DER STÄDTEBAU
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die Verwendung von Back-und Blendsteinen soll für aus
gedehnte Fassadenflächen nicht stattfinden.“ Das wird
dann weiter erläutert wie folgt: ,,es soll nur vermieden
werden, daß mit Ziegeln als solchen sowie anderen
Kunststeinen eine Wirkung erzielt wird.“ Sobald man die
Ziegel nämlich dünn „in Münchener Art“ überschlemmtj
darf man sie nämlich verwenden.
An anderer Stelle, in der „Tonindustriezeitung“, habe
ich dieses Ortsstatut im einzelnen besprochen. Es ist
nicht meine Absicht, hier dagegen zu streiten, ich
führe es nur als Stimmungsbild an. Ich bemerke nur noch
dazu, daß sein Wortlaut deutlich erkennen läßt, wie
wesentlich die Farbe des Backsteins den Grund für sein
Verbot bildet, denn dünn überschlemmt darf er ja ver
wendet werden! Die in solchen Bestimmungen ausge
sprochene schroffe Abweisung des Backseins entspricht
zweifellos einem ziemlich weit verbreiteten Widerwillen, *
wenngleich nicht viele so weit gehen werden, ihn schnöde
mit dem Zement auf gleiche Stufe zu stellen, der als elen
dester Ersatz des Hausteines der Schrecken jedes gesund
schaffenden Architekten ist.
Meine Herren, ich teile diese Abneigung keineswegs,
halte vielmehr den Backstein für einen künstlerisch höchst
wertvollen und für viele Zwecke ganz unersetzlichen Bau
stoff, der einen Stimmungsgehalt von größter Tiefe vor an
deren auszudrücken vermag. Trotzdem liegt es mir fern,
den Backstein in seiner jetzigen überwiegenden Verwen-
dungsart als tadellos, als den „Stein der Weisen“ zu preisen,
der alles andere Baumaterial an Schönheit übertrifft. Da
mit würde ich bei Ihnen taube Ohren finden und mit Recht.
Das sind Einseitigkeiten, die der geschäftlichen Reklame
überlassen bleiben sollten und mit denen man der Sache
des Backsteinbaues bei Einsichtigen mehr schaden wird als
nützen. Wohl aber möchte ich Sie bitten, mit mir die
Frage zu prüfen, ob nicht die Abneigung, die sich bis zu
völligem Verbote steigert, nach der andern Seite hin zu
weit geht und den Bestrebungen des Denkmal- und Hei
matschutzes schließlich abträglich ist.
Erklären kann sich auch der Freund des Backstein
baues den lebhaften, ihm gezollten Widerwillen, wenn er
so manchen Fehlgriff sieht, der in den letzten Jahrzehnten
geschehen ist.
Ich möchte hier nicht sprechen von der Roheit, mit
der sich die ärmere Landbevölkerung gar nicht so selten
IhreHäuser ausschlechtenHintermauerungssteinen errichtet,
die nach Form und Farbe unsauber und düster das schönste
Straßenbild eines freundlichen Dorfes verderben. Diese
nur aus Dürftigkeit hervorgehende, armselige Bauweise
scheidet als reine Sache der Nützlichkeit von jeder künst
lerischen Betrachtung ganz aus. Man tut unrecht, wenn
man auf Grund solcher Dinge sich gegen den Backstein
bau als Kunstmittel wendet.
Aber welcher Freund unserer alten Denkmäler hätte
es nicht schon ästhetisch als einen wahren Schlag em
pfunden, wenn etwa am Markte einer schönen alten Stadt
sich in die Reihe der schlicht malerischen Bürgerhäuser
plötzlich ein grellroter oder scharf gelber Ziegelbau dem
Auge aufdrängt, hart und roh in der Farbe, grob und
nüchtern und dabei anspruchsvoll in seiner Formgebung.
