3. Jahrgang
1906
3. Heft
29
STÄDTEBAU.
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INHALTSVERZEICHNIS: Der Kaiser Franz Josef-Kai in Graz. Von Max Stary und W. v. Semetkowski, Graz, — Allgemeine Grundsätze für
die Aufstellung städtischer Bebauungspläne. Von Theodor Goecke, Berlin. (Schluß). — Stiftung für Internationalismus. Von K. P. C. de Bazsl, Bussum
(Holland). — Vülenkolonie Buchschlag. Von F. Putzer, Darmstadt. — Chronik. — Bücher und Zeitschriften. — Berichtigung.
Nachdruck der Aufsätze ohne ausdrückliche Zustimmung der Schriftleitung verboten.
DER KAISER FRANZ JOSEF-KAI IN GRAZ.
Von MAX STARY und W. v. SEMETKOWSKI, Graz. Hierzu Doppeltafel 17—18.
Graz, die Hauptstadt der österreichischen Alpenländer,
stellt durch seine weithin bekannte landschaftliche Lage
an den modernen Städtearchitekten die dankbarsten Auf
gaben. Einer solchen sind die nachfolgenden Zeilen ge
widmet, die einer Notwendigkeit ihren Ursprung verdanken.
Gilt es hier doch, einer Verunstaltung des Stadtbildes ent
gegenzuarbeiten, die in letzter Zeit mangels entsprechender
Vorkehrungen weit um sich zu greifen scheint.
Für die Anlage der Abhandlung war der Gedanke
maßgebend, daß eine künstlerisch befriedigende Lösung
der Aufgabe nur auf einem Wege erzielt werden konnte,
der von früheren Beständen ausgehend, den örtlichen Be
dingungen vollständig Rechnung trägt. Es zerfällt daher
die Arbeit von vornherein in zwei Teile, deren erster
alles das erzählt, was seit dem Auftauchen des Kaientwurfes
(1856) bis zum heutigen Tage geschehen ist, deren zweiter
aber bringt, was geschehen oder unterbleiben sollte. Um
die örtlichen Vorbedingungen genau vorführen zu können,
wurde dem ersten Teile ein weiter Raum gelassen unter
Hinzufügung vieler Bilder zur Erläuterung. Teilweise An
ordnungen in dem Verbauungsentwurfe ergaben sich aus
dem Zusammenhänge mit dem Gedanken an eine größere
Platzanlage, worüber wir gesondertBericht erstatten werden.
I. Die Baugeschichte.
Eine Ansicht unserer Stadt, am Ende des 17. Jahrhunderts
durch den heimischen Stecher Andreas Trost ‘) hergestellt,
*) Jos. v. Zahn in der „Styria illuatra“ (Katalog der Ortsbilder-Samm-
lung des Archives.)
zeigt uns genau, wie der enge Raum zwischen der steil
abfallenden Westseite des Schloßberges und dem Murflusse
(Abb. No. 1) ausgenützt war. Vom Hauptplatze aus
führte, der Berglehne folgend, eine schmale doppelseitige
Straße bis zum Einflüsse des oberen Mühlkanales, die den
Namen „Sackstraße“ trug. Man unterschied dreiAbteilungen
dieses Straßenzuges, die durch eingeschobene Torbauten
hergestellt waren, den ersten, zweiten und dritten „Sack“.
Das dritte Sacktor, das nördlichste, bedeutete das Ende
der Stadt und der Befestigungswerke, die dort mit denen
des Schloßberges Zusammenhang hatten. Eine Radierung
aus dem Jahre 1818 im Besitze des steierm. Landesarchives,
gibt uns eine deutliche Vorstellung vom Auf baue des 1626