DER STÄDTEBAU
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mittel müssen die Zerteilung der zuaammengeballten Bevölkerung ermög
lichen. Dem Bebauungsplan fällt die grundlegende Aufgabe zu, die städ
tische Bodenparzelliening, die Form der Baublöcke, die Differenzierung
der Straßen zu schaffen. Die Bauordnung bat für eine Sozial und wirt
schaftlich günstige Bauweise zu sorgen. Den Ausführungen Gcnzmer’s
wird man hier durchweg zustimmen. Nur in einem Punkt kann ich eine
Einwendung nicht unterdrücken; sie betrifft die Ausführungen a. a. O.
S. 4 Uber die Engräumigkeit der mittelalterlichen Städte. Die mittelalter
lichen Städte der kommunalen Bauperiode waren indes weiträumig angelegt
und wurden stetig erweitert; eine Zusamimendrängung der Bevölkerung
entstand erst in einzelnen Städten während der Neuzeit, als die Leichtigkeit
der Stadterweiterung aufhörte *)
Eine besondere Beachtung verdienen die Darlegungen Genzmers, die
sich auf die Behandlung der Innenstadt, Sowie auf die Sanierung und
Freilegung beziehen. Genzmer stellt zunächst die Leistungsfähigkeit der
schmalen Verkehrstraßen in der alten Stadtanlage fest und wendet sich
gegen] die Annahme, daß übermäßig breite Fahrdämme der Abwicklung
des Verkehrs günstig seien. Besonders erfreulich ist hier das Eintreten
Genzmers für die Erhaltung des unvergleichlichen Straßenbildes der Dan-
ziger Innenstadt, das jetzt wieder durch die — wie Genzmer nachweist,
verkehrstechnisch unbegründete — Verbreiterung der Jopengasse bedroht
ist. Die Frage der Straßenverbreiterung leitet hinüber zu den Problemen
der Niederlegung und Freilegung der altstädtischen Innenbezirke. Genzmer
warnt davor, für die kostspielige Niederlegung einzelner Häusergruppen
oder Bezirke der Innenstadt große Öffentliche Geldmittel zu verausgaben,
die vielleicht weit besser zur Durchführung anderer Aufgaben des Woh
nungswesens und des Städtebaus aufgewendet würden. Die Schrift schließt
mit der wirkungsvollen Antithese: „daß Niederlcgungen und Umgestaltungen
in der Innenstadt regelmäßig je später, desto billiger ausgeführt werden
können; während dagegen die weit wichtigeren Aufgaben des Städtebaus,
die sich auf den Außenbezirk beziehen, überhaupt nur dann erfüllt
werden können, wenn sie frühzeitig in Angriff genommen werden.“ —-
Zu den nicht allzu häufigen, scharf hervortretenden Individualitäten
unserer großstädtischen Verwaltungen zählt der Mannheimer Oberbürger
meister Beck. Wenn in einer vielbemerkten neueren Veröffentlichung
darüber geklagt wird, daß gerade unsere Selbstverwaltung in schlimmster
Weise dem Bureaukratismus verfallen sei, so trifft diese Kennzeichnung
auf die Amtsführung des Mannheimer Oberbürgermeisters nicht zu. Beck
ist ein Mann von eigenen Ideen und zugleich von jener geistigen Beweg
lichkeit und Anpassungsfähigkeit, wie sie die neuzeitliche Entwicklung
unseres Städtewesens nun einmal erfordert. In seiner neuesten Denkschrift
berichtet Beck über die städtische Bodenpolitik, für deren Betätigung ge
rade Mannheim ein bemerkenswertes Feld bietet.
Mannheim hat während der letzten Jahrzehnte die größten äußeren
Veränderungen erfahren. Die ruhige Mittelstadt entwickelte sich zu einer
stark bevölkerten Großstadt; das Weichbild wurde durch Eingemeindungen
auf das dreifache seines früheren Umfangs gebracht und an die sechste
Stelle unter den deutschen Großstädten gerückt. Fast noch größer aber
war die innere Umwälzung, die die Schichtung der Bevölkerung betraf.
Die ehemalige pfälzische Residenzstadt mit ihren kleinbürgerlichen Verhält
nissen wurde, Dank der großzügigen Verkebrspolitik der badischen Regie
rung, zu dem Hauptstapelplafz SUddeutschlands und zu der ersten Handels
stadt des Oberrheins umgeschaffen, die ihre Hafenanlagen mit Stolz als
den größten Binnenhafen Deutschlands bezeichnet. In der jüngsten Zeit
aber trat eine nochmalige Umwandlung ein; der Handel wurde in seiner
Bedeutung überholt durch die Industrie, die sich rasch entwickelte und an
die erste Stelle im Mannheimer Erwerbsleben rückte. Vorzugsweise in
der Form der Groß-lndustrie betrieben, zog sie grosse Arbeitermassen an.
Der Reichtum und der Umfang der wohlhabenden Klassen nahm allerdings
zu; in viel stärkerem Maße aber mehrte sich in der neuen Industriestadt
die Arbeiterbevölkerung« für die zumeist in neuangelegten Vierteln Unter
kunft zu schaffen war.
Es ist der jüngste Abschnitt der Entwicklung von 1897 bis 1907,
den di« Beck’sche Denkschrift behandelt. Die Ergebnisse städtischer Bo
denpolitik, die die lehrreiche Schrift mitteilt, sind teils positiver, teils —
in geringerem Umfang — negativer Art. Die Bestrebungen der Stadtge
*) Wegen der Einzelheiten vergl. mein „Wohnungswesen“, Jena
1904, insbesondere S. 10 und 31.
meinde, für die städtischen Arbeiter stadteigene Wohnungen zu beschaffen,
sind nicht erfolgreich gewesen. Die von der Stadt beschlossenen Vergün
stigungen für den Wohnungsbau, die an bestimmte Voraussetzungen ge
knüpft waren, sind nur in wenigen Fällen in Anspruch genommen worden
(S. 13). Ungleich bedeutsamer sind dagegen die positiven Ergebnisse und
Erfahrungen, deren Schilderung den Hauptinhalt der Schrift ausmacht.
