berlin.
Hinter dem Titel wird man nicht vermuten, daß die vortreffliche
Veröffentlichung auch dem Architekten etwas bringt und zwar recht viel
bringt; zunächst die frohe Genugtuung darüber, daß Ingenieur und Archi
tekt an dem Wasserversorgungswerke Hand in Hand gearbeitet haben und
dann noch eine große Zahl architektonischer Tafeln (12), die überraschend
vielseitige Lösungen für die Hochbehälter des Gesamtwerks und der bc-