DER STÄDTEBAU
heutige Bauweise in der Praxis wirkt, wird von Oehmcke durch eine Reihe
trefflich ausgewählter Abbildungen gezeigt und cs muß anerkannt werden,
daß diese Beweisführung „durch den Augenschein“ den überzeugenden
Eindruck der Erörterungen wesentlich erhöbt. Besonders wirkungsvoll sind
die Abbildungen, die uns die Entwicklung der Vororte zeigen; die Massen-
tniethäuser in Steglitz und ihren Gegensatz, die Reihenhäuser in Lichterfelde;
endlich die drastischen Beispiele des „LUckenbaus“, in denen die Miets
kaserne inmitten reichlichster Geländcflächcn ausgeführt wird (S. 26, 30, 31).
Auf die größeren Zusammenhänge zwischen Städtebau und Volkskraft
geht Oehmcke in dem Schlußabschnitt ein. Eine ernste Warnung ist es,
die wir in den kurzen Darlegungen (S. 34) empfangen. Mit Recht erblickt
Oehmcke in der verfehlten Entwicklung der Siedelungsverhältnisse Ber
lins eine bedenkliche Erscheinung und bezeichnet er die Gesunderhaltung
unserer städtebaulichen Entwicklung als eine allgemeine nationale Forde
rung. Bei der Bearbeitung der Bebauungspläne und Bauordnungen der
Berliner Außenbezirke, wie bei der Durchführung großstädtischer Stadt
erweiterungen überhaupt wird die Oehracke'sche Schrift jedem Benutzer
treffliche Dienste leisten.
Einer ebenso mühevollen wie dankenswerten Arbeit hat sich W. von
Kalckstein unterzogen. Die Kalckstein’sche Schrift ordnet und sichtet
das umfangreiche Material in einer so gründlichen Weise, daß dem Leser
leicht ein Überblick der auf den einzelnen Gebieten der Wohnungsbenut
zung bestehenden Vorschriften ermöglicht ist. Die Darstellung gibt im
übrigen nicht nur vollzählig die Bestimmungen in den verschiedenen
Städten und Landesteilen, sondern erörtert auch die Erfolge und die Er
gebnisse, die bei den einzelnen Maßnahmen erreicht worden sind, sodaß
die Arbeit von Kalckstein's bei dem Erlaß von Verordnungen für die
Wohnungabcnutzung ein zuverlässiges, willkommenes Hilfsmittel bietet.
UBER DIE LAGE STÄDTISCHER HAUSER UND
STRASSEN ZUR SONNE.
Von W. DEHNHARDT, Frankfurt a. M.
In neuerer Zeit ist die Wichtigkeit der Sonnenstrahlen
für die Gesundheit und das Wohlbefinden der Menschen
immer mehr anerkannt worden. Während noch vor 10 bis
15 Jahren die Anwendung und Bedeutung der Sonnen
strahlen für kranke und gesunde Menschen fast ins Lächer
liche gezogen wurde, hört man jetzt allenthalben mit Be
geisterung von den Erfolgen in Luft- und Sonnenbädern
sprechen. Einsichtige, mit der Zeit fortgeschrittene Ärzte
verordnen ihren Kranken und Erholungsbedürftigen denn
auch neuerdings, neben entsprechender Diät häufig den
Gebrauch von Luft- und Sonnenbädern — wie die Erfahrung
in zahlreichen Fällen zeigt, durchaus mit Erfolg. Gibt es
dpch schon genug Menschen, welche die günstige Wir
kung der Sonnenbäder an sich selbst erprobt haben, die
der Meinung sind, daß in 10—15 Jahren der größte Teil
der jetzt nach Karlsbad, Marienbad, Nauheim usw. wan
dernden Kranken und Erholungsbedürftigen, diese teuren
Orte meiden und dafür ein billiges Luft- und Sonnenbad,
mit zweifellosem Erfolg und zum Besten ihrer knappen
Mittel, aufsuchen werden.
