DER STÄDTEBAU
63
höheren Mietsertrag und damit den höheren Bodenpreis
bedingt. Auch Renauld bestätigt in seinen wertvollen „Bei-
trägen zur Entwicklung der Grundrente und Wohnungs
frage in München“, daß dort die relativen Steigerungen
der Bodenpreise von außen nach innen abnehmen, oder
umgekehrt im geraden Verhältnise vom Mittelpunkt nach
dem Umfange hin wachsen.
Interessant sind die Darlegungen Eberstadts über die
Kosten- und Mietsverhältnisse von typischen Berliner Miet
kasernen, deren Wertentwickelung an dem Beispiele der
GrundstückeStraßmannstr. 3/5 erörtert wird. Eberstadt weist
bei dieser Gelegenheit auch auf die Mängel im Schätzungs
wesen hin; ist doch der Feuerkassenwert der genannten
drei Gebäude von der städtischen Feuerkasse - also einer
öffentlichen Behörde — auf 600000 M. geschätzt worden,
während die wirklichen Baukosten nur 480000 M. betragen.
Er schlägt für eine Reform des Schätzungswesens die Selbst
erklärung des Besitzers (soll wohl heißen, den Nachweis
der Herstellungskosten) vor, die von der Feuerkasse auf
ihre Richtigkeit nachzuprüfen wäre. Bemerkt sei hierzu,
daß mit den öffentlichen Schätzungsämtern in Hessen gerade
die gegenteilige Erfahrung gemacht worden ist; es wird viel
fach geklagt, daß diese zu niedrig einschätzen und es wurde
auch schon wiederholt nachgewiesen, daß die Schätzung
die Selbstkosten des Erbauers nicht erreichte. Bedeutungs
voll sind die weiteren Ausführungen über die grundbuch-
lichen Beleihungen. Je höher diese sind, je höher ins
besondere die I. Hypothek ist, umso sicherer ist ein Spe
kulationsgewinn zu realisieren und eine spekulative Preis
treiberei möglich. Die bezeichnten drei Häuser sind mit
einem Verkaufspreise von 773000 M. angesetzt. In der Be
lastung, die nahezu die Verkaufspreise erreicht - - die An
zahlungen betragen nur 10000M. für das Grundstück— steckt
eine erste Hypothek von 550 000 M. (gegeben von einer
Berliner Anstalt). Sie übersteigt die zulässige Beleihungs
grenze von 69% bei den beiden Häusern Straßmannstraße
3 und 4 um je 40 000 M. und bei dem Hause Nr. 5 mit
einem auffällig hohen, nur auf besonderen ~ vielleicht vor
übergehenden — Umständen beruhenden Verkaufspreise
noch um rund 10000 M. ,,In Berlin ist bei einem Grund
stücke die Beleihung die Hauptsache; darnach wird das
Grundstück bewertet“ bemerkte zu Eberstadt der Inhaber
eines der ersten Baugeschäffe und — wie dies Beispiel
zeigt — hat der Mann recht. Treffend bemerkt Eberstadt
hierzu, daß die Grundstückspekulation das größte Inter
esse daran hat, gerade die I. Hypothek möglichst
hoch hinaufzutreiben. Zunächst ist deren Beschaffung
am leichtesten und vorteilhaftesten; aber — was bei dem
Zusammenhang von Beleihung und Spekulationsgewinn
das wesentliche ist — auch die weitere Belastung des. Grund
stückes hängt davon ab, daß die Hauptbelastung dem
Namen nach als erste Hypothek erscheint; denn hierdurch
wird für jede nachfolgende Belastung eine Steile in der
grundbuchlichen Rangordnung gewonnen. Wenn z. 6. in
dem obigen Beispiele sich die erste Hypothek in der gesetz
mäßigen Grenze von 440 000 M. hielte, so müßte ihr tat
sächlicher Mehrbetrag von 110000 M. schon als zweite
Hypothek erscheinen. Die nächste Belastung erhielte als
dann den Rang einer 3. Hypothek und es ist sehr fraglich,
ob diese überhaupt zu annehmbaren Bedingungen erhältlich
wäre. Damit entfiele auch die Möglichkeit, den Preis ent
sprechend zu steigern. Wir stehen hier an einer entschei
denden Stelle der Bodenpreisbildung, die den Widerspruch
zeigt zwischen der wirklichen Grundlage der Bodenwerte
und dem weiteren mit Hilfe von Verwaltungseinrichtungen
hinzugefügten Aufbau der Spekulation. Bodenspekulation
ist Hypothekenspekulation. Überschätzung, Überbe
leihung, Überbewertung, das alles bedient sich desselben
Mittels der Realisierung.
