DER STÄDTEBAU
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zugen. Die Häuser können stellenweise als Doppelhäuser
und auch zu größeren Gruppen zusammengefaßt werden.
Das Gelände im Süden und Westen des Erweiterungs
gebiets gestattet Baublöcke von größerer Tiefe anzulegen,
so daß hier der Grundsatz, jedem Haus einen größeren
Hausgarten zuzuweisen, bei geschlossener Bauweise
erfüllt werden kann. Bei dieser heute in Oppau nicht üb
lichen Bebauung beanspruchen die meisten Häuser nur
einen Brandgiebel, die Wohnräume sind leichter zu heizen,
da der Kälte nur zwei Seiten als Angriffsflächen statt drei
oder vier preisgegeben sind. Außerdem ist die Bebauung
auf die Einheit der Straßenlänge eine dichtere. Die An
lage und Unterhaltung der Straßen wird wirtschaftlicher.
Auf einem Hektar Gesamtfläche der offenen Bauweise
stehen etwa 11,4 Häuser. Auf 100 lfd. m Straßenlänge ent
fallen 6,6 Häuser. Bei der geschlossenen Bauweise kommen
aüf 1 ha Gesamtfläche 17,3 und auf 100 lfd, m Straßenlänge 13,6
Häuser.
Die öffentlichen Gebäude.
An den Plätzen, als den Mittelpunkten und auch Ruhe
punkten des Verkehrs stehen die Öffentlichen Gebäude.
Die Plätze werden auch von den Handel- und Gewerbe
treibenden bevorzugt sein, besonders, wenn hier allein eine
größere Gebäudehöhe zugelassen wird. Da für die Be
wohner an den Plätzen der größere Gartenbesitz am Hause
nicht so wichtig ist, so kann hier die geschlossene Bau
weise bei günstiger Aufteilung des Grundbesitzes vorge
sehen werden.
Die Lage der Öffentlichen Gebäude ergibt sich auch aus
den Verhältnissen. Das zukünftige Gemeindehaus soll
nahe dem Mittelpunkt der bestehenden Gemeinde, und auch
im Schwerpunkte der zukünftigen Stadt — an Verkehr
straßen — liegen. Ein Anbau des Gemeindehauses enthält
Volkslesehalle und Bibliothek.
Mehrere Schulen sind an stillen abgelegenen Plätzen
geplant, meist längs der Breitenrichtung des Platzes.
Die Kirchen liegen — leicht auffindbar — so, daß nur eine
oder zwei Seiten als Fronten auszubilden sind und die
Längsaxe der Kirche parallel zur Längsaxe des Platzes
fällt, diesen somit beherrscht. Weiter ist eine Art Saalbau
— ein Versammlungsgebäude — mit großem Wirt
schaftsgarten vorgesehen.
Gesundheitlich wichtig ist der Entwurf eines
Schlachthofs, welcher wegen der Westwindrichtung und
der leichten Abführung der Abwasser in den Osten des
Erweiterungsgebietes in die Nähe des geplanten Kanal
auslasses gelegt wurde.
Gesundheitliche Gesichtspunkte.
Arbeit in frischer Luft, Wohnen abseits vom Rauch
und Lärm der Fabriken, inmitten der Gärten, und doch in
Häusern, die meist nur von zwei Seiten dem Wetter aus
gesetzt sind.
Nicht nur billige, sondern auch gesunde, wenig staüb-
erzeugende trockene Straßen. Ablenkung des Verkehrs
mit seinem Lärme und Staub auf wenige breitere Straßen.
Auf den größeren Plätzen sind Baumreihen anzupflanzen
oder Jugendspielplätze vorzusehen.
Die gesamten Anordnungen sollen in erster
Linie zweckentsprechend, nützlich sein. Das Bild
der einst entstehenden Gemeinde soll ein Spiegelbild ihrer
Bevölkerung geben. Mit einfachen, wenig kostspieligen
Mitteln soll unter genauester Anpassung an die örtlichen
Verhältnisse dieses Ziel erreicht werden. Sind bei soviel
Nützlichkeitsgedanken die ästhetischen Forderungen,
die man jetzt stets in die erste Reihe zu stellen pflegt, ver
nachlässigt worden? — Ich behaupte nein — im Gegen
teil. Die Gruppen öffentlicher Gebäude, die konkaven
Straßenlängenprofile, die kurzen geraden Straßen, die län
geren geschwungenen Straßen, wechselnde Straßenbreiten
usw. geben Gelegenheit, eine Fülle hübscher Platz- und
Straßenbilder zu schaffen; so, daß der Eindruck des heime-
lichen, wohnlichen, der den großstädtischen Arbeiterkolo
nien mangelt, hier nicht zu fehlen braucht.
Heimlich und traut ist der Grundzug der Anlage. Die
Seßhaftigkeit der Arbeiterbevölkerung zu mehren, die Frau
durch häuslich landwirtschaftliche Arbeiten ans Haus zu
fesseln, durch eigenen Boden Heimatgefühl zu wecken,
durch die materiellen Güter geistige und sittliche Werte
zu schaffen, soll der Zweck dieser Anlage sein.
LANDHAUSSIEDELUNG ZUCKERSCHALE
IN SCHREIBERHAU IM RIESENGEBIRGE.
Von C. WEYRICH, Hirschberg (Schlesien).
Schreiberhau ist das größte Dorf des Riesengebirges,
zerfällt in drei und zwanzig Teile, deren jeder einen eige
nen Namen hat, und war schon im 15. Jahrhundert be
kannt, wo es von hussitischen Flüchtlingen gegründet sein
soll, die sich mit der Glaserzeugung beschäftigten, einem
Industriezweige, welcher noch heute den Ruf des Ortes
über Land und Meer trägt.
Der ganze obere Teil des in seiner wilden Romantik
einzig dastehenden Zackentales wird von den Einzelteilen
des Ortes, der sich fünf Stunden lang über das Gebirge
ausdehnt, umschlossen.
Mit Land- und Gasthäusern und Gastwirtschaften ist
Schreiberhau, namentlich das Marientai und Weißbachtal,
übersäet, nur das sogenannte Niederdorf war damit bis
her stiefmütterlich abgefunden worden. Wohl hatte sich
hier und da die Bautätigkeit geregt, auch hatte Pro
fessor Berent-Berlin sich ein Tuskulum auf steiler Höhe
in der sogenannten Gletscherregion, der „Adlerfels“ ge
nannt, geschaffen, in welchem er sehenswerte Samm
lungen unterbrachte. Aus einer Wassermühle formte der
selbe Herr eine niedliche Villa, das „Mühlenschlößchen“,
doch er blieb mit seinen Unternehmungen ohne nenn
bare Nachahmungen.
Der frühere Besitzer des Zuckerschaiengeländes, Gene
raldirektor Dr. J. Uhles in Breslau hegte den Plan, hier
eine Landhaussiedelung zu schaffen.
Das Gelände ist rund 19 ha groß, stark bergig,
und mit kleinen Wald- und Buschgehölzen durchsetzt*
Diese zu schonen und die Plätze so zu wählen, daß
keiner den andern ln der Aussicht störe, war Auf-