Es ist ja wohl als bekannt vorauszusetzen, daß der
Entdecker der Sonnenbäder, der Schweizer Arnold Rikli,
sie schon im Jahre 1853 an sich selbst und mit außer
ordentlichem Erfolg erprobte. Daß aber sogar noch 20 Jahre
früher, d. h. schon um die Mitte der dreißiger Jahre des
vergangenen Jahrhunderts, die Wohltätigkeit der Sonnen
strahlen für die Menschen allgemein anerkannt und ge
schätzt wurde, dürfte aus nachstehendem Rundschreiben
der Preußischen Regierung an sämtliche Bauämter aus
dem Jahre 1834 hervorgehen. Das betreffende Schriftstück
lautet:
„Was ist unter Sonnenbau zu verstehen?*)
Zwei Männer unserer Zeit Med. Dr. B. C. Faust in
Bückeburg und der Kgl. Baurat Dr. Vorherr zu München
haben mit großer Beharrlichkeit seit 15 Jahren ein System
des schon vor 2200 Jahren von dem Athener Sokrates an
gedeuteten und von den alten Bauhütten oder Baugesell
schaften, besonders bei vielen Tempeln und Kirchen streng
*) Der Wichtigkeit dieser Sache entsprechend behalten wir uns vor,
bei anderer Gelegenheit noch einmal darauf zurückzukommen. D. H.
beobachteten Sonnenbaues durch Lehre, Schrift und
Beispiel anzuregen und als einen höchst wichtigen Gegen
stand allgemeiner Landesverschönerung zu behandeln sich
bemüht. Obgleich anfänglich diesen Bemühungen keine
wünschenswerte Aufmerksamkeit geschenkt wurde, so ist
die Wahrheit der Lehre dieser Männer immer mehr durch
gedrungen, nach und nach zur Volkssache erhoben und
bereits unter den Schutz von Staatsverwaltungen gestellt
worden. Glückliche Menschen, gute Bürger zu bilden, das
ist ja eine der hauptsächlichsten Aufgaben der Regierungen
und deshalb läßt sich erwarten, daß bald alle Staaten und
alle, die berufen sind, das Glück Ihrer Mitmenschen zu
begründen und zu leiten, dem Sonnenbau ein wohlverdientes
Augenmerk gönnen werden.
Zur Sonne nach Mittag sollten alle Häuser der
Menschen gerichtet sein, setzt Faust über seine gedruckten
Bruchstücke, in denen ebenso wie in dem, was Vorherr
in seinem Monatsblatte für Bauwesen und Landesverschö
nerung über den Sonnenbau gesagt, folgende Theorie auf
gestellt ist.
1. Allenthalben, wo gebaut wird, sollen die vier Haupt
himmelsgegenden astronomisch richtig bezeichnet werden
und alle Wohnhäuser sollen mit ihren vorderen Haupt
seiten winkelrecht nach Mittag gerichtet sein.
2. Die Wohnhäuser sollen mit ihren hinteren und
vorderen Seiten freistehen in gerader Linie und winkel
recht, mehr lang als tief, auf 2 bis 3 Fuß hohen Sockeln
und über Hallen, luftigen Kellern erbaut sein.
3. Als Grundsatz bei der Einteilung der Wohnhäuser
soll gelten, daß auf der vorderen Seite der Häuser die
meisten Hausbewohner, besonders Kinder, bei Tag und
Nacht wohnen und leben können, oder daß der nach Mittag
stehende Teil des Hauses aus Wohn-, Arbeits- und Schlaf
zimmer fürs tägliche Leben bestehe, während der rück
seitige Teil die Gänge, Treppen, Küchen, Vorratskammern,
Gesindestuben, Werkstätten und jene Gemächer fassen soll,
welche nicht eigentliche Wohnzimmer sind.
4. Der Mensch soll in seiner Wohnung Herr über Licht,
Luft, Wärme und Kälte sein können und deswegen sollen
Türen und Fenster soviel als möglich einander gegenüber
stehen; die Fenster sollen mit Schirmen oder Vorhängen,
iss