Sehr belehrend und wissenschaftlich durchaus ein
wandfrei sind Eberstadts Ausführungen über die Boden
preisentwicklung. Indem er zunächst den von ihm
und anderen schon früher betonten Satz, daß hohe Mieten
hohe Grundstückpreise bedingen, von neuem überzeugend
bekräftigt, kommt er zu einer Besprechung des Verhaltens
der Bodenpreise in kritischen Zeiten. Die Wirtschafts
krisis 1900/01 hat auf die Bodenpreise im allgemeinen
keinen Einfluß gehabt. Er kann sich dabei * auf den Aus
spruch eines Fachmannes Baumeister R. Goldschmidt be
rufen, der in einer bemerkenswerten Untersuchung zu
diesem Ergebnisse gekommen ist. Diese Tatsache findet
nach Goldschmidt ihre Erklärung darin, daß seit dem Ein
treten des Großkapitals in die Bodenspekulation der speku
lative Grundbesitz in Berlin in seiner Mehrheit sich in
starken Händen befindet, die eben auf günstige Zeiten
warten können. Eberstadt erwähnt noch den Einzelfall,
daß ein Bauunternehmer oder Bauherr durch irgend welche
Umstände in den Besitz billigen Baugeländes kommt. Das
führt nicht zu einer Verbilligung der Mieten, wie man ver
nünftigerweise annehmen sollte, sondern die letzteren
richten sich ganz nach den Mieten auf teuerem Gelände.
Das ist zwar an sich nichts Neues, es wirkt nur geradezu
erheiternd, wie Eberstadt hier die Gegner mit ihren eigenen
Waffen schlägt. Sie führen an einer Stelle aus, daß sich
bei unseren Industrieerzeugnissen der Preis nach den unter
den billigsten Bedingungen hergestellten Erzeugnissen
richtet; der billigste Hersteller bestimmt hier den Preis —
sie finden aber gar nichts dabei, sondern bestätigen es noch
als gewissermaßen selbstverständlich, daß bei der Woh
nungsherstellung das Gegenteil der Fall ist.
Die nachfolgenden Kapitel verdienen wegen ihres schätz
baren wissenschaftlichen Inhalts volle Beachtung. Mit vollem
Recht verwirft Eberstadt die von anderer Seite beliebte
Gleichstellung der P reisentwicklung von Nah
rungs- und Kleidungsgegenständen mit derjenigen
des städtischen Grund und Bodens. Bei Preissteigerun
gen ersterer Gegenstände setzen immer alsbald preisaus
gleichende Gegenkräfte ein, nicht aber beim Grund und Bo
den, dessen Preise nur eine Triebkraft haben, nämlich fort
gesetzt zu steigen. Es kommt dies u. a. in der Tatsache zum
Ausdruck, daß die Wohnungsmieten in Berlin seit 1869/70
um das Dreifache gestiegen sind, während z. B. der Preis
für Weizen seit jener Zeit sogar gefallen ist, trotz der hohen
Zollbelastungen.
Der gehaltreichste Teil der Eberstadtschcn Schrift ist der
fünfteAbschnitt„ZurEntwicklung des neuerenStädte-
baues“. Für die städtische Ausbreitung und Stadtanlage der
Gegenwart ergeben sich nach Eberstadt als hauptsächlichste
Gesichtspunkte: 1. Entscheidende Bedeutung der Gestaltung
der Außengebiete, 2. Scheidung zwischen Wohnvierteln und
Geschäfts- und Industrieanlagen, 3. Berücksichtigung des
Überwiegens der Kleinwohnung, 4. Notwendigkeit einer
über die heutige kommunale Tätigkeit und die Gemeinde
grenze hinausgreifenden Leitung der Stadterweiterung. Ein