DER STÄDTEBAU
Ö7
Regierungsvorlage,
Entwurf eines Gesetzes
gegen
die Verunstaltung der Streßen und
Plätze in geschlossenen Ortschaften.
Beschlüsse des Herrenhauses«
Entwurf eines Gesetzes
gegen
die Verunstaltung von Ortschaften
und landschaftlich hervorragenden
Gegenden.
§ **
Für eine geschlossene Ortschaft
kann durch Ortsstatut festgcstellt
werden, daß Bauausführungen, wel
che die Straßen und Plätze verun
stalten, nicht vorgenommen werden
dürfen. Insbesondere können an
Straßen und Plätzen von hervor
ragender geschichtlicher oder künst
lerischer Bedeutung Bauten und
bauliche Veränderungen verboten
werden, sofern durch sie die Eigen
art des Straßenbildes beeinträchtigt
werden würde.
Durch die auf Grund des Orts
statuts aufgegebenen Änderungen
des Bauentwurfes dürfen die Kosten
der Ausführung nicht wesentlich
vermehrt werden.
§
Die Ortspolizeibehörde ist befugt,
Bauausführungen zu verbieten, wel
che die Straßen und Plätze oder das
Gesamtbild einer Ortschaft oder in
landschaftlich hervorragenden Ge
genden das Landschaftsbild ver
unstalten.
9 *•
Für eine geschlossene Ort
schaft kann durch Ortsstatut
verboten werden, daß an Straßen
und Plätzen oder in der Nähe
von Bauwerken von geschicht
licher oder künstlerischer Be
deutung Bauten errichtet oder
Veränderungen an bestehenden
Gebäuden vorgenommen wer
den, sofern durch sie die Eigen
art des Orts- oder Straßen
bildes beeinträchtigt werden
würde.
Wenn durch die infolge des
Verbotes notwendig werdenden
Änderungen des Bauentwurfs
die Kosten der Ausführung
wesentlich vermehrt werden, so
kann von der Anwendung des
Ortsatatuts abgesehen werden.
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§ 3-
Bei der Aufstellung des Entwurfes
für das Ortsstatut (§ a) hat der Ge
meindevorstand Sachverständige zu
hören. Das Ortsstatut bedarf der
Bestätigung des Bezirksausschusses.
Für die Stadtkreise Berlin, Char
lottenburg, ScbÖneberg und Rixdorf
liegt die Bestätigung des Statuts
dem Oberpräsidenten ob.
Nach erfolgter Bestätigung ist das
Statut in ortsüblicher Art bekannt
zu machen.
-§ 4-
In den von dem Ortsstatut (§ 2)
betroffenen Fällen sind polizeiliche
Verfügungen, durch welche die Bau
erlaubnis erteilt oder auf Grund des
Ortsstatuts versagt wird, nach An
hörung des Gemeindevorstandes zu
erlassen.
PolizeiverfUgungen, welche ent
gegen den Anträgen des Gemeinde
vorstandes die Baugenehmigung er
teilen, sind dem Gemeindevorstande
mitzuteilen; diesem steht innerhalb
zwei Wochen die Beschwerde an
die Aufsichtsbehörde mit aufschie
bender Wirkung zu.
Mit der in der Überschrift sich ausdrückenden Erweiterung des vom
Herrenhause neugestalteten Gesetzentwurfes kann man nur einverstanden
sein — würden doch damit auch die auf den Heimatschutz gerichteten
Bestrebungen einen gesetzlichen Boden finden. Grundsätzlich wäre ferner
nichts dagegen einzuwenden, daß der Ortspolizeibehörde laut § 1 die Be
fugnis zum unmittelbaren Einschreiten erteilt werden soll, wenn
nur, wie dies auch als Ergänzung zum § 4 zu fordern ist, für den Fall
Berufung gegen die polizeilichen Verfügungen eingelegt wird, die Mit
wirkung geeigneter Sachverständiger sichergestellt würde. Offen
bar setzt der Gesetzentwurf voraus, daß der Aufsichtsbehörde für diesen
Fall bereits geeignete Sachverständige zur Verfügung stehen. Abgesehen
von den Provinzialkonservatoren dürfte es aber daran doch oft fehlen.
Ebenso wird der Gemeindevorstand leicht um einen Sachverständigen,
den er laut § 3 bei der Aufstellung des nach § a geforderten Ortsstatutea
zu hören hat, verlegen oder bei seiner Wahl irregehend, von einseitigen
§ *•
Bei der Aufstellung des Entwurfes
für das Ortsstatut hat der Gemeinde-
yoratand Sachverständige zu hören.
Das Ortsstatut bedarf der Bestäti
gung des Bezirksausschusses, Für
die Stadtkreise Berlin, Charlotten
burg, Schöneberg und Rixdorf liegt
die Bestätigung des Statuts den zu
ständigen Ministern ob.
Nach erfolgter Bestätigung ist das
Statut in ortsüblicher Art bekannt
zu machen.
§ 3.
