DER STÄDTEBAU
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III. Allgemeine Erwägungen.
Der Verlauf und der Erfolg des Verfahrens liefert einen
neuen Beweis dafür, daß die Frage der Baulandumlegung
nicht unlöslich ist. Ähnliche Verhältnisse wie in der Rüster-
laake finden sich vielfach, mag auch die Besitzzersplitte
rung nicht so bedeutend sein wie hier, um Berlin herum
in zahlreichen Ortschaften der Kreise Teltow und Nieder
barnim und auch anderswo in der Umgebung der Städte,
die sich in .ähnlicher Weise schnell entwickeln, und auch
da besteht das Bedürfnis, im geordneten Verfahren regelnd
einzugreifen. Ohne gesetzliche Regelung der Materie ist
indessen nicht auszukommen. Wenn es hier und in ver
schiedenen Sachen anderer Generalkommissionen z, B.
Düsseldorf* **) ), Münster 4 *), Hannover, Cassel, gelungen ist,
städtische Umlegungen erfolgreich auszuführen, so handelt
es sich doch nur um vereinzelte Fälle. Es läßt sich nicht
verkennen, daß zur Erreichung eine Reihe günstiger Um
stände Zusammentreffen muß: dringliche äußere Anlässe,
Willfährigkeit der Beteiligten, Entgegenkommen der städti
schen Behörde und nicht zum mindesten Anpassungsfähig
keit der Generalkommissionen. Nicht immer ist auf
solches Entgegenkommen der Beteiligten zu rechnen;
Mangel an Einsicht, Eigennutz und Mißgunst werden oft
hindernd in den Weg treten. Es erscheint aber nicht zu
lässig, daß einer oder einige Unwillfährige das Werk ver
eiteln, daß vom Belieben des einzelnen die Bodenaufteilung
in der Großstadt abhängt. Das öffentliche Wohl, das Ge-
samtinteresse muß dem Privatinteresse des einzelnen Vor
gehen. Die Besorgnis, daß das Privateigentum gefährdet,
die wirtschaftlich Schwachen dadurch geschädigt würden,
ist unbegründet; im Gegenteil, ihnen gerade wird Schutz
gewährt gegen das — nicht rechtlich — wohl aber tat
sächlich übermächtige Kapital, wie es sich in den Groß
städten nun einmal entwickelt hat. Und bei der landwirt
schaftlichen Zusammenlegung, die in der Regel die ganze
Feldmark betrifft, geht, wie schon Meyn a. a. O. hervor
gehoben hat, der Eingriff ln das Eigentum viel weiter, und
trotzdem ist ihre Durchführung allgemein und ihr Erfolg
segensreich.
Es kann hier nicht auf alle Einzelheiten der Gesetzes
materie eingegangen werden; wertvolle Vorarbeiten bieten
die oben erwähnte Schrift von Meyn, die lex Adickes ~
namentlich bezüglich der materiellen Bestimmungen, wenn
schon die formale Regelung und das Verfahren nicht be
friedigen kann und das Gesetz wohl schwerlich praktisch
Anwendung finden wird — und ferner das schätzenswerte
Buch von Küster, die Erschließung von Baugeländen
1903, das einen Sondergesetzentwurf mit ausführlicher
Begründung gibt, aber nur die Rheinprovinz zum
Gegenstände hat. Notwendig ist indessen ein Gesetz für
das ganze Staatsgebiet; die Entwicklung der Städte ist im
wesentlichen im Westen und Osten die gleiche, das Be
dürfnis hier wie dort vorhanden und die gesetzliche Re
gelung im öffentlich-rechtlichen und sozialpolitischen Inter
esse überall gleich dringend. Wenn das Gesetz sich von
engen und kasuistischen Regeln frei hält und auf die all
gemeinen GrundzÜge beschränkt, so kann es unbedenklich
allgemeine Geltung erhalten, während Einzelpunkte und
*) Vgl. Küster, die Erschließung von Baugeländen,
**) Vgl. de Weldige und Fahrenhorst, Grundstücksumlegung in Stadt
feldmarken und in der SUdostfeldmark Dortmund (Dortmund 1903).
