DER STÄDTEBAU
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Terrasse schweift der BUck über die tieferliegende nörd
liche Seeauffüllung und den Spiegel des „kleinen Sees“ nach
dem lieblichen Aeschacher Ufer hinüber. Es muß daher
ein Hauptzweck dieses Entwurfes sein, der Stadt Lindau
auch diesen Vorzug zu erhalten, und mit Freuden soll hier
festgestellt werden, daß sich die Überwiegende Mehrzahl
der Maueranwohner mit der Erhaltung des Hochweges
durchaus einverstanden erklärt hat — siehe Textbild 2.
Der oben erwähnte enge Abschluß der Häuser und die
mindere Bedeutung ihrer Erdgeschosse, die wegen ihrer
dem Hochwasser ausgesetzten Lage doch nicht zum Wohnen
verwendet werden können, kommt diesem Wunsche sehr
entgegen. Wäre zwischen der Mauer und den Stadthäusern
eine enge finstere Gasse, so würde sie wohl im Laufe der
Zeit dem berechtigten Ansturm weichen müssen. Die Ver
hältnisse liegen hier aber anders. Die Mauer selbst soll
und kann erhalten und dort mit Toröffnungen durchbrochen
werden, wo es der Verkehr nach den Gassen und Plätzen der
Stadt erheischt und wo die Angrenzer selbst einen Ausgang
von ihrem Erdgeschosse nach der Seeauffüllung wünschen.
Ja, es würde sogar das Bild der städtischen Nordfront
malerisch gesteigert werden, wenn einzelne Häuser unter
Wahrung der alten Mauer den alten Fußgängersteig mit
einem Laubengang überbauen wollten.
Auf der Ostseite der Landtoranlagen befindet sich eine
wegen ihrer schönen landschaftlichen Lage und ihrer herr
lichen Aussicht nach der Bregenzer Seite mit Recht beliebte
Gastwirtschaft, der „Schützengarten“, der ehemalige Sitz der
Lindauer Schützengesellschaft. Nachdem sich die Schützen
im Gelände der Gemeinde Reuthin ein neues und passende
res Heim errichtet hatten, ist der Gedanke aufgetaucht, das
in dem Besitze der Stadtgemeinde befindliche Grundstück
des Schützengartens mit der dazugehörigen Terrasse neu und
zeitgemäß auszugestalten. Diese der Zukunft vorbehaltene
Aufgabe ist eine besonders reizvolle, da die örtliche Lage mit
dem schönen BUck nach dem Bregenzer Ufer und dem
Höhenzug des Pfänder zu den Vorzügen Lindaus zählt.
In engster Fühlung mit dieser Frage steht aber auch
die Anlage der vom Freiherrn von Nostiz in verdienstvoller
Weise angeregten neuen Uferstraße, die, dort beginnend,
bis zum Hafen durchgeführt werden sollte, um diesen Teil
von Lindau zu erschließen und denAusbau der angrenzenden
Viertel mit guten Wohnungen anzubahnen.
(Schluß folgt in Heft 5)-
DER KAISER FRANZ JOSEF-KAI IN GRAZ.
Von MAX STARY und W. v. SEMETKOWSKI, Graz.
Nach wenigen Schritten an den Häusern vorbei über
rascht uns auf einmal ein schmaler freier Raum, der einen
Blick auf die Hänge des Berges und die Terrassen der Haus
gärten ermöglicht. Die Wirksamkeit solcher SteUen em
pfinden wir erst auf dem Bilde, das den Kai nach der Durch
führung des amtlichen Planes darstellt, wenn dieser ohne Ab
änderungen bleibt und künstlerische Bedenken unberück
sichtigt läßt —; Textbild 11. Wir haben immer das Gefühl
dabei, als sei eine hohe Mauer um den Berg gelegt, um
nicht zu sagen, der Berg sei als Ganzes in eine Schachtel
gestellt und sehe nur mit seinen obersten Spitzen heraus.
Unberücksichtigt darf auch nicht die reiche Dachbildung
bleiben, die der Linie zu ihrem Rechte verhilft und die auch
für den Wanderer am untersten Bergwege wohltätig ist,
wie man sich heute schon an den beiden Neubauten vom
Gegenteile überzeugen kann. Hier sei noch der schönen
Schloßberggärten gedacht, die ein Kapitel für sich bilden. In
der Bewohnerschaft können sie nicht gewürdigt werden,
weil sie Privateigentum der einzelnen Hausbesitzer sind.
Aber heimische Maler wissen sie zu schätzen und erzählen
gerne, wie schön es auf jenen schmalen Terrassen mit den
Weinpflanzungen ist, wenn im Frühjahre die Bäume blühen
und man die noch schneebedeckten Berge des Oberlandes
über unsere Waldhügel grüßen sieht!
U.
Kritik der Neubauten und des amtlichen Verbau
ungsplanes. Lösung im Sinne des „Genius loci“.
Es soll uns nun vor allem der vom Stadtbauamte fest-
gestellte Bebauungsentwurf des Kai beschäftigen. Ein Ver
gleich der Begrenzungslinien der alten Gebäude und der
amtlich bestimmten Fluchtlinie unterstützt die folgenden
Ausführungen aufs beste vergl. Textbild 9.
(Fortsetzung nebst Schluß aus Heft 3).
Für den doppelseitigen Teil der Sackstraße ist ein Nor
malabstand der Fronten mit 14 m festgesetzt. So sehr die
Regelung der engen, unregelmäßigen Straße aus Verkehrs
rücksichten wünschenswert ist, so sehr gefährdet sie auch
die wertvollen Bauten, die in ihrer Einheitlichkeit und in
ihrer Durchführung zum Besten zählen, was Graz aus
früheren Tagen aufzuweisen hat. Die auf die Bergseite
verlegte Regelungslinie durchschneidet nämlich die sehr
Abb. 9.
tiefen Bauten ungefähr im ersten Drittel ohne Rücksicht auf
die schönen Stuckfassaden, auf die großen Barockstiegen-
häuser, auf die weiten Innenräume und nicht zum wenigsten
auch ohne Rücksicht auf die Höfe, die teilweise schon am
Berghange gelegen sind.
Im freien Teile verläuft die geplante Baulinie in einem
Durchschnittsabstande von 25 m von der Raimauerkante,
die erste Strecke ziemlich entsprechend der bisherigen
Fluchtlinie, in einer starken Abweichung an der Stelle der
ersten Bautengruppe, um die schwierigen Höhenverhältnisse
aüszuglelchen. Was mit dem Grundteile geschehen soll,
der vom Murflusse auf der einen, vom Mühlgang auf der
zweiten und von der Wickenburggasse auf der dritten Seite
begrenzt und gegenwärtig von einer Fabrikanlage einge-