Polizeiliche Verfügungen, durch
welche die Bauerlaubnis auf Grund
der nach diesem Gesetze ergangenen
ortsstatutarischen Vorschriften ver
sagt wird, sind nach Anhörung des
Gemeindevorstandes zu erlassen.
Dieser hat zuvor das Gutachten
einer besonderen Gemeindekom
mission einzuholen, über deren Zu
sammensetzung, insbesondere auch
hinsichtlich der Beteiligung von
Sachverständigen, das Nähere in
dem Statut zu bestimmen ist.
Anschauungen beraten sein; gleichermaßen die Polizeibehörde bei der
Handhabung des Ortsstatutes, falls dieses, wie an sich dringend erforder
lich, die Hinzuziehung von Sachverständigen vorschreibt.
Der Gesetzentwurf enthält also eine Lücke, indem er die Frage offen
läßt, wer als Sachverständiger heranzuziehen ist. Auch verpflichtet er die
Polizeibehörde zum § 1 überhaupt nicht und zum § 4 wenigstens nicht
unmittelbar zur Heranziehung von Sachverständigen. Es wären doch Fälle
denkbar, in denen das sehr notwendig sein könnte. Gewisse Folgeerschei
nungen, z. 6. einiger in der Stadt Hildesheim geltender und mit bestem
Willen gehandhabter Bestimmungen der Bauordnung, ermutigen gerade
nicht zu einem Weitergehen auf dem baupolizeilichen Wege — ohne
starken künstlerischen Rückhalt, und diesen können doch nicht nur Kunst-
ausschüsse, wie sie schon wiederholt empfohlen wurden und in einigen
Städten auch wohl schon ins Leben getreten sind, bieten. Kunstausschüsse
in jeder größeren Stadt, am Sitze der Regierung oder des Kreises je nach
Bedarf, und zwar als ständige Beiräte mit kollegialischer Verfassung, deren
Mitglieder auf längere Zeit, etwa auf Vorschlag der Vereine für Denkmal
pflege und Heimatkunst, des DUrerbundes, des Verbandes deutscher Archi
tekten- und Ingenieurvereine, des Bundes deutscher Architekten usw., er
nannt werden. Kunstausschttsse, wie die Sachverständigenvereine für den
Staat, die Landeskommission zur Verwendung des Kunstfonds, der künst
lerische Beirat der Reichsdruckerei u. a. m. Kunstausschüsse, die unter
Umständen auch die großen Fragen des Städtebaues überhaupt mit in
ihren Wirkungskreis zu ziehen, die Entwürfe zu Bebauungsplänen und
Bauordnungen vom künstlerischen Standpunkte aus zu begutachten hätten.
A uf Tafel 16 ist ein von den Architekten LOUIS SCHONHERR
und OTTO SCHMIDT zu Dresden gemeinsam verfaßter Plan
dargestellt, der die den Neubau der Augustusbrücke und die Umgestaltung
des Theaterplatzes betreffenden Fragen im Zusammenhänge zu lösen ver
sucht, Sie kommen dabei in demselben Sinne auf eine Verschiebung der
Brückenacbse hinaus, wie sie der Herausgeber bereits auf Seite 82 des
I. Jahrganges unserer Zeitschrift angeregt hat.
ZEITSCHRIFT FÜR BAUWESEN. Herausgegeben im Mini-
sterium der öffentlichen Arbeiten. Schriftleiter: Otto Sarrazin
und Friedrich Schultze. Jahrgang LVL Berlin 1906. Verlag von Wil
helm Ernst & Sohn. Berlin W. 66, Wilfaelmstr. 90. Erscheint jährlich
viermal in zwölf Heften, So daß je drei Hefte Anfang Januar, April, Juli,
Oktober versandt werden. Jahrgang 36 M,
BÜCHERSCHAU.
D enkschrift über den gegenwärtigen
STAND DES TECHNISCHEN HOCHSCHULWESENS
IN PREUSSEN und die damit zusammenhängenden Fragen, insbeson
dere über die Technische Hochschule in Breslau. Von Ingenieur Klasner,
Oberlehrer an der Baugewerkschule zu Breslau. Breslau 1906. Kom
missionsverlag von Trewendt & Granier (Alfred Preuß). a M.
H OHE WARTE. Illustrierte Halbmonatsschrift für die künstle
rischen, geistigen und wirtschaftlichen Interessen der städtischen
Kultur. Unter Mitwirkung führender Männer herausgegeben von Joseph
Aug. Lux. R. Voigtländers Verlag. Leipzig und Berlin. Jahrgang III.
Ganzjährig (24 Nummern) 18 M. = 20 Kr., halbjährig (12 Nummern)
g M. = 10 Kr. ö. W.
B ericht des deutschen Vereins für woh-
NUNGSREFORM —Verein Reichswobnungsgesetz — Frank
furt a. M. Für das achte Geschäftsjahr (1905). Geschäftsstelle des Ver
eins: Frankfurt a. M., Hochstr. 23, XI.
N eue Aufgaben in der bauordnüngs- und
ANS1EDLUNOSFRACE. Eine Eingabe des deutschen Ver
eins für Wohnungsreform. Göttingen, Vandenboek & Ruprecht,
1906. 1 M.