Nebendinge besser den Ausführungsbestimmungen Vorbe
halten werden. Anztrwenden wäre es auf alle Gebiete,
welche für die städtische Bebauung reif sind, ohne Unter
schied, ob sie zu Städten oder zu Dörfern gehören. Der
Entwurf zur lex Adickes sah die Einschränkung auf Städte
mit mehr als 10000 Seelen vor, aber gerade in den Dorf-
schaften an den Großstädten ist das Bedürfnis ganz be
sonders dringlich.
Im Anschluß an die Auseinandersetzungsgesetzgebung
dürfte, wie Küster will, genügen, daß der Antrag von den
Eigentümern von mehr als der Hälfte der Fläche gestellt wird,
sofern das Gelände zur Umlegung geeignet ist, das Bedürfnis
dazu vorliegt und Gründe des öffentlichen .Wohls nicht
entgegenstehen. Aber auch der Gemeinde, die ln hohem
Grade an der Sache interessiert ist, muß nach dem Vor
gänge der lex Adickes das Antragsrecht zugebilligt werden.
Ob die von Küster vorgeschiagenen Einschränkungen— Zu
stimmung des Bezirksausschusses bei Städten von mehr als
10000 Einwohnern, im übrigen des Kreisausschusses —
sich empfehlen, darüber können die Ansichten auseinander
gehen; die weitere Klausel, daß in diesem Falle ein förm
lich festgestellter Fluchtlinienplan vorliegen muß, möchten
wir nach dem oben ausgeführten jedenfalls nicht empfehlen.
Im übrigen wird viel davon abhängeh, welcher Behörde
das Verfahren übertragen wird. Die Gemeinde kann es
nicht wohl sein, denn sie ist bei der Angelegenheit selbst
beteiligt, in manchen Fällen unmittelbar mit Grundbesitz,
immer aber an der Ausweisung der Straßen, Plätze und
sonstigen Anlagen. Zudem handelt es sich nicht nur um
kommunale Aufgaben, sondern um Dinge von hervorragen
der öffentlich-rechtlicher und sozialer Bedeutung, und deren
Wahrnehmung ist Sache des Staates. Die Leitung kann
darum nur einer staatlichen Behörde zukommen, die in
keiner Weise interessiert ist und nur das öffentliche Wohl
zur Richtschnur hat. Der Weg, den die lex Adickes ein
schlägt — eine besondere Kommission aus mindestens
6 Mitgliedern für jeden Fall vom Regierungs-Präsidenten
bestellt — ist nicht gangbar, selbst wenn die Mitglieder
für ein solches Nebenamt stets die erforderliche Sachkunde
haben würden. Einer besonderen ständigen Behörde aber
würde es an genügender Arbeit fehlen. Es bleibt also nur
die Übertragung auf eine schon bestehende Behörde, und
als solche könnten nur die Generalkommissionen in Be
tracht kommen. Hierfür tritt Küster ein und es mehren
sich die Stimmen für diese Art der Regelung.*) Brandts
erklärt die Generalkommissionen für die gegebenen Sach
verständigen und hält es für einen Fehler, daß sie bei der
lex Adickes nicht gehört worden sind. Jedenfalls spricht
für sie, daß sie bereits in verschiedenen Landesteilen ohne
besonderes Gesetz eine Reihe solcher Umlegungen mit Er
folg ausgeführt haben, daß sie durch eine mehr als Sojäh-
rige Praxis auf dem ähnlichen Gebiete der landwirtschaft
lichen Zusammenlegung große Erfahrungen gesammelt
haben und große Teile ihres Verfahrens wie die Legiti
mationsführung, die Vermessung, Kataster- und Grund
buchberichtigung u. a. m. unverändert Anwendung finden
können. Die Generalkommlsslonen verfügen zudem über
*) Abendroth, Aufstellung und Durchführung von amtlichen Bebau
ungsplänen, a. Auflage, 1903. Dr. Wygodzinski in der Zeitschrift für
Agrarpolitik, Jahrgang II, No. 3. Dr. Brandts im Technischen Gemeinde-
bUtt, Berlin, 5. 4. Z904, Jahrgang VII, No. 1.