Wen hätte nicht schon der Unwille gefaßt, wenn er in
lieblicher Mittelgebirgslandschaft oder an den schönen
Ufern unserer Ströme mächtige Kästen sich erheben sieht
aus grellfarbigem Baustoffe, die mit ihren ungefügen, flach
abgedeckten Massen die Schönheit der Landschaft und die
Wirkung benachbarter Denkmäler schwer schädigen. Ein
besonderes Beispiel solcher Art bietet die schöne alte Stadt
Kulmbach, ein Beispiel, das freilich auch zeigt, wie leicht
Trugschlüsse zu Stande kommen, wenn man die ganze
Schuld an solchen Unerfreulichkeiten auf den Backstein
wirft. Wenn man dort auf der schönen Plassenburg hoch
über der alten Stadt steht und über die malerischen, fein
gegliederten Giebel und Dächer hinweg in das herrliche
Maintal hinausschaut, wird man nicht gerade entzückt
sein von dem runden Dutzend roter Aktienbrauereien, die
rings um die Stadt herum sich niedergelassen haben. Sie
fallen mit ihren riesigen Gebäuden, den flachen Holzzement
dächern und nüchternen Schornsteinen gründlich aus dem
Maßstabe des schönen Stadtbildes, wie der Umgebung
heraus. Man wird freilich auch bemerken, daß eine drei
zehnte gleiche Industriestätte, die an den Außenwänden
mit Kalkputz überzogen ist, in ihrer gleichen, ebenfalls
durch ein Holzzementdach abgeschlossenen Kastenform
nicht etwa lieblicher, sondern nur noch düsterer und un
freundlicher sich ausnimmt, als ihre mit Backstein ver
blendeten Genossen. Und diese Wahrnehmung führt uns
gleich darauf, daß der Backsteinbau in seinem künstle
rischen Ruf so manche Sünde mit büßen muß, die nicht
ihm, sondern der kunstwidrig nüchternen Auffassung wirt
schaftlicher Aufgaben zuzuschreiben sind. Weil er wegen
seiner außerordentlichen praktischen Vorzüge in weitgehen
dem Maße für sogenannte reine Nützlichkeitszwecke, Fabrik
anlagen und dergleichen angewendet worden ist und dabei
in Gegenden vordrang, in denen man vorher weder Fabriken
noch Backsteinbau kannte, so mißt man ihm die Schuld
bei, an der ganzen Schädigung, die zum größten Teile doch
dadurch hervorgerufen ist, daß bei Errichtung solcher in
dustrieller Anlagen zumeist jede künstlerische Rücksicht
hei Seite gesetzt wurde.
Freilich reicht diese Erklärung nicht für alle Fälle aus,
und es bleibt auch bei Bauten, die einen höheren Rang be
anspruchen, bei Schulen, Wohnhäusern und dergleichen
oft genug Grund, den Backsteinbau als Mißton im Vergleich
zu seiner Umgebung zu empfinden. Ehe man ihm aber
deswegen in Bausch und Bogen den Krieg erklärt, ist es
wohl gut, sich die Frage vorzulegen, ob denn diese Miß
stände notwendig mit ihm verbunden sind und zweitens,
ob durch einen solchen Krieg eine Besserung der Verhält
nisse herbeigeführt werden kann.
Auf die erste grundsätzliche Frage erhalten wir meines
Erachtens eine entscheidende Antwort, wenn wir uns in
all den Ländern umsehen, die in älterer Zeit eine blühende
Backsteinbaukunst hervorgebracht haben. Die Gegenden
am Niederrhein, fast ganz Norddeutschland von der See
küste bis nach Schlesien und Thüringen hinein, Dänemark
und Oberitalien sind solche Länder. In ihnen empfindet
man keineswegs die Denkmäler dieser Kunst als Stören
friede im Stadt- und Landschaftsbilde. Das liegt nicht
etwa daran, daß das ganze Wesen der dortigen Städte
durch den Backsteinbau bestimmt würde. Das mag im
Mittelalter der Fall gewesen sein, jetzt trifft es längst nicht
mehr zu. Vielmehr sind auch dort, Holland etwa aus
genommen, die erhaltenen Backsteinbauten seltene Aus
nahmen unter den später üblich gewordenen Putzbauten,
die dort wie auch in andern Ländern die Straßen füllen.