Den Grundzug der Mannheimer städtischen Bodenpolitik bildet die hervor
ragende Beteiligung der Gemeinde an der Gesamtbqdenfläche des
Stadtgebietes. Ende 1905 betrug der Umfang des städtischen Grundbesitzes
2431 </s ha, d. !. 36,8 °/ 0 der ganzen Gemarkung (S. 68). Es bedarf kaum
der Hervorhebung, daß diese starke Stellung des öffentlichen Besitzes auf
jedes Teilgebiet der Bodenentwicklung einwirkt. Auf die Preisgestaltung
der Bodenwerte konnte die Gemeinde ihren Einfluß ausüben und nur da,
wo dies geschah, ist der Grundstücksverkehr „in gleicher Linie mit dem
wirklichen Bedarf an Baugelände verlaufen (S. 60)“. Demgegenüber gibt
die Denkschrift andererseits (S. 61) eine beachtenswerte Zusammenstellung
von Grundstückspreisen, die sich unter dem Eingreifen der Bodenspekula
tion entwickelt haben.
Die Gemeinde konnte ferner infolge ihres ausgebreiteten Baugrund
besitzes die städtische Bauweise unmittelbar in günstigem Sinne beein
flussen. Weiter konnte die Neuanlage von Parks, Spiel- und Erholungs
plätzen in großem Umfang erfolgen (S. 56). Eine besondere Hervorhebung
verdienen endlich die Ausführungen, in denen (S. 70 fg.) die Politik der
Gemeinde gegenüber der Großindustrie dargelegt und gezeigt wird, welche
Grundsätze die städtische Verwaltung in der Pflege und Förderung der
gewerblichen Tätigkeit befolgt. In einem Schlußkapitel werden die Ge
samtergebnisse der Denkschrift programmartig zusammengefaßt. In den
Leitsätzen tritt die Erkenntnis hervor, daß die private Bautätigkeit in der
Hauptsache für den Wohnungsbau sorgen muß und ihre Förderung des
halb die vornehmste Aufgabe der Stadtgemeinde zu bilden hat. Für das
private Baugewerbe aber — dies möchte ich meinerseits hinzufügen —
liegt heute die Hauptschwierigkeit in der Kapitalbeschaffung und in der
Frage der sogenannten II. Hypothek. Der Wohnungsbau für die Masse der
Bevölkerung zeigt auch in Mannheim keine günstigen Verhältnisse, Das
Studium der dortigen Entwicklung bestätigt, daß nur eine Neuordnung
unserer Einrichtungen für den Realkredit gesunde Zustände im Wohnungs
wesen schaffen kann. Doch Hegt es nicht in der Macht der Stadtverwaltung,
an der entscheidenden Einrichtung des Grundbuch- und Hypothekenwesens
etwas zu ändern.
Die Arbeit Oehmcke’s behandelt vorzugsweise Berliner Verhältnisse;
es kommt ihr jedoch allgemeine Bedeutung für die Stadterweiterungsfragen
zu. Das Material, das Oehmcke mit klarer Sachlichkeit vorträgt, erstreckt
sich in der Hauptsache auf drei Gebiete; 1. Großstadtprobleme, a. Bau
ordnung und 3. Hausformen, ln den einzelnen Abschnitten werden die
Erörterungen jeweils aus diesen drei Gesichtspunkten geführt. Das Massen
miethaus wird von Oehmcke als eine schädliche Und untaugliche Bauform
angesehen; zunächst aus sozialpolitischen Gründen, wegen der Zerstörung
des Individualbesitzes und ihren schHmmen Folgen für unsere gesellschaft
lichen Zustände. An zweiter Stelle werden die wirtschaftlichen und künst
lerischen Nachteile genannt; die Austreibung der Bodenpreise und die
spekulative Überschuldung wirken ungünstig auf den Hausbesitz, das Bau
gewerbe und die Gesamtbevölkerung. Die kÜnsJerisch unbefriedigende
Gestaltung der Städte hängt zusammen mit der Bauform des Massenmiet
hauses, die trotz allen Scheinaufwandes über die inneren Verhältnisse
nicht hinwegtäuschen kann und für die sich schwer eine baukünstlerisch
fesselnde Außenerscheinung erfinden läßt (S. 9 fg,). Endlich wird durch
die Stockwerkshäufung der Bodenpreis verteuert und andererseits ermäßigen
sich die anteiligen Baukosten nicht mehr jenseits des vierten Wohnge-
schosSes (S. 28). Als günstige Bauform für die städtischen Wohnbezirke
empfiehlt Oehmcke das Reihenhaus (S. 20).
Hinsichtlich der Berliner Stadterweiterung tritt Oehmcke grundsätzlich
dafür ein, daß um den Stadtkern ein Gürtel von höchstens dreigeschossiger
Bebauung gelegt werden sollte. Durch eine Anzahl statistischer Berechnungen
weist Oehmcke nach, daß das vorhandene Bauland auch in solchem Fall
für die Unterbringung des Bevölkerungszuwachses auf absehbare Zeit aus-
reichen würde. Mindestens aber sollte die dreigeschossige Bauweise in
denjenigen Gebieten der Außenbezirke eingeführt werden, in denen der
Bodenpreis eine solche Maßnahme heute noch zuläßt (S. 32). Wie die