DER STÄDTEBAU
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Bedingungen ergeben, durch welche die gute Wirkung des
Ziegelbaues bedingt ist. Es empfiehlt sich daher, diese
Besprechung vorweg zu nehmen und sie mag uns mit
ihrem Ergebnisse zugleich Mut machen, an jenen zweiten
Teil unserer Aufgabe heranzugehen.
Als man die Wiederherstellung alter Backsteinbauten
in größerem Maßstabe begann, hatte man noch mehr als
bei Werkstein- und Putzbauten damit zu kämpfen, daß
sich die Bearbeitungsweise der Rohstoffe gegen das Mittel-
alter geändert hatte. Denn es handelte sich hier nicht nur
um eine andere Art der Handwerksübung, sondern an Stelle
der Handarbeit hatte überhaupt die Maschine das Formen
des Tones zu Verblendsteinen übernommen. Sie lieferte
Steine, die sich durch große Sauberkeit der Oberflächen
und durch große Reinheit und Gleichmäßigkeit der Färbung
auszeichneten. Aber so stolz man auf den damit erzielten
technischen Fortschritt auch war — wenn man diese Steine
bei Ausbesserungen und bei Anbauten in die Nachbarschaft
der alten Steine brachte, so störten sie empfindlich die
schöne Wirkung der alten Mauerflächen. Die beim ein
zelnen Stein und in der Hand zunächst so verführerisch
saubere glatte Oberfläche wirkte auf nahe Entfernung reiz
los gegen das feine Spiel der Lichter und Schatten, das
die alten Handstrichsteine besaßen, und die scharfe Rein
heit der Farben ließ die neuen Steine sich rettungslos als
andersfarbige Flicken von ihrer Umgebung abheben. Auch
die Hoffnung, daß die Zeit und der Ansatz von Ruß und
Patina die gestörte Einheit hersteilen möchten, erfüllte sich
nicht. Die glatte Oberhaut und die Dichtigkeit des Stoffes ließ
eine solche Dämpfung des schreienden Eindrucks nicht auf-
kommen. So verwandelte sich der unzweifelhaft technische
Fortschritt in einen unerträglichen künstlerischen Nachteil.
Aber auch, wenn die Witterung mehr Einfluß auf diese
Steine gehabt hätte, sie wären ihren Vorbildern doch nicht
gleich geworden, denn es fehlten ihnen weitere künstlerisch
wertvolle Eigenschaften, die diese besaßen. Gerade durch
den Vergleich nebeneinanderliegender Teile wird man sich
bewußt, wie die schöne Farbenwirkung der alten Back
steinbauten gerade darin beruht, daß ihre Steine eben nicht
so lebhaft gefärbt sind, wie unsere sogenannten „feinen“
Verblender, daß sie vor allem nicht so gleichmäßig getönt
sind wie diese, sondern in oft weit gesteckten Grenzen am
selben Bau von gelblichen bis zu tiefroten Tönen unregel
mäßig wechseln. Gerade dadurch passen sich diese Bauten
so wie selbstverständlich jeder Umgebung ein, daß sie die
Kraft der Farbe durch das Spiel verschiedener Töne be
leben und zugleich brechen. Es entspricht das durchaus
den Verhältnissen der Natur, welche größere Flächen von
einheitlicher Farbengebung gar nicht kennt, sondern über
all, auf Laubmassen und Wiesenflächen, an Bergwänden,
auf dem Wasser, ja selbst auf öden Straßenflächen ein
Spielen verschiedener Farbentöne erzeugt, durch das die
abweichendsten Färbungen zusammengestimmt werden.
Indem man ferner für Ergänzungen alter Bauten wieder
Steine herstellte, die in der Größe zu den alten paßten,
lernte man wieder den Wert des größeren Formates gegen
über dem heutigen kleinen Normalziegel schätzen. Er
liegt einerseits in der ruhigeren und wuchtigeren Erschei
nung der durch weniger Fugen geteilten glatten Flächen, an
dererseits in dem kräftigeren Maßstabe der Einzelgliede-
rungen. Das sind Eigenschaften, die für monumentale
Bauten, besonders für Kirchen sehr wertvoll sind.
Auch in der Herstellung der Formsteine sind die Lei
stungen alter Zeit mustergültig. Ihre sorgfältig genaue und
doch nicht peinlich sauber wirkende Art, läßt sich durch
einfachen Handstrich gar nicht erreichen, auch nicht durch
das vielfach übliche Verfahren, die Steine in Gipsformen
zu pressen. Dagegen kann man sich ganz genau der alten
Erscheinung anschließen, wenn man die Formsteine aus
gewöhnlichen Vierkantsteinen nach Holzschablonen mittelst
eines scharf gespanntenDrahtes schneiden läßt, eine Technik,
die bei guter Übung des Arbeiters sehr genau ausfällt, da
bei den Reiz der Handarbeit behält und auch nicht teurer
wird, als die Formerei in Gips.*)
Alle diese Vorzüge wieder sich zu eigen zu machen,
ist nicht leicht gewesen. Vielerlei Versuche und Mühen
waren dazu erforderlich. Denn merkwürdigerweise ver
hielten und verhalten sich weitaus die meisten der Ziegler
gegen diese künstlerischen Verbesserungen durchaus ab
lehnend. Aber Dank der eindringenden Sachkenntnis und
zielbewußter Tätigkeit der maßgebenden Persönlichkeiten
unter Führung von Geheimrat Hoßfeld sind die Vorzüge
alter Technik für die Wiederherstellungsbauten doch im
wesentlichen wiedergewonnen worden. Wenn noch ein über
das Erreichte hinausgehender Wunsch auszusprechen ist,
so geht er auf einen lebhafteren Farbenwechsel der Steine.
Denn darin sind die Leistungen der Alten noch nicht er
reicht; die heutigen Lieferungen fallen unter dem Einfluß
des heutigen Brennverfahrens meistens noch zu gleich
mäßig aus.
Der Einfluß der Denkmalpflege und der in ihr gemach
ten Erfahrungen hat nun zur Aufnahme dieser Ziegelbe
handlung in weiteren Kreisen geführt. Nicht etwa, weil
diese Werkverfahren einen altertümlichen Ein
druck machen, wie eine dilettantische, mit sonderbarer
Hartnäckigkeit immer wiederkehrende Auffassung behaup
ten möchte, sondern weil sie eine schönere Wirkung
ergeben. Soweit der Bereich der preußischen Staatsbau
verwaltung sich erstreckt und durch deren Beispiel auch
weit darüber hinaus, werden diese, der Denkmalpflege
entwachsenen Fortschritte auch bei besseren Neubauten
vielfach angewendet.
Ein wesentlich anderes Bild bietet sich uns, wenn wir
uns die Rolle vergegenwärtigen, die der heutige Backstein
bau als Bestandteil der Städtebilder, also als Nachbar
älterer Denkmäler spielt. Hier ist die Lage zurzeit so,
daß weite Kreise dazu neigen, die sichtbare Verwendung
von Backstein als kunstfeindlich anzusehen und die Frage
nach diesem Zusammenhänge von Backsteinbau und Denk
malpflege ebenso kurz wie gründlich zu beantworten:
„Verboten muß er werden!“ Ja, man hat diesen so
einfachen Weg wiederholt schon beschriften. Eine Reihe
von süddeutschen Städten hat, wenigstens für die künst
lerisch wichtigsten Stadtgegenden die Anwendung des Back
steinbaues ausgeschlossen, zum Teil angeregt dazu durch
die Beschlüsse, die der Denkmaltag in Mainz zum Schutze
wertvoller Stadt- und Straßenbilder gefaßt hatte. So be
stimmt ein erst im Juli 1905 erlassenes Ortsstatut in Darm
stadt unter anderem wörtlich folgendes:
„Zement, Back- und Blendsteine sollen zur Bildung
vortretender Architekturteile nicht verwendet werden, auch
*) Eingehender habe ich diese dankbare Arbeitsweise besprochen in
„Denkmalpflege“ Jahrg. 1905